Vom Mettbrötchen ins Gehirn: Helminthen können gefährlich werden

Dr. Dorothea Ranft

Rechts: Die Larven eines Schweinebandwurms hatten es sich im Gehirn einer 24-Jährigen gemütlich gemacht. Die Frau klagte über Kopfschmerzen und erhöhte Temperatur. Rechts: Die Larven eines Schweinebandwurms hatten es sich im Gehirn einer 24-Jährigen gemütlich gemacht. Die Frau klagte über Kopfschmerzen und erhöhte Temperatur. © iStock/juefraphoto; Science Photo Library/Zephyr

Ob lecker Mettbrötchen, feines Tartar oder saftiges Steak – wer Pech hat, fängt sich damit einen Bandwurm ein. Das kann richtig gefährlich werden, denn mitunter gelangen die Helminthen bis ins zentrale Nervensystem.

Weltweit sind etwa 50 Millionen Menschen mit dem Rinder- oder Schweinebandwurm (­Taenia ­saginata bzw. T. solium) infiziert, schreiben Dr. ­Henning ­Trawinski und Professor Dr. ­Christoph ­Lübbert vom Universitätsklinikum Leipzig. Allerdings gibt es große geographische Unterschiede (s. Kasten "Endemiegebiete").

Wurm kann im Darm 25 Jahre alt und fünf Meter lang werden

Normalerweise ist der Mensch der Endwirt der Plattwürmer: Eier und gravide Wurmglieder, die sogenannten Proglottiden, gelangen mit menschlichen Fäkalien auf Erdboden, Weideland oder ins Wasser. Rinder und Schweine infizieren sich bei der Nahrungsaufnahme. Die geschlüpften Hakenlarven, die Onkosphären, penetrieren die Wand des Dünndarms und gelangen über den Blutkreislauf in die Muskulatur der Tiere. Dort bilden sich Finnen, die der Mensch mit unzureichend gegartem Fleisch aufnimmt. In seinem Dünndarm entwickelt sich aus diesen Zystizerken ein vielgliedriger Wurm, der eine Länge von fünf Metern und ein Alter von 25 Jahren erreichen kann.

Als wurmverdächtig angesehene Symptome wie Gewichtsabnahme, Bauchschmerz, postprandiale Übelkeit, Erbrechen und Völlegefühl treten nur selten auf. Jejunum-Perforation und Meckel-Divertikulitis sind eine Rarität, und auch ein mechanischer Ileus ist eher selten. Denn in der Regel entwickelt sich nur ein einzelner Adultwurm, und dieser ist recht fragil.

Endemiegebiete

  • Rinderbandwurm (Taenia saginata): Naher Osten, Zentral- und Ostafrika (v.a. Äthiopien), Zentralasien. Geringere Prävalenz (< 1 %) in Europa, Südostasien und Lateinamerika.
  • Schweinebandwurm (T. solium): Lateinamerika, Chia, Indien, Südostasien, Afrika dlich der Sahara, Ost- und Südosteuropa.

Beim intestinalen Befall lässt sich die Diagnose meist schon aufgrund des Abgangs von Proglottiden stellen. Die Aussagekraft der Stuhlmikroskopie für Taenien-Eier lässt sich durch die Untersuchung von mindestens drei Proben und mit der perianalen Klebestreifenmethode steigern. Hohe Sensitivität (95 %) und Spezifität (99 %) hat der fäkale Antigennachweis im ­ELISA. Die Polymerase­kettenreaktion ermöglicht eine zuverlässige Speziesdifferenzierung. Für den Schweinebandwurm kann der Mensch auch Zwischenwirt sein. Dann gelangen die Eier über fäkal verunreinigte Nahrung, Wasser oder eine Schmierinfektion in den menschlichen Magen. Auch eine Autoinfektion durch intestinale Retroperistaltik ist möglich. Die Hakenlarven können sämtliche Organe und Gewebe befallen, einschließlich Gehirn, Augen, Herz und Skelettmuskulatur. Dort bilden sich Finnen, es kommt zur Zystizerkose. Nach zwei bis drei Monaten entwickeln sich zystische Strukturen mit einem Volumen von etwa zehn Kubik­millimetern.

Im Auge schwimmende Zystizerken­ beobachtet

Recht harmlos ist die extraneurale Zystizerkose. Sie manifestiert sich mit subkutanen oder intramuskulären Schwellungen an Extremitäten oder Thorax. Infolge der Entzündung können sie sich nach einigen Monaten schmerzhaft vergrößern, bilden sich aber nach dem Untergang der Zystizerken zurück und verkalken. Gravierender ist die Neuro­zystizerkose, die mit ausgeprägter Inflammation im Gehirn und nachfolgender Kalzifizierung einhergeht. Die Symptome hängen von Anzahl und Lage der Herde ab. Zu den möglichen Folgen zählen epileptische Anfälle ebenso wie intrakranielle Hypertension, Hydrozephalus und fokale Defizite. Auch im Auge wurden schon schwimmende Zystizerken­ beobachtet. Die Diagnose der Neurozystizerkose basiert auf dem Nachweis typischer Läsionen im kranialen CT und MRT sowie spezifischer Antikörper in Serum und Liquor. Häufig findet sich in der Zerebrospinalflüssigkeit eine Eosinophilie, seltener dagegen peripher.

Das Steak besser well done

So beugt man einer Infektion vor:
  • kein rohes oder unzureichend gegartes Schweine- und Rindfleisch verzehren
  • gründliches Durchgaren mit einer Kerntemperatur > 65 °C über mindestens fünf Minuten
  • Einfrieren bei -10 °C über fünf Tage

Die intestinale Taeniasis lässt sich mit der einmaligen Applikation von Praziquantel (10–20 mg/kgKG) oder 2 g Niclosamid (Kinder 50 mg/kgKG) in neun von zehn Fällen wirksam behandeln. Vor der Therapie mit Praziquantel sollte bei Patienten aus Endemiegebieten wegen möglicher Krampfanfälle eine Neurozystizerkose ausgeschlossen werden. Diese Gefahr besteht bei Niclosamid wegen der fehlenden enteralen Resorption nicht. Gegen die Neurozystizerkose empfehlen die Autoren bei Patienten mit mehr als zwei aktiven Läsionen eine Dreifachkombination aus
  • Albendazol (15 mg/kgKG/d über 10 Tage) plus
  • Praziquantel (50 mg/kgKG/d ebenfalls über 10 Tage) plus
  • Dexamethason (0,1 mg/kgKG/d über 1–2 Wochen, danach ausschleichend dosieren).
Vor der antiparasitären Therapie ist ein okulärer Befall auszuschließen. Intraventrikuläre Herde werden – wenn technisch möglich – operativ entfernt. Patienten mit Krampfanfällen sollten eine antikonvulsive Therapie erhalten.

Quelle: Trawinski H, Lübbert C. Z Gastroenterol 2020; 58: 634-636; DOI: 10.1055/a-1169-4380

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Rechts: Die Larven eines Schweinebandwurms hatten es sich im Gehirn einer 24-Jährigen gemütlich gemacht. Die Frau klagte über Kopfschmerzen und erhöhte Temperatur. Rechts: Die Larven eines Schweinebandwurms hatten es sich im Gehirn einer 24-Jährigen gemütlich gemacht. Die Frau klagte über Kopfschmerzen und erhöhte Temperatur. © iStock/juefraphoto; Science Photo Library/Zephyr