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Thromboembolieschutz: Nicht immer ein Fall für NOAK

Von den Antikoagulanzien auf dem deutschen Markt besitzt Phenprocoumon immer noch die breiteste Zulassung: Es ist zur „Behandlung und Prophylaxe von Thrombosen und Embolien“ indiziert. Die nicht-Vitamin-K-antagonistischen oralen Antikoagulanzien (NOAK) holen langsam auf: Nach Vorhofflimmern, tiefen Venenthrombosen und Lungenembolie gehört zumindest bei Rivaroxaban inzwischen auch das akute Koronarsyndrom ins Spektrum.
„Trotzdem gibt es nach wie vor viele Situationen, in denen Patienten oral antikoaguliert werden müssen, aber NOAK nichts zu suchen haben“, sagte Privatdozent Dr. Timolaos Rizos von der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg. Paradebeispiel sind Patienten mit mechanischen Herzklappen, bei denen die NOAK am gesteigerten Risiko für schwere Blutungen und thromboembolische Komplikationen gescheitert sind. Woran das lag, ist bis heute unklar.
Thrombosen bei Krebserkrankungen sind ebenfalls ein schwieriges Feld für die NOAK. Zwar ist das Risiko onkologischer Patienten für venöse Thromboembolien bis zu siebenmal höher als das in der Normalbevölkerung und jeder zweite Betroffene stirbt an der Komplikation. Allerdings steigen die Blutungsraten unter Antikoagulation deutlich an und liegen bei 12–13 % pro Jahr, betonte Dr. Rizos. Auch Vitamin-K-Antagonisten (VKA) können hier nicht punkten und wurden schon vor 15 Jahren von niedermolekularen Heparinen (LMWH) abgelöst.
Dass NOAK es besser machen, ist aus mehreren Gründen fraglich:
- In-vitro-Untersuchungen legen nahe, dass maligne Zellen die Wirksamkeit von Faktor-Xa-Inhibitoren beeinträchtigen (nicht aber die von Enoxaparin).
- NOAK werden über CYP3A4 und P-Glykoprotein (P-gp) metabolisiert, ebenso viele Chemotherapeutika. Es könnte also zu Interaktionen kommen mit unvorhersehbaren Schwankungen der Wirkstoffspiegel.
- Übelkeit und Erbrechen als Nebenwirkung onkologischer Therapien setzen die Adhärenz herab und damit die Zuverlässigkeit der oralen Antikoagulation. Das gilt natürlich auch für Vitamin-K-Antagonisten, bei denen aber das Risiko zumindest teilweise durch die INR-Steuerung aufgefangen werden kann.
- An Niereninsuffizienz leiden viele Krebspatienten, sodass NOAK nur eingeschränkt einsetzbar und aufwendig in der Dosisfindung sind.
Niedermolekulare Heparine bleiben erste Wahl bei Krebs
In einer Metaanalyse retrospektiver Studien mit rund 3400 Patienten zeigte sich kein relevanter Unterschied hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit zwischen niedermolekularen Heparinen und NOAK, während VKA schlechter abschnitten.
Prospektive randomisierte klinische Studien zu dieser Frage gibt es nur zwei. Sie wurden kürzlich in einer weiteren Metaanalyse zusammengefasst und zeichnen ein etwas anderes Bild. Hier konnten die beiden geprüften Faktor-Xa-Inhibitoren Rezidivthrombosen besser verhindern als LMWH, dies aber um den Preis einer höheren Rate schwerer Blutungen. Bei der Mortalität gab es keinen Unterschied, allerdings betrug die Beobachtungszeit nur sechs Monate und die Fallzahl war mit 700 Patienten limitiert. „Weitere Studien laufen, aber im Moment sind LMWH weiter Therapie der Wahl“, konstatierte Dr. Rizos.
Interaktionen bleiben auch jenseits der Onkologika ein wichtiges Thema im Hinblick auf die NOAK. Die Liste möglicher Wechselwirkungen ist lang und reicht von Antiarrhythmika und Antibiotika (Rifampicin!) bis hin zu Johanniskraut.
Antiepileptika vertragen sich nur schlecht mit NOAK
Bei einer Komedikation mit Antikonvulsiva ist ebenfalls Vorsicht geboten. So können Levetiracetam und Valproat mit keinem einzigen der NOAK kombiniert werden, bei Phenytoin bestehen starke Einschränkungen. Die European Society for Cardiology bietet einen Praxisleitfaden zu NOAK an, der u.a. umfangreiche Interaktionstabellen enthält.
Schließlich hat auch das Argument, NOAK ersparten den Aufwand der INR-Kontrollen, seine Tücken. Chronikern mangelt es sehr häufig an Adhärenz. Registerdaten zufolge kamen Unterdosierungen von NOAK bei fast 10 % der Patienten vor und gingen mit einer höheren Rate kardiovaskulär bedingter Krankenhauseinweisungen einher. Überdosierungen waren seltener zu beobachten (rund 3 %), verdoppelten aber das Sterberisiko. INR-Kontrollen könnten also vor allem bei Patienten Charme besitzen, an deren Therapietreue Zweifel bestehen.
Quelle: Neurowoche 2018
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