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Toxizität von Vitamin D

Vitamin D spielt eine zentrale Rolle im Knochenstoffwechsel, vor allem für den Calciumund Phosphathaushalt. Bei einer Überdosis von Vitamin D besteht die Gefahr einer Vitamin-D-Intoxikation.
Eine Hypervitaminose D macht sich klinisch bemerkbar durch eine Hyperkalzämie mit Hyperkalziurie, die neben einer Nephrokalzinose und der erhöhten Gefahr von calciumhaltigen Nierensteinen zum akuten Nierenversagen und Elektrolytverschiebungen führen kann.
Das akute Nierenversagen bei Hyperkalziämie entsteht durch eine Verengung der afferenten Arterie und konsekutiver Minderdurchblutung. Außerdem entsteht eine intravaskuläre Volumendepletion aufgrund eines diuretischen Effekts durch Aktivierung des Calcium-Sensing-Rezeptors am Natriumchlorid- Cotransporter in der Henle-Schleife (Bourne L.A., 2019).
Von daher müsste bei einer hochdosierten Vitamin- D-Therapie begleitend immer eine Hyperkalziurie diagnostisch ausgeschlossen werden, da sie der sensitivste Parameter für eine beginnende Vitamin-D-Intoxikation ist. Bei Hyperkalziämie sollte die Vitamin-D-Therapie sofort gestoppt werden.
Kommentar
Eine längere Vitamin-D-Intoxikation kann nicht nur zum akuten Nierenversagen führen, sondern über die rasch fortschreitende Nephrokalzinose zum terminalen dialysepflichtigen Nierenversagen.
Bei einer Hypervitaminose D zeigen radiologische Untersuchungen des Skeletts typische periostale Kalzifikationen. Im CT von Abdomen und Becken kann eine Nephrolithiasis zu sehen sein oder pathologische Kalzifikationen in den Blutgefäßen im Myokard, in der Lunge und in der Haut.
Symptome einer Vitamin-D-Überdosierung können sein (2):
- psychische Veränderungen in Form von Müdigkeit, Leistungsschwäche und depressiver Verstimmung
- gesteigertes Durstgefühl, vermehrtes Wasserlassen
- dyspeptische Beschwerden wie Appetitlosigkeit Übelkeit und Erbrechen
- Arthralgien
- Hypertonie, Arrhythmie
- Pseudogicht
- Pruritus
- Myasthenie insbesondere am Oberschenkel
Eine klinische Studie weist darauf hin, dass eine tägliche Vitamin-D-Einnahme bei fehlender endokriner Synthese bei Erwachsenen nicht über 800 IE/Tag hinausgehen sollte. Die europäische Lebensmittelbehörde hat eine sichere Obergrenze von 4000 IE/Tag für heranwachsende Erwachsene festgelegt (3).
Bundesinstitut für Risiko-Bewertung Stellungnahme 06 5/2023
Etliche Kohortenstudien weisen darauf hin, dass das Risiko einer erhöhten Herz-Kreislaufmotilität besteht bei verminderten 25-OH-D-Serumkonzentrationen von < 30 – 40 nmol/l sowie auch oberhalb von 75 nmol/l. Werte von > 75 nmol/l können durch langfristige Einnahme von über 4.000 Einheiten Vitamin D/d erreicht werden.
