Therapie tumorassoziierter venöser Thromboembolien

DGIM 2024 Friederike Klein

Die Therapie der tumorassoziierten VTE sollte erst nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen. Die Therapie der tumorassoziierten VTE sollte erst nach sorgfältiger Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen. © Dr_Microbe – stock.adobe.com

Im Jahr nach einer Krebsdiagnose ist das Risiko für eine venöse Thromboembolie neun Mal höher als ohne Krebsdiagnose. Therapiert wird mit niedermolekularem Heparin oder DOAK – wobei je nach Tumorentität einige Besonderheiten beachtet werden müssen.

Der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung einer krebsassoziierten venösen Thromboembolie (VTE) ist die Tumorentität. Mit Abstand der am deutlichsten thrombogene Tumor ist das Pankreaskarzinom, erklärte Prof. Dr. Florian Langer von der Gerinnungsambulanz im Zentrum für Onkologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf. Das Mammakarzinom ist lange nicht so thrombogen, aber viel häufiger, sodass im Praxisalltag VTE beim Mammakarzinom durchaus eine bedeutende Rolle spielen. Doch nicht nur das Malignom an sich, auch die Krebstherapie erhöht das VTE-Risiko. Besonders ausgeprägt ist dies unter einer Behandlung mit Immuntherapeutika und Proteinkinase-Inhibitoren.

Die Therapie von VTE unterscheidet sich bei Tumorpatienten im Vergleich zu nicht an Krebs Erkrankten. Aspekte der Tumorerkrankung und der Tumortherapie müssen mit beachtet werden. „Vitamin-K-Antagonisten spielen bei VTE von Tumorpatienten praktisch keine Rolle, sagte Prof. Langer. Über mehr als ein Jahrzehnt war niedermolekulares Heparin (NMH) der Standard, weil es klar dosiert werden kann, eine kurze Halbwertszeit hat und keine Interaktionen zu befürchten sind. 

Mittlerweile gibt es aber auch viele Studienergebnisse zu den direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) im Vergleich zu NMH. 

VTE-Rezidive sind demnach bei Patienten mit Krebs unter DOAK seltener. Prof. Langer vermutet als Ursache vor allem eine bessere Therapiepersistenz, führt den Vorteil aber auch auf die unterschiedliche Pharmakodynamik der kleinen Moleküle im Vergleich zum NMH zurück. Die Kehrseite der Medaille sind numerisch mehr schwere Blutungen und signifikant mehr klinisch relevante nicht-schwere Blutungen unter DOAK. Das sind Blutungen, die einer Maßnahme bedürfen und die Betroffene außerplanmäßig zum Arzt oder ins Krankenhaus führen, erläuterte er. 

Bei krebsassoziierter VTE ist daher die sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung besonders wichtig. Die aktuell gültige Leitlinie1 empfiehlt, Tumorpatienten mit VTE drei bis sechs Monate zu antikoagulieren. Die Entscheidung für einen direkten Faktor-Xa-Inhibitoren oder ein NMH soll tumor-, tumortherapie- und patientenspezifische Aspekte berücksichtigen. Zu den Faktoren, die für NMH sprechen, gehört ein hohes Blutungsrisiko bei Thrombozytopenie, Aggregationshemmung und hämorrhagischer Diathese. Liegt z.B. die Thrombozytenzahl unter 50.000/µl, sollte das Risiko für eine Thrombusprogression berücksichtigt werden. Hoch ist dieses Risiko, wenn 

  • die Thrombose erst kurze Zeit (< vier Wochen) zurückliegt, 
  • der Patient initial eine sehr hohe Thrombuslast hatte, 
  • der Thrombus trotz initialer Antikoagulation noch nicht gut resorbiert ist oder 
  • der Patient noch keine Besserung der Symptome zeigt. 

Bei Thrombozytopenie und hohem Thromboseprogressionsrisiko kann eine Transfusionstrategie erwogen werden: Es erfolgt eine unterstützende Thrombozytentransfusion, um die Thrombozytenzahlen in einen Bereich anzuheben, in dem eine voll dosierte Antikoagulation mit DOAK oder NMH möglich ist. Das ist im Alltag aber oft nicht möglich, erklärte Prof. Langer. Dann sollte der Patient auf ein NMH umgestellt werden und die NMH-Dosis empirisch an die Thrombozytenzahl angepasst werden. Bei einer Thrombozytopenie sollten Patienten mit einer Tumorerkrankung und VTE präferenziell immer noch mit NMH behandelt werden, resümierte er.

Patienten mit luminalen Tumoren des Gastrointestinaltrakts weisen bei VTE-Therapie mit Edoxaban oder Rivaroxaban ein besonders hohes Blutungsrisiko auf. Deshalb empfiehlt die Europäische Gesellschaft für Kardiologie, diese DOAK nur bei Patienten ohne gastrointestinale Tumoren als Alternative zu NMH in den ersten Monaten nach einer Lungenembolie in Erwägung zu ziehen. Dagegen reduziert Apixaban nach einer Post-hoc-Analyse der CARAVAGGIO-Studie das VTE-Rezidivrisiko gegenüber Dalteparin, ohne das Blutungsrisiko bei Patienten mit gastrointestinalen Karzinomen zu erhöhen. Es ist unklar, ob das ein Zufallsbefund oder ein substanzspezifischer Effekt ist, betonte Prof. Langer.

Auch Störungen der oralen Medikamentenaufnahme durch Schluckprobleme, Erbrechen oder Diarrhö müssen berücksichtigt werden. Bei Therapie mit Rivaroxaban in einer Dosis von 15–20 mg/Tag müssen die Tabletten mit einer reichhaltigen Mahlzeit eingenommen werden, damit der Wirkstoff ausreichend bioverfügbar ist. Das sollte man mit Tumorpatienten besprechen und sicherstellen, dass die Nahrungsaufnahme parallel zur Tablettenaufnahme möglich ist.

Medikamentenwechselwirkungen der DOAK entstehen vor allem über das Leberenzym CYP3A4 und das P-Glykoprotein. Bei intravenösen Therapien spielt das nach Prof. Langers Erfahrung nicht so eine große Rolle, wohl aber bei der Therapie mit täglich oral einzunehmenden Tyrosinkinaseinhibitoren. Man komme nicht darum herum, die Interaktionen nachzuschlagen, meinte er, beispielsweise unter www.drugs.com

Die Therapieentscheidung für ein DOAK oder ein NMH wird nicht für die nächsten drei bis sechs Monate beschlossen, sondern kann kurzfristig an die individuelle Situation des Patienten angepasst werden, betonte Prof. Langer abschließend. Weil die Halbwertszeiten von DOAK und NMH vergleichbar sind, ist ein Wechsel einfach möglich, beispielsweise wenn der Patient im folgenden Chemotherapiezyklus Übelkeit und Erbrechen entwickelt. In der stabilen Therapiesituation ist der Wechsel vom NHM auf die orale Antikoagulation möglich. 

Noch in Diskussion ist die verlängerte Therapie mit einer niedrigeren Erhaltungsdosis der DOAK bei einem moderaten Rezidivrisiko – immer abhängig auch vom Patientenwunsch.

Quelle: Kongressbericht
1. S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie“, AWMF-Register-Nr. 065–002, www.awmf.org

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