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Treponemen haben sich von den Coronamaßnahmen erholt

Mit 10 Fällen pro 100.000 Einwohnern hat die Syphilisinzidenz in Deutschland im Jahr 2022 sogar den Median der fünf Jahre vor der „Coronadelle“ 2020/21 übertroffen, berichten Dr. Klaus Jansen und PD Dr. Viviane Bremer vom RKI. Wie nicht anders erwartet, verzeichnete man 2022 die höchsten Inzidenzen in großen Städten, vor allem in Berlin, Köln, München, Nürnberg und Frankfurt.
Weit überwiegend (über 90 %) waren Männer betroffen, von diesen wiederum zu 87 % Männer, die Sex mit Männern (MSM) hatten, schreiben die Forscher. Rund 90 % der Syphiliskranken und 95 % der MSM hatten sich in Deutschland angesteckt. Koinfektionen mit HIV waren bei MSM häufiger. Bei MSM mit und ohne HIV-Koinfektion wurde die Diagnose Syphilis innerhalb von zwei Monaten nach dem mutmaßlichen Infektionszeitpunkt gestellt. Bei heterosexuellen Männern und Frauen dauerte es dagegen länger.
Verschiedene Theorien zum Rückgang der Inzidenzen
Dass die Inzidenzen während der Coronapandemie zurückgingen, könnte nach der Meinung der Autoren verschiedene Gründe gehabt haben. Zum einen wäre denkbar, dass durch die Maßnahmen weniger Screening- und Beratungsangebote zur Verfügung standen oder dass diese aus Angst vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 seltener genutzt wurden. Bei asymptomatischen Syphilispatienten könnten sich durch die verspätete Diagnose mehr Sexualpartner angesteckt haben. Zum anderen hat die Pandemie sehr wahrscheinlich zu einem zwischenzeitlich risikoärmeren Sexualverhalten mit selteneren Kontakten oder Partnerwechseln geführt.
Man geht davon aus, dass das Sexualverhalten inzwischen wieder in den präpandemischen Zustand zurückgekehrt ist. Die steigenden Zahlen könnten einem insgesamt promiskuitiveren Sexualverhalten geschuldet sein u.a. gefördert durch soziale Netzwerke und Dating-Plattformen. Zudem gibt es mittlerweile gute HIV-Präventionsstrategien wie das Serosorting, d.h. die Auswahl nach Sexualpartnern nach dem HIV-Status, und seit 2018 die Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP). Letztere macht es wahrscheinlicher, dass v.a. die HIV-negativen MSM häufiger auf Kondome verzichten.
Um der Syphiliswelle Einhalt zu gebieten, bedarf es besserer Screeningangebote insbesondere für Risikogruppen wie die PrEP-Nutzer, schreiben die Autoren. So lasse sich durch schnelle Diagnose, Therapie und Partnerbenachrichtigung die Infektionskette unterbrechen. Diese Maßnahmen sollten möglichst niederschwellig, flächendeckend und kostenfrei sein. Auch Informationsveranstaltungen und Schulungen zu Präventionsmöglichkeiten für Risikogruppen und Mitarbeiter der Gesundheitsversorgung wären eine gute Idee, so die Autoren. Denkbare Optionen seien zudem eine Kopplung mit dem HIV-Monitoring sowie ein Testkit für zu Hause.
Aktuell wird diskutiert, ob eine antibiotische STI-Prophylaxe mit Doxyzyklin sinnvoll ist. Die deutsche STI-Gesellschaft rät aber wegen des Risikos, Resistenzen zu fördern, und wegen der Nebenwirkungen von einem breiten Einsatz ab. Die antibiotische Medikation solle Einzelfällen vorbehalten bleiben. Außerdem handelt es sich um einen Off-Label-Use.
Quelle: Jansen K et al. Epi Bull 2024; 7: 3-24; DOI: 10.25646/11907
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