Thromboembolie bei Krebspatienten: von Heparin zu NOAK?

Maria Weiß

Das Ergebnis aktueller Studien: NOAK können Thromboembolien effektiv vorbeugen. Das Ergebnis aktueller Studien: NOAK können Thromboembolien effektiv vorbeugen. © freshidea – stock.adobe.com

Tumorassoziierte Thromboembolien sind eine sehr häufige Komplikation von Krebserkrankungen mit relativ hoher Mortalität. Viele Patienten benötigen daher eine Antikoagulation zur Akutbehandlung oder Rezidivprophylaxe. Werden die oralen NOAK bald die bisher empfohlenen niedermolekularen Heparine ablösen?

Pro Jahr entwickeln 8–12 % der Krebspatienten eine tumorassoziierte venöse Thromboembolie (VTE), jeder zehnte dieser Patienten stirbt daran, sagte Professor Dr. Axel Matzdorff von der Abteilung für Innere Medizin II am Asklepios Klinikum Uckermark in Schwedt. Bisher sind sich alle internationalen Leitlinien weitgehend einig: Zur Akuttherapie von tumorassoziierten VTE und zur drei- bis sechsmonatigen Rezidivprophylaxe sollten primär niedermolekulare Heparine (NMH) oder Fondaparinux zum Einsatz kommen. Die oralen nicht-Vitamin-K-abhängigen Antikoagulanzien (NOAK) sind aber bereits auf dem Weg, auch in diesem Bereich eine Alternative darzustellen.

In mehreren aktuellen Studien wurde ihr Einsatz auch bei tumor­assoziierten VTE überprüft. In der Studie HOKUSAI Cancer-VTE1 wurde in der Langzeitantikoagulation nach VTE z.B. Edoxaban mit Dalteparin verglichen. Der primäre Endpunkt der Nichtunterlegenheit wurde erreicht; es traten im Studienverlauf sogar weniger Rezidivthrombosen auf. Auch für Rivaroxaban2,3 und Apixaban4,5 liegen inzwischen positive Daten zur Therapie und Prophylaxe tumorassoziierter VTE im Vergleich zu Dalteparin vor.

Ergebnisse besser mit Vorsicht genießen

Beim Vergleich von Edoxaban und Dalteparin sollte man genauer hinschauen, betonte Prof. Matzdorff. Bei Patienten mit sehr hohem Blutungsrisiko (drei Risikofaktoren) war nämlich Dalteparin überlegen. Und diese Risikofaktoren kommen bei Krebspatienten schnell zusammen:
  • OP vor ≤ 2 Wochen
  • Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern (z.B. ASS 100 mg)
  • Hirntumor/-metastasen n Lokal fortgeschrittene oder metastasierte Erkrankung
  • Diagnose gastrointestinaler oder urothelialer Tumor vor ≤ 6 Monaten
  • Therapie mit Avastin vor ≤ 6 Wochen

Für den Einsatz der NOAK auch bei Krebspatienten sprechen der geringere Aufwand und die im Vergleich zu NMH niedrigeren Kosten, so der Experte. Fragt man die Patienten, werden sie sich wahrscheinlich auch eher für die Tablette als für die Spritze entscheiden. Es sei daher anzunehmen, dass sich bei entsprechender Zulassung auch hier die NOAK durchsetzen werden. Allerdings gibt es auch viele Krebspatienten, die für eine Therapie mit NOAK eher nicht geeignet sind, mahnte der Referent. Dazu gehören:
  • Patienten mit therapiebedingter Mukositis oder mechanisch bedingten Schluckstörungen: z.B. Kopf-Hals-Tumoren, Tumoren des oberen GI-Traktes.
  • Patienten mit Übelkeit, Erbrechen, Durchfall etwa bedingt durch Nebenwirkungen der Chemo- oder TKI-Therapie, aber auch Personen mit verlangsamter Resorption bei Opioidtherapie oder bei Kurzdarmsyndrom, Fisteln oder Peritonealkarzinose.
  • Patienten mit klinisch relevanten Nierenfunktionsstörungen: Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban werden ab einer Kreatininclearance < 15 ml/min nicht mehr empfohlen, Dabigatran ist < 30 ml/min kontraindiziert. Von solchen Nierenfunktionsstörungen sind sehr viele Tumorpatienten betroffen, z.B. aufgrund des Alters, der Grunderkrankungen oder der Therapie­nebenwirkungen.
  • Potenzielle Interaktionen zwischen NOAK und Tumortherapien: Für NOAK sind zahlreiche Wechselwirkungen mit Tumortherapeutika (z.B. Ibrutinib, Tamoxifen, Dexamethason, Tyrosinkinasehemmer u.v.m.) beschrieben, sodass immer ein Interaktionscheck erfolgen sollte.
  • Erhöhtes Risiko für Thrombozytopenien: Bei Patienten mit hämatologischen Erkrankungen oder intensiver Chemotherapie besteht ein erhöhtes Thrombozytopenierisiko. Es gibt Empfehlungen zur Dosierung von Heparinen bei Thrombozytopenie, nicht aber für NOAK.
  • Erhöhtes Blutungsrisiko: z.B. Magen-Darm-Tumoren, urogenitale Tumoren, ZNS-Tumoren, ASS-Therapie.
  • Mangelnde Gesundheitskompetenz: Der Patient muss die NOAK zuverlässig in seinen ohnehin oft komplexen Therapieplan integrieren können. Unter dem Strich eignen sich NOAK zur Therapie von VTE somit am ehesten für „einfache“ Patienten, die z.B. nur eine Hormontherapie und keine intensive Chemo erhalten oder sich in der Nachsorge befinden, resümierte Prof. Matzdorff. 

Quellen:
1. Raskob GE et al. N Engl J Med 2018; 378: 615-624
2. Young AM et al. J Clin Oncol 2018; 36: 2017-2023
3. Khorana AA et al. Blood 2018; 132: LBA-1; doi: doi.org/10.1182/blood-2018-120738
4. McBane RD et al. Blood 2018; 132: 421; doi: doi.org/10.1182/blood-2018-99-118808
5. Carrier M et al. N Engl J Med 2019; 380: 711-719

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