Time in Range, Lipide, Blutdruck – Therapieziele bei Erwachsenen individuell festlegen

Dr. Dorothea Ranft

Gut eingestellte Patienten liegen mehr als 70 % des Tages im Zielbereich. Gut eingestellte Patienten liegen mehr als 70 % des Tages im Zielbereich. © iStock/PixelsEffect

Menschen mit Typ-1-Diabetes haben inzwischen eine gute Lebenserwartung. Offenbar profitieren die Betroffenen von den modernen Insulintherapien und von der Selbstkontrolle ihrer Blutglukosewerte. Nach wie vor gilt es, die langfristigen Folgen der Stoffwechselstörung zu verhindern.

Dass eine normnahe Blutzuckereinstellung Retinopathie, Mikroalbuminurie und Neuropathie verhindern oder zumindest hinauszögern kann, steht außer Frage. Die Möglichkeiten zur effektiven Blutzuckerkontrolle haben sich in den vergangenen Jahrzehnten stetig erweitert. Zugleich ist das Risiko für Hypoglykämien bei adäquater Therapie deutlich gesunken.

Wenn es um die Reduktion des langfristigen Risikos für Folgeschäden geht, ist das glykosylierte Hämoglobin (HbA1c) nach wie vor der verlässlichste Parameter. Der anzustrebende Wert sollte individuell ermittelt werden und sich an der Dauer der Erkrankung, dem Lebensalter und der Lebenserwartung des jeweiligen Patienten sowie an dessen Komorbiditäten orientieren. Die meisten Erwachsenen mit Typ-1-Dia­betes tolerieren ein HbA1c-Ziel unter 7 %, ohne dass es zu vermehrten Hypoglykämien kommt, heißt es in einem gemeinsamen Konsensus­papier der ­European Association for the ­Study of Diabetes (EASD) und American Diabetes Association (ADA). Im Einzelfall kann auch eine striktere Einstellung des Blutglukosespiegels vorteilhaft sein. Umgekehrt sind bei Patienten mit eingeschränkter Lebenserwartung weniger strenge Vorgaben angebracht. Bei hohen Ausgangswerten ist jegliche Senkung vorteilhaft, auch wenn das eigentliche Ziel nicht erreicht wird, erklärt das Autorenteam um Prof. Dr. ­Richard ­Holt von der Universitätsmedizin ­Southampton.

Nach dem Essen sind Werte < 140mg/dl ideal

Die regelmäßige kapilläre Blutzuckerselbstkontrolle hilft Menschen mit Typ-1-Diabetes, ihr anvisiertes HbA1c zu erreichen. Bei vielen sorgen vor den Mahlzeiten ermittelte Glukosewerte zwischen 80 und 130 mg/dl für die gute Stoffwechseleinstellung. Fällt das glykosylierte Hämoglobin trotz guter präprandialer Spiegel zu hoch aus, wird eine zusätzliche Messung ein bis zwei Stunden nach dem Beginn der Mahlzeit empfohlen. Anzustreben sind postprandiale Werte unterhalb von 180 mg/dl. Ideal im Sinne normoglykämischer Werte sind < 140 mg/dl.

Mithilfe der kontinuierlichen Blutzuckermessung (CGM) können Typ-1-Diabetiker die Zeit im therapeutischen Bereich (­Time in ­Range, TiR) erfassen. Zudem lässt sich aus den CGM-Daten der Glukose-­Management-Indikator (GMI) berechnen, also der Durchschnitt der in den vergangenen zwei Wochen gemessenen Blutzuckerspiegel. Dieser Wert erlaubt eine recht gute Einschätzung der Glukosekontrolle. Für das klinische Management sind TiR und GMI möglicherweise besser geeignet als der HbA1c-Wert.

Für die Beurteilung der TiR werden in der Regel meist die Zeiten mit Blutzuckerwerten zwischen 70 und 180 mg/dl zugrunde gelegt. Gut eingestellte Patienten befinden sich in mehr als 70 % des Tages innerhalb dieser Grenzen. Phasen mit zu niedrigen Spiegeln (< 70 mg/dl) sollten einen Anteil von weniger als 4 % ausmachen (­Time ­below ­Range, TbR), klinisch bedeutsame Hypoglykämien (< 54 mg/dl) weniger als 1 %. Bei älteren Patienten mit langjährigem Diabetes ist eine TbR unter 1 % das wichtigste Therapieziel, betonen die Experten.

Zusätzlich zur optimierten Insulin­substitution benötigen Patienten mit Typ-1-Diabetes eine gezielte Prophylaxe, um langfris­tige Folgen zu verhindern. Große Bedeutung kommt dabei dem Blutdruck zu. Liegt die Zehn-Jahres-Wahrscheinlichkeit für eine kardiovaskuläre Erkrankung unter 15 %, reicht ein moderates Ziel unter 140/90 mmHg aus. Bei stärkerer Gefährdung oder bereits bestehenden mikrovaskulären Schäden, insbesondere der Nieren, gelten Werte unterhalb von 130/80 mmHg.

Ab dem 40. Lebensjahr Statine verordnen

Zur Lipidsenkung sollte bei Typ-1­Diabetikern ab dem 40. Lebensjahr eine Statingabe erwogen werden. Jüngere im Alter zwischen 20 und 39 profitieren gleichfalls von dieser Behandlung, wenn sie zusätzliche Gefäßrisiken aufweisen oder die Wahrscheinlichkeit für ein kardiovaskuläres Ereignis in den folgenden zehn Jahren 10 % übersteigt. Je nach Situation wird mit ­Ezetimib oder einem PCSK9*-Inhibitor kombiniert. Für alle Typ-1-Patienten mit Gefäßerkrankung kommt der Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern wie Acetylsalicylsäure in Betracht. Eine Primärprophylaxe kann sinnvoll sein, wenn der erwartete Nutzen das Risiko einer gastrointestinalen Blutung überwiegt.

Von einem Routinescreening auf koronare Herzerkrankungen bei asymptomatischen Personen mit einem Typ-1-Diabetes raten die Autoren ab. Denn eine Besserung der Prognose ist bei konsequentem Risikomanagement dadurch nicht zu erwarten. Anders liegt die Sache allerdings bei atypischen kardialen Symptomen, Zeichen einer vaskulären Erkrankung oder auffälligen EKG-Veränderungen. Deren Genese sollte stets sehr sorgfältig abgeklärt werden.

* Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9

Quelle: Holt RIG et al. Diabetologia 2021; 64: 2609-2652; DOI: 10.1007/s00125-021-05568-3

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Gut eingestellte Patienten liegen mehr als 70 % des Tages im Zielbereich. Gut eingestellte Patienten liegen mehr als 70 % des Tages im Zielbereich. © iStock/PixelsEffect