Als Differentialdiagnose einer Hyperkalzämie sollten zuvorderst immer andere häufigere Ursachen bedacht werden (1):
- maligne Grunderkrankung
- granulomatöse Erkrankung
- primärer und tertiärer Hyperparathyreoidismus
- Vitamin-A-Toxizität
- Thyreojodtoxizität
- M. Paget
- Immobilisation
- Milch-Alkali-Syndrom (Burnett-Syndrom)
Der klinische Fall
Patientin Jahrgang 1965:
- Chronische Nierenkrankheit, Stadium 4 im Rahmen einer interstitiellen Nephritis bei Grunderkrankung Sarkoidose
- Sarkoidose mit Beteiligung der Lunge, Leber und Niere
- Diabetes mellitus Typ 2
- Hypertonie
- Hypoparathyreoidismus
- Hyperurikämie
- Hypercholesterinämie
- Hypertriglyzeridämie
- Z.n. Hyperkalzämie
Anamnese und Verlauf in der nephrologischen Ambulanz:
Die Patientin berichtet bei der Wiedervorstellung darüber, sich vor einem Monat sehr schlapp gefühlt zu haben. Aktuell keine Dyspnoe, keine peripheren Ödeme, keine urämischen Symptome und keine Angina-pectoris-Symptomatik. Bei häuslichen Messungen liegt der Blutdruck bei 132/80 mmHg mit tachykardem Puls um 100/min. Unauffällige Miktion und Stuhlgang. Die Nierenwerte vor 4 Monaten zeigten eine stabile eGFR von 48,5 ml/min pro KÖF nach CKD-EPI. Die aktuell ermittelten Werte zeigten eine eGFR von 34,5 ml/min pro KÖF und ein Kreatininanstieg von 1,57 mg/dl auf 2,17 mg/dl im Rahmen eines akuten Nierenversagens. Begleitend war die bereits vorbestehende Hyperkalzämie von 2,7 mmol/l auf 3,21 mmol/l gestiegen. Hieraufhin erfolgte bei Verdachtsdiagnose eines Rezidivs der Sarkoidose eine erneute stationäre Einweisung.
Stationärer Verlauf im städtischen Klinikum Abteilung
Nephrologie Anamnese:
Die Patientin wird vom Rettungsdienst bei akutem Nierenversagen in die ZNA gebracht. Sie berichtet, dass sie sich im Rahmen einer Verlaufskontrolle nephrologisch vorgestellt habe und hierbei wäre ein akutes Nierenversagen bei Hyperkalzämie 3,21 mmol/l aufgefallen. Im letzten Aufenthalt erhielt die Patientin aufgrund der Grunderkrankung Sarkoidose mit Nieren-, Lungen- und Leberbeteiligung eine i.v. Cortisontherapie. Aktuell gibt sie keine AP-Beschwerden, keine Dyspnoe an, Miktion und Stuhlgang blande, keine Infektionszeichen.
Kenngröße | Maßeinheit | Laborparameter | Referenzbereich |
---|---|---|---|
Kreatinin | mg/dl | 2,2 | 0,67-1,18 |
eGFR nach CKD-EPI | ml/min | 24,0 | > 90 |
PTH | mmol/l | 13 | 15-65 |
Calcium | mmmol/l | 3,4 | 2,15-2,55 |
1,25-Dihydroxy-Vit. D | ng/dl | 99,4 | 25-60 |
Aufnahmebefund:
- 58 Patientin, wach, allseits orientiert, Eupnoe, Untersuchung von Kopf und Hals unauffällig
- Haut und sichtbare Schleimhäute unauffällig
- Keine Exsikkosezeichen, keine peripheren Ödeme
- Pulmo: Bds. vesikuläres Atemgeräusch, keine Rasselgeräusche, keine Obstruktion
- Cor: Herztöne rhythmisch und rein
- Abdomen: Bauchdecke weich, keine Druckschmerzen, keine Abwehrspannung, Darmgeräusche regelrecht auskultierbar
- Keine Hinweise auf ein fokalneurologisches Defizit
Immunologische Diagnostik | Maßeinheit | Laborparameter | Referenzbereich |
---|---|---|---|
ANA | 1:80 | < 1:80 | |
Doppelstrang-DNS-Ak | < 5 | < 5 | |
ANCAs | < 1:20 | < 1:20 | |
Bence Jones Protein im Urin | Nicht nachweisbar | ||
κ-Leichtketten im Serum | g/l | 0,0044 | 0,003-0,01 |
λ-Leichtketten im Urin | g/l | 0,005 | 0,006-0,02 |
Pospholipase-2-Rezeptorantikörper | 25 | < 27 | |
(PLA-2-Rezeptor-Antikörper) | U/ml | 12 | < 14 |
HIV 1/2 | Neg. | Neg. | |
Hepatitis B | Neg. | Neg. | |
Komplementfaktoren C3 | mg/dl | 90 | 88-228 |
Komplementfaktoren C4 | mg(dl | 20 | 16-47 |
HbA1C | % | 6,7% | < 6% |
sIL | KU/I | 1883 | |
sIL vor 8 Monaten | KU/I | 3540 |
Weitere Befunde:
Ableitende Harnwege bds. ohne Konkrement oder Harnaufstau. In der unteren linken Niere ein winzige ca. 8 mm große hypodense Läsion, vermutlich, soweit im Rahmen der geringen Größe beurteilbar, nur eine kleine Zyste. Keine sonstigen Nierenläsionen. Mittelfristige Verlaufskontrolle der linken Niere empfohlen.
