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Trotz vermuteter Krebsgefahr weiter HCT verordnen?

Eine im April 2018 veröffentlichte Kohortenstudie aus Dänemark hat Unruhe in die antihypertensive Therapie gebracht. Der Studie zufolge ist die Einnahme von Hydrochlorothiazid (HCT) mit einer erhöhten Inzidenz von Spinaliomen und Basaliomen assoziiert – ein Ergebnis, das sich mit einer ebenfalls 2018 veröffentlichten Metaanalyse von zehn Beobachtungsstudien deckt.
Im Oktober 2018 gaben BfArM und Hersteller einen Rote-Hand-Brief heraus, der die aktuelle Studienlage beschrieb. In der Folge stellten viele ihre Patienten auf Ersatzpräparate wie Chlorthalidon und Indapamid um. Prompt kam es zu erheblichen Lieferengpässen, die weiterhin anhalten. Das gefährdet die Patienten, die aufgrund von Therapieresistenz auf Reserve-Diuretika wie Chlortalidon tatsächlich angewiesen sind, beklagt Dr. Ingo Krenz vom Cardiologicum Hamburg.
Fakt sei, in den vorliegenden Studien suche man Hinweise auf Hautkrebs-Risikofaktoren wie Raucherstatus, Sonnenexposition und Hauttyp vergeblich. Darüber hinaus lässt sich bisher nicht völlig ausschließen, dass die Photosensibilisierung, die für den Hautkrebs unter HCT verantwortlich sein soll, kein Thiazid-Klasseneffekt ist. Ein Austausch innerhalb der Wirkstoffgruppe würde das Risiko also nicht umgehen, sondern im schlimmsten Fall verschärfen. Und für die Alternative „Schleifendiuretika“ fehlt im Gegensatz zu HCT das gesicherte Wissen über den schützenden Effekt bei Herzinfarkt und Schlaganfall.
Verzicht vorerst nur bei Immunsupprimierten sinnvoll
Der Internist steht der Warnung kritisch gegenüber: „Null-Risiko ist selten eine sinnvolle Forderung, nicht nur wenn es um Medikamentennebenwirkungen geht.“ Die aktuelle Situation zeigt, dass aus defensivem, vermeintlich risikominimierendem Handeln für die Patienten gefährlichere Situationen resultieren könnten als die, die man ursprünglich zu vermeiden hoffte.
Wie man mit dem HCT-Dilemma umgeht, bleibt laut Dr. Krenz jedem selbst überlassen. Er schlägt vor, ein sachliches Patientengespräch zu führen, um den Nutzen und das Risiko gemeinsam rational zu bewerten. Stellt das Hautkrebsrisiko eine größere Gefahr dar als eine möglicherweise verschlechterte Blutdruck-Einstellung? Ist die Alternative wirklich risikoärmer?
Falls die Therapie weiterläuft, lässt sich die Hautkrebsgefahr womöglich durch einen verbesserten UV-Schutz senken. Nimmt der Patient HCT (25 mg/Tag) schon länger als fünf Jahre ein, können Sie zum Beispiel ein therapiebegleitendes jährliches Hautkrebsscreening ansetzen. Nur bei einer Patientengruppe erscheint Dr. Krenz ein Therapiestopp sinnvoll: Organtransplantierte, HIV-Infizierte und andere (medikamentös) Immunsupprimierte sollten vorsichtshalber auf den Wirkstoff verzichten. Zumindest bis weitere Studiendaten vorliegen.
Quelle: Krenz I. Hamburger Ärzteblatt 2019; 73: 24-25
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