Versorgung peripherer Gefäße: Sechs Fallbeispiele von Experten

Fall 1:
Vor 48 Stunden hatte der 76-Jährige eine transitorische ischämische Attacke im Versorgungsgebiet der linken Carotis erlitten, zwei Stunden vor der Einweisung war er vorübergehend aphasisch. Medikamente nimmt er keine. Der Duplex bringt eine 60%ige Stenose der linken Carotis interna ans Licht. Damit stellen sich diese wesentlichen Fragen: Braucht der Mann eine weitere Bildgebung, wie sieht das Management aus und ist eine ausführlichere kardiale Diagnostik nötig?
Die Experten der ESC* und ESVS** um den Kardiologen Professor Dr. Victor Aboyans, CHRU Dupuytren, Limoges, haben darauf klare Antworten. Mit den rezidivierenden Symptomen, dem Alter über 75 Jahre und der mehr als 50%igen Stenose wird der Patient von einer Versorgung der Carotis profitieren. Und da das Risiko für einen Schlaganfall in den ersten 14 Tagen nach Beschwerdebeginn am höchsten liegt, heißt es: so schnell wie möglich intervenieren.
Wegen der geringeren Gefahr prozeduraler Komplikationen in dieser frühen Phase raten die Profis zur chirurgischen Endarterektomie. Sie erfordert vorher MRT oder CT. Die Medikation sollte einen Plättchenhemmer plus Statin und ACE-Hemmer umfassen. Ein 24-Stunden-EKG und Echo scheinen sinnvoll, um mögliche begleitende kardioembolische Geschehnisse aufzudecken, dürfen aber die OP nicht verzögern.
Fall 2:
Vor 15 Jahren bekam die heute 76-Jährige eine mechanische Mitralklappe. Die Abklärung eines Geräusches über der Carotis zeigt nun eine 80%ige Einengung. Um die Schwere der Läsion besser abzuschätzen, erhält sie eine CT-Angio, die keine Hochrisikosituation ergibt. Ein ipsilateraler Hirninfarkt lässt sich durch ein Schädel-CT ausschließen. Bei dieser Konstellation ohne Beschwerden genügt zunächst eine medikamentöse Einstellung. Ein Plättchenhemmer ist bei der bestehenden oralen Antikoagulation verzichtbar.
Fall 3:
Bei dem 62-jährigen asymptomatischen Raucher führt ebenfalls ein Strömungsgeräusch in der Halsschlagader zur Untersuchung. Im Schall zeigt sich eine linksseitige 70%ige, echoarme Stenose. Vor sieben Jahren gab es in der Anamnese eine transiente Aphasie, dazu passt eine älterer stummer Infarkt in der linken Hemisphäre. Und bei einer Thyreoidektomie kam es zu Recurrensverletzung mit nachfolgender Lähmung. Aufgrund des hohen Schlaganfallrisisko stellt die Revaskularisierung die beste Option dar. Um nicht den linken Recurrens bei einer OP zu gefährden, plädiern die Kollegen für das Stenting des Gefäßes.
Fall 4:
Die 74-jährige Diabetikerin stellt sich mit einem tiefen infizierten Ulkus der linken Großzehe vor. Ihr Knöchel-Arm-Index liegt mit 0,49 deutlich im pathologischen Bereich. Diagnostisch sprechen sich die Spezialisten für Duplex plus digitale Subtraktionsangiographie aus, um alle potenziellen wiedereröffnenden Maßnahmen besser abzuwägen. In der Angiographie findet sich keine relevante Engstelle oberhalb des Knies, aber langstreckige Verschlüsse der Tibialarterien. Deshalb bietet sich am ehesten ein Bypass an, allerdings sind die Vv. saphenae der Frau stark varikös verändert, sodass sich die endovaskuläre Therapie besser eignet.
Das klappt auch – postoperativ erhält die Patientin eine duale Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel. Zwei Wochen später entwickelt sie ein Vorhofflimmern. Das erfordert den Austausch eines der Plättchenhemmer gegen ein orales Antikoagulans, so die Autoren.
Fall 5:
Der 86-Jährige hat akute Schmerzen im linken Fuß. An Komorbiditäten bestehen Hypertonie, eingeschränkte Nierenfunktion und paroxysmales Vorhofflimmern, der Patient nimmt ein NOAK. In der linken A. femoralis superficialis hat er bereits mehrere Ballonangioplastien hinter sich und vor 25 Jahren wurden beide Vv. saphenae gestrippt. Mit der Compliance hapert es, der Senior gibt zu, dass er seine Tabletten öfter weglässt. Der linke Fuß ist blass, kalt und ab Poplitea-Niveau pulslos. Außerdem liegt bereits ein partieller Ausfall motorischer Funktionen vor.
Ganz klar: Dieser Patient braucht dringend eine Revaskularisierung, um die Extremität zu erhalten, also direkt ab in den OP. Nach erfolgreicher Thrombektomie in der Femoralis stellt sich nun eine 5 cm lange Stenose distal im gleichen Gefäß dar. Genau hier fand aber bereits die Dilatation statt. Dennoch: Aufgrund Alter, Begleiterkrankungen und fehlender Saphena bevorzugen die Experten das endovaskuläre Prozedere.
Während der Angioplastie disseziert die Arterie, was die Einlage eines Stents (nicht-beschichtet) erfordert. Jetzt wird es knifflig, weiß man doch, dass der Rentner es nicht so mit seinen Medikamenten hat. Es nützt nichts: Mindestens für einen Monat muss er einen Plättchenhemmer nehmen und das NOAK bleibt unverzichtbar. In diesem Fall hilft nur die unermüdliche Aufklärung und Unterweisung des Patienten.
Fall 6:
Der 71-jährige Diabetiker leidet unter einer intermittierenden Claudicatio rechts, begleitet von Hypertonie und Vorhoflimmern. Einen Schlaganfall hat er ebenso wie eine gastrointestinale Blutung schon hinter sich. Aktuell nimmt er ein orales Antikoagulans und einen ACE-Hemmer. Im Duplex sieht man eine kurze feste Stenose in der rechten A. iliaca communis. Bei diesem Befund sprechen sich die Kollegen nicht zuletzt wegen der Blutungsgefahr zunächst für einen rein konservativen Ansatz aus, d.h. intensive Bewegungstherapie und optimale Medikation.
Das verschafft dem Patienten innerhalb von drei Monaten nur minimale Besserung, die Claudicatio beeinträchtigt sein tägliches Leben erheblich. Also fällt die Entscheidung zur endovaskulären Rekanalisierung und es wird ein Stent eingelegt. Die Behandler verzichten auf die Beigabe des Plättchenhemmers zur bestehenden Antikoagulation, weil damit das Hämorrhagierisiko um mind. 50 % steigen würde.
* European Society of Cardiology
** European Society for Vascular Surgery Aboyans V et al. European Heart Journal 2017; online first
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