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Therapieentscheidungen vor allem an den Komorbiditäten festmachen

Einen Grund für therapeutischen Nihilismus sieht PD Dr. David Heigener vom Zentrum für Pneumologie an der AGAPLESION Diakonieklinik Rothenburg darin aber nicht. Er hält es für nicht adäquat, über 80-Jährigen generell nur „Best Supportive Care“ (BSC) anzubieten. Zwar ist die Überlebenswahrscheinlichkeit betagter Patienten geringer als die jüngerer. Letztlich hängt das Überleben aber stärker von den Komorbiditäten ab als vom Alter, betonte der Kollege.
Der Nutzen einer Chemotherapie beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) ist auch für alte Patienten belegt. So führte die Therapie mit einer Platindublette (Carboplatin plus wöchentlich Paclitaxel) im Vergleich zu einer Monochemotherapie bei 70- bis 89-Jährigen zu einem signifikanten Überlebensvorteil gegenüber einer Monochemotherapie.
Jeder Siebte stirbt an Therapiekomplikationen
Das galt auch für Personen mit einem Performancestatus (PS) von 2. Allerdings stieg die Rate der nicht-tumorbedingten Todesfälle unter der Platindublette an (13,3 % vs. 8,4 %). „Ein Siebtel starb an den Therapiekomplikationen“, gab Dr. Heigener zu.
Auch unter einer Immuntherapie ist die Prognose von Patienten mit NSCLC und einem PS von 2 deutlich ungünstiger als die von Leidensgenossen mit einem PS von 0–1. Allerdings hängt die Prognose ab vom Grund für den eingeschränkten Performancestatus: Behandelbare Komorbiditäten wirken sich weniger kritisch aus als Komplikationen der fortgeschrittenen Krebserkrankung.
Von den randomisiert-kontrollierten Zulassungsstudien wurden Patienten mit einem PS von 2 oder 3 in der Regel ausgeschlossen, sodass Vergleiche einer Immuntherapie mit Best Supportive Care in diesen Populationen fehlen. Da die Immuntherapie auf ein aktives, fittes Immunsystem angewiesen ist, kommt es bei Betagten nur selten zu einem extrem guten Ansprechen. Damit ist eher bei zielgerichteten Therapien zu rechnen, meinte Dr. Heigener.
Die Ansprechrate auf Gefitinib bei Patienten mit einem fortgeschrittenen NSCLC mit Mutation im epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) und einem PS ≥ 2 lag in einer japanischen Studie bei 65,4 %. Die 1-Jahres-Überlebensrate erreichte 62,9 %. Bei einem PS 4 betrug das mediane Gesamtüberleben allerdings nur 2–3 Monate und 11,5 % der Studienteilnehmer starben an einer interstitiellen Lungenerkrankung.
„Wir brauchen randomisiert-kontrollierte Studien mit BSC-Kontrolle auch bei Patienten mit einem Performancestatus von
3 und 4. Wir können sonst nicht sicher sein, dass wir diesen Menschen etwas Gutes tun“, befand Dr. Heigener. Er bietet älteren Patienten mit fortgeschrittenen NSCLC bei einem PS von 0–1 die gleiche Therapie an wie jüngeren.
Die letzte Entscheidung fällt der Patient
Liegt ein Performancestatus 2 vor, sollte die Entscheidung über das therapeutische Vorgehen im Konsens mit dem Betroffenen und seinen Angehörigen erfolgen. „Die Mehrzahl wünscht eine molekulare Diagnostik“, so die Erfahrung von Dr. Heigener, und er plädierte dafür, diese auf jeden Fall durchzuführen. Das gelte auch bei einem PS von 3 oder 4, um zielgerichtete Therapieoptionen nicht zu verpassen. Bei fehlenden Alterationen würde er in letzterem Fall aktiv von einer Therapie abraten, sie aber nicht verwehren. „Die letzte Entscheidung fällt der Patient“, lautet sein Credo.
Quelle:
62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
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