Randständig im miterfassten basalen Thorax im ventro-basalen linken Unterlappen lateral subpleural kleine fokale ca. 6 mm breite Verdichtung, wahrscheinlich nur eine kleine Narbe. Eine komplette Thorax- CT-Bildgebung ist empfehlenswert.
Kein Hinweis für Cholestase (bei Z. n. Cholezystektomie), Aszites oder Ileus. Regelrechtes Pankreasorgan. Kein Nachweis von suspekten Osteodestruktionen. Sigmadivertikulose ohne Hinweis für akute Divertikulitis.
Verlauf:
Die stationäre Aufnahme erfolgte mit dem Bild einer erneuten Hyperkalzämie und Verschlechterung der Nierenwerte zur weiteren Diagnostik und Therapie. Therapeutisch erfolgte initial eine forcierte Diurese. Begleitend wurde eine Steigerung der Prednisolon-Therapie auf 20 mg/ Tag vorgenommen.
Als Genese der Hyperkalzämie wurde bei fehlendem Hinweis auf ein Rezidiv der Sarkoidose eine Vitamin-D-Überdosierung bei deutlich erhöhtem Spiegel des aktiven Vitamin D (1,25-Dihydroxy- Vitamin D) konstatiert. Unter der forcierten Diurese sank der Kalziumwert auf 2,8 mmol/l.
Nach Rücksprache mit der Hausärztin ergab sich, dass sie ihrer Patientin in Unkenntnis des bei Sarkoidose erhöhten endogenen Vitamin- D-Spiegels zusätzlich Vitamin D über einen längeren Zeitraum verordnet hatte.
Diagnose:
- Vitamin-D-Überdosierung mit folglicher Hyperkalziämie und Verschlechterung der Nierenwerte
- 1,25-Dihydrox-Vit. D: 99,4 ng/dl (Referenz 25-60 ng/dl)
- Keine Hinweise auf Rezidiv der bekannten Grunderkrankung Sarkoidose bei deutlich regredientem sIL-2-R
- sIL-2-R von 3240 KU/l auf aktuell 1883 KU/l gesunken
Therapie:
Forcierte Diurese, Steigerung der Prednisolondosis auf 20 mg/Tag.
Literatur
1. Vitamin D Toxicity T, Anum Asif; Nauman Farooq, NCBI Bookshelf. A service of the National Library of Medicin, National Institues of Health, Treasure Island StatPearls Pub. 2024 Jan.
2. Nierenversagen und Hyperkalzämie nach Vitamin D Überdosierung: www.gelbeliste.de/nachrichten/vitamin-d-ueberdosierung, Autor: Dr. Christian Kretzschmar, Stand 07.12.2017
3. Vitamin-D Überdosierung nach Anwendung exzessiver Dosen im Rahmen des compliant Protokolls; www.Akdae.de/Arzneimittelsicherheit/drug-safty-mail/newsdetail/drug-saftey
4. Bundesinstitut für Risikobewertung Stellungnahme 06 5/2023 (www.bfr.bund.de/cm/343/hochdosierte-nahrungsergaenzungsmittel-mit-vitamin-d-koennen-langfristig-die-gesundheit-beeintraechtigen.pdf)
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