Kryptogener Schlaganfall: NOAK-Vorteil in Sicht?

Dr. Sascha Bock

Bei etwa einem Viertel der Hirninfarkte bleibt die Ursache unklar. Bei etwa einem Viertel der Hirninfarkte bleibt die Ursache unklar. © peterschreiber.media – stock.adobe.com

Dass orale Antikoagulanzien nach einem kryptogenen Schlaganfall besser helfen als ASS, scheint plausibel. Doch auch aktuelle Studien scheiterten bei dem Versuch, einen Vorteil zu belegen. Ein neues ätiopathogenetisches Konzept soll jetzt die Wende bringen.

Ungefähr bei jedem vierten Hirninfarktpatienten bleibt die Suche nach einer eindeutigen Ursache erfolglos. Je jünger die Betroffenen sind, desto höher fällt dieser Anteil aus, erklärte Professor Dr. Matthias­ Sitzer­, Klinik für Neurologie, Klinikum Herford. Die gängige Bezeichnung „kryptogener Schlaganfall“ hat inzwischen dem „Embolic Stroke of Undetermined Source“, kurz ESUS, Platz gemacht. Mit dem zeitgemäßeren Begriff soll v.a. das therapeutische Dilemma zwischen Gerinnungs- und Plättchenhemmung gelöst werden.

Um einen Apoplex als ESUS zu deklarieren, muss ein minimaler diagnostischer Standard erfüllt sein:

  • territorialer, nicht-lakunärer Infarkt in der Bildgebung (kraniale CT/MRT)
  • fehlender Nach­weis makrovas­kulärer Gefäß­prozesse (Farbdoppler, CT- bzw. MR-Angio)
  • keine Kardioembolie (Langzeit-EKG, transthorakale Echokardiographie)
  • Ausschluss seltener Ursachen (v.a. Dissektion, Vaskulitis, Thrombophilie)

Emboligener Infarkt spricht für Thrombusformation

Das Konzept hat den Weg für Interventionsstudien zur pharmakologischen Sekundärprävention bereitet. Bislang gelten 100 mg ASS pro Tag als Standard. Eine Überlegenheit der oralen Antikoagulanzien scheint durchaus plausibel. Schließlich bedeute ein emboligener Infarkt eigentlich immer, dass irgendwo eine Thrombusformation stattgefunden hat, so Prof. Sitzer. Für Vitamin-K-Antagonisten ließ sich in früheren Untersuchungen allerdings kein klarer Vorteil gegenüber Plättchenhemmern nachweisen.

Immerhin 12–18 % der Patienten mit einem ESUS leiden wahrscheinlich unter paroxysmalem Vorhofflimmern. „Damit stößt man die Tür für Gerinnungshemmer auf“, sagte der Kollege. Zudem gebe es weitere kardiale Begleitumstände wie Klappenanomalien und Herzinsuffizienz, die eher für eine orale Antikoagulation sprechen.

Das ESUS-Paradigma genügt aber offenbar noch nicht, um am etablierten Vorgehen zu rütteln. Das bestätigen aktuell die Ergebnisse zweier randomisierter Studien, die ein nicht-Vitamin-K-antagonistisches orales Antikoagulans (NOAK) gegenüber ASS 100 mg/d testeten. Die NAVIGATE-ESUS-Studie schickte Rivaroxaban in einer täglichen Dosierung von 15 mg ins Rennen, die RESPECT-ESUS-Studie wählte Dabigatran als Vergleichssubstanz (je nach Alter und Nierenfunktion 2 x 150 mg/d oder 2 x 110 mg/d).

Beide Analysen ergaben keinen Unterschied in den klinischen Endpunkten. Prof. Sitzer verdeutlichte anhand der NAVIGATE-ESUS-Daten, dass sogar der hauptsächliche Effektivitätsmarker – sprich ein ischämischer Schlaganfall – in beiden Gruppen gleich oft auftrat. Zu schweren Blutungen hingegen kam es unter Rivaroxaban signifikant häufiger als unter dem Plättchenhemmer (1,8 % vs. 0,7 % pro Jahr).

Vor diesem Hintergrund sticht eine weitere kürzlich aufgelegte Untersuchung mit Apixaban heraus. Die Forscher der ARCADIA-Studie definierten zusätzlich zum ESUS eine neue Entität als Einschlusskriterium, die „atriale Kardio­pathie“. Darunter versteht man einen kranken linken Vorhof. Diesen kennzeichnen bestimmte EKG- und Herzecho-Parameter sowie ein NT-proBNP-Spiegel über 250 pg/ml.

„Atriale Kardiopathie“ als mögliche NOAK-Indikation

Ob damit der Sprung in die Signifikanz gelingt und eine differenzierte Sekundärprävention möglich wird? Prof. Sitzer jedenfalls hält den gewählten Ansatz für intelligent. Denn während ein detektierbares Vorhofflimmern immer mit einer Vorhofpathologie einhergehe, treffe das umgekehrt nicht zwingend zu. Insofern könnte die „atriale Kardiopathie“ die Gruppe der wahren ESUS-Fälle verkleinern.

Grundsätzlich tragen Patienten nach einem ESUS ein deutlich niedrigeres Schlaganfall-Rezidivrisiko als z.B. diejenigen mit manifestem Vorhofflimmern. Die logische Konsequenz daraus ist, Hochrisikopersonen dingfest zu machen – durch welche Paramter auch immer. Letztlich werde die Kombination verschiedener Marker wohl einen Vorteil der NOAK gegenüber ASS ergeben, so die Prognose von Prof. Sitzer. „Im klinischen Alltag haben wir diesen Vorteil noch nicht.“ ASS bleibt also weiterhin Standard.

Quelle: 14. DGK-Kardiologie-Update-Seminar

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Bei etwa einem Viertel der Hirninfarkte bleibt die Ursache unklar. Bei etwa einem Viertel der Hirninfarkte bleibt die Ursache unklar. © peterschreiber.media – stock.adobe.com