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Tonisch-klonische Anfälle mit der Smartwatch erkennen

Den meisten Kollegen bleibt kaum etwas anderes übrig, als sich auf die Angaben ihrer Epilepsiepatienten zu verlassen. Dabei ist ihnen durchaus bewusst, dass diese ihre Anfälle nur lückenhaft dokumentieren. Amnesiebedingt sind die Aussagen zu Anfallsfrequenz und -schwere häufig unzuverlässig. Und ob der berichtete Anfallstyp tatsächlich vorlag, kann nicht überprüft werden, sagte Professor Dr. Andreas Schulze-Bonhage, Neurologe am Epilepsiezentrum des Universitätsklinikums Freiburg.
Wissenschaftler arbeiten daher mit Nachdruck daran, Systeme zu entwickeln, die eine Anfallsdetektion im Alltag des Patienten ermöglichen – zum Beispiel Wearables. Diese kommunizieren via App mit dem Smartphone und zeichnen relevante Parameter auf. Heutzutage nutzen die meisten Menschen ohnehin mindestens einen dieser Tracker, angefangen von Schrittzählern, über Pulsuhren bis hin zur intelligenten Körperwaage.
So sollte die Bereitschaft zum ambulanten Monitoring epileptischer Anfälle entsprechend hoch sein – da war sich Prof. Schulze-Bonhage sicher. Für Betroffene komme es nach Aussage des Neurologen vor allem darauf an, dass die Geräte nicht weiter auffallen, sich komfortabel tragen lassen und die Anfälle vollständig dokumentieren, möglichst ohne Fehlalarme.
Solche Tools werden bereits ausführlich getestet. Mittlerweile liegen erste Daten vor, wie genau die smarten Systeme die einzelnen Anfallskomponenten erfassen. Der Smartwatch Empatica E4® war es z.B. gelungen, bilateral tonisch-klonische Anfälle recht genau zu erkennen. Das Device erfasst simultan anfallstypische Bewegungsmuster per Akzelerometrie sowie die postiktal ansteigende Hautleitfähigkeit via EDA.
Jüngst hatten Forscher erkannt, dass sich die Oberflächenelektromyographie – gemessen über ein kleines Gerät am Bizeps – zur Detektion der Schwere generalisierter tonisch-klonischer Anfälle eignet. Dies bestätigte sich in einer videokontrollierten Kohortenstudie mit 28 Patienten, die häufiger als einmal im Monat einen generalisierten Krampfanfall entwickelten. Über zwei bis drei Monate trugen sie nachts ein Armband am Oberarm (NightWatch), das sowohl Herzfrequenz als auch Bewegungsmuster registriert und bei einem Anfall Alarm schlägt.
Im Vergleich zu einem gängigen Bettsensor besaß die NightWatch im Median eine bessere Sensitivität (85 % vs. 21 %) und einen vergleichbaren positiven prädiktiven Wert (56 % vs. 82 %, Unterschied statistisch nicht signifikant). Darüber hinaus löste das multimodale System seltener falsch negative Alarme aus (0,04 vs. 0,28 pro Nacht), laut Prof. Schulze-Bonhage „ein vielversprechender Ansatz“.
Neuere Entwicklungen wie das subkutane EEG besitzen seiner Ansicht nach großes Potenzial, um die Versorgung der Patienten zu verbessern. Stand jetzt sei die Aufzeichnung jedoch noch auf wenige Kanäle beschränkt. „Ich muss im Vornherein genau wissen, was ich messen will“, urteilte der Neurologe. Home-Video-EEG könnten zwar die stationäre Diagnostik ergänzen, wenn die Betroffenen in unmittelbarer Nähe eines Zentrums wohnten. Für den breiten Einsatz seien sie aber noch zu aufwendig.
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