Verkalkte Gefäße doch nicht durch Fette? Chirurg will jahrzehntelange Lehrmeinung zur Atherosklerose über Bord werfen

Dr. Anja Braunwarth

Eröffnete Aorta mit arteriosklerotischen Veränderungen; Prof. Dr. 
Andreas Zeiher (Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Frankfurt) Eröffnete Aorta mit arteriosklerotischen Veränderungen; Prof. Dr. 
Andreas Zeiher (Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Frankfurt) © CDC/Dr. Edwin P. Ewing, Jr./MT-Archiv

Zellmüll statt Lipide, Wand außen statt innen kaputt: So lässt sich die Theorie eines renommierten Herzchirurgen zur Pathogenese der Atherosklerose in Kürze zusammenfassen. Das dürfte das Blut von Kardiologen in Wallung bringen.

Seit mehr als 30 Jahren operiert Professor Dr. Axel Haverich marode Arterien. Die Beobachtungen, die der Leiter der Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover dabei machte, veranlassten ihn zu einer neuen Theorie in Sachen Atherosklerose.

Ihm fiel vor allem auf, dass immer nur einzelne Gefäße oder deren Abschnitte befallen sind. Das spricht seiner Ansicht nach gegen eine sys­temische Erkrankung. Außerdem fanden sich gesunde Bereiche von einer Muskelschicht umhüllt, die in kranken fehlte. Daraus leitet Prof. Haverich ab, dass die Verkalkungen nicht innen, sondern außen beginnen und nicht Lipide aus dem Blut verantwortlich sind. Seine These: Entzündungsreaktionen z.B. durch Infektionen, aber auch durch schädliche Fettpartikel (oxidiertes LDL-Cholesterin) führen zu Verschlüssen der Vasa vasorum. Als Folge davon kommt es zum Infarkt im Bereich der mittleren Wandschicht. Die abgestorbenen Zellen und Fettreste baut das Immunsystem ab und der dabei entstehende Abfall bildet dann die charakteristischen Plaques, die schließlich auch im Endothel haften.

Lipidablagerung bleibt die bedeutendste Ursache!

Professor Dr. Andreas Zeiher von der Medizinischen Klinik III am Universitätsklinikum Frankfurt räumt ein, dass pathogenetisch bei der Atherosklerose sicherlich mehrere Faktoren eine Rolle spielen. Doch nach wie vor halten er und seine kardiologischen Kollegen Lipidablagerungen für eine der bedeutendsten Ursachen. Dafür spricht auch, dass es mit einer effizienten LDL-Senkung gelingt, das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse erheblich zu mindern. „Die meisten Plaques 
sehen wir auf
 den Innenseiten“ Prof. Zeiher widerspricht zudem dem Angriff auf die Arterien von außen. „Wir sehen die meis­ten Plaques auf den Innenseiten der Gefäße und zwar vornehmlich an Biegungen.“ Deshalb geht das internistische Expertenlager weiter davon aus, dass sich die Verkalkungen aus Bestandteilen im Blut bilden. „Natürlich fragen wir uns auch, warum manche Gefäße wie z.B. die Brachialarterien kaum betroffen sind“, sagt der Kollege. Das könnte z.B. darauf beruhen, dass die hohe Beweglichkeit der Arme eine schützende Wirkung entfaltet. Sichere Erklärungen hat man aber bisher dafür nicht und auf diesem Feld besteht natürlich anhaltender Forschungsbedarf. „Ehe wir nichts Genaues dazu wissen, sollten wir uns weiter in erster Linie auf die Behandlung der klassischen Risikofaktoren konzentrieren“, so das Fazit von Prof. Zeiher.

Infektionsschutz mehr
 Aufmerksamkeit schenken

Dass Lipide nicht die alleinige Schuld an der Atherosklerose tragen, weiß man schon länger. So ließen sich in den vergangenen Jahren Zusammenhänge zwischen Grippe­epidemien oder Luftverschmutzung und Arterienverkalkung aufdecken. Und mittels DNA-Sequenzierung isolierten Forscher aus Plaques bereits mehr als 30 unterschiedliche Mikroben. Prof. Haverich fand auch eine ganze Reihe sehr alter Veröffentlichungen, in denen schon eine Versorgungsstörung der Gefäßwand als Krankheitsursache identifiziert wurde. In früheren tierexperimentellen Versuchen gelang es zudem, durch Kompression der Wand von außen die Sklerose auszulösen. Der Gefäßchirurg plädiert nun dafür, neben den etablierten Lebensstilinterventionen auch dem Infektionsschutz in Sachen Atheroskleroseprävention mehr Aufmerksamkeit zu schenken.Dazu gehört z.B. die jährliche Grippeschutzimpfung oder die Sanierung chronischer Entzündungsherde.

Haverich A. Circulation 2017;135:205-207

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Eröffnete Aorta mit arteriosklerotischen Veränderungen; Prof. Dr. 
Andreas Zeiher (Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Frankfurt) Eröffnete Aorta mit arteriosklerotischen Veränderungen; Prof. Dr. 
Andreas Zeiher (Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Frankfurt) © CDC/Dr. Edwin P. Ewing, Jr./MT-Archiv