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Tiegel, Töpfe, Tatsachen – Individualrezepturen kritisch hinterfragen

Eigene Rezepturen vom Apotheker anrühren zu lassen, hat eine lange Tradition. Im Gegensatz zu Fertigarzneimitteln wurden sie aber weder geprüft noch in klinischen Zulassungsstudien untersucht. Das muss nicht heißen, dass sie „unplausibel“ sind, betonte Professor Dr. Thomas Dirschka von der Privatpraxis für Dermatologie in Wuppertal.
Wer keine Magistralrezeptur aus dem Neuen Rezeptur-Formularium (NRF) verwendet, sollte sich unter anderem über die Haftungssituation im Klaren sein. Auf Behältnis und Rezept muss eine eindeutige Anwendungsbeschreibung stehen. Dazu gehören Anwendungsgebiet, -häufigkeit und -dauer, wie der Patient sie zu applizieren hat (z.B. dünn) sowie weitere wichtige Bemerkungen, etwa der Rat zum Stopp bei Abheilung. Mündliche Anweisungen oder solche auf separaten Zetteln reichen nicht aus, warnte der Experte.
Auch gab er zu bedenken, dass für viele Wirkstoffe aus Magistralrezepturen, zum Beispiel Eosin (wässrig NRF 11.95), Triclosan (NRF 11.135) oder Wasserstoffperoxid (NRF 11.103) mittlerweile bessere und unbedenklichere Alternativen zur Verfügung stehen. Zudem kosten die individuellen Mischungen oft deutlich mehr als ein Fertigprodukt. Als Paradebeispiel nannte Prof. Dirschka Urea-Emollenzien: 500 g einer Rezeptur liegen nach seiner Berechnung bei etwa 78 Euro. Im Drogeriemarkt zahlt der Patient 5,50 Euro für die vergleichbare Menge der Eigenmarke, die sogar der Deutsche Allergie- und Asthmabund empfiehlt.
Viele Wirkstoffe nicht mehr in den Leitlinien zu finden
Für unverzichtbar hält Prof. Dirschka die Rezeptur, wenn der Patient das Industrieprodukt nicht verträgt oder die individuell abgestimmte Mischung einen klaren Zusatznutzen hat. Gleiches gilt für die wenigen Fälle, für die es (noch) kein Fertigarzneimittel gibt.
Wer weiter Rezepturen verschreibt und dabei Wirkstoffe kombiniert, muss die jeweiligen Lösungs- und Wirkeigenschaften kennen. Liegen diese z.B. in völlig verschiedenen pH-Bereichen, werden manche Substanzen an Effektivität einbüßen.
Haarwuchsmittel-Dampf kann Katzen töten
Im schlimmsten Fall geht die Wirkung komplett verloren, wie bei der (weiterhin häufigen) Kombination von Erythromycin und Metronidazol. Zumal Staph. aureus und Cutibacterium acnes in den meisten Fällen bereits gegen beide Antibiotika resistent sind und in den Leitlinien als Therapeutika nicht mehr vorkommen.
Auch andere Substanzen entsprechen – obwohl weiterhin im NRF-Register enthalten– nicht mehr den aktuellen Leitlinien. Dazu gehören Östrogenderivate bei Lichen sclerosus oder Salizylsäurezubereitungen in der Aknetherapie.
Und Prof. Dirschka wies noch auf einen weiteren wichtigen Punkt hin: Wer es sich mit seinen Patienten nicht verscherzen will, sollte in manchen Fällen auch deren Wohnsituation berücksichtigen. So ist Minoxidil bereits bei Inhalation kleiner Dampfmengen hochgradig toxisch für Katzen.
Quelle: 13. Dermatologie-Update-Seminar
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