Vom Muskeltraining bis zur Vergrößerungs-OP

Dr. Dorothea Ranft

Was tun bei einer hyperaktiven Blase? Was tun bei einer hyperaktiven Blase? © iStock/MARHARYTA MARKO

Eine Heilung gibt es für die hyperaktive Blase bisher nicht, wohl aber diverse Therapieoptionen – vom Muskeltraining bis zur chirurgischen Vergrößerung. Eine realistische Beratung der Betroffenen verhindert Frustration.

Verhaltenstherapie

Als primäre Option gegen Reizblasenbeschwerden wird meist eine Verhaltenstherapie empfohlen. Sie kann Entleerungsfrequenz, Drangepisoden und Nykturie reduzieren und einer Inkontinenz vorbeugen. Mithilfe eines Beckenbodentrainings lernt der Patient, Detrusorkontraktionen zu unterbrechen bzw. zu verhindern. Bei entsprechender Motivation lässt sich der unfreiwillige Harnverlust um mindestens die Hälfte reduzieren, etwa ein Drittel der Patienten wird wieder vollständig kontinent. Sinnvoll ist auch eine Verringerung der Flüssigkeitszufuhr auf 1–1,5 l/d. Der Verzicht auf koffeinhaltige Getränke hat sich als ineffektiv erwiesen. Eine Behandlung mit Diuretika sollte möglichst vermieden werden, so das Autorenteam um Christina Fontaine von den University Hospitals of Plymouth, Devon.

Orale Medikamente

Wenn sich das Therapieziel allein mit Verhaltensänderungen nicht erreichen lässt, sollte eine medikamentöse Behandlung versucht werden. Anticholinergika wie Solifenacin können die Symptomlast um zwei Drittel senken, allerdings oft um den Preis lästiger Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit und Obstipation. Außerdem muss man bei älteren Menschen mit einem erhöhten Risiko für kognitive Störungen rechnen. Das Hauptproblem der Behandlung mit Antimuskarinika ist die mangelnde Motivation: Je nach Studie brechen bis zu 85 % der Behandelten die Therapie innerhalb eines Jahres wieder ab. Deutlich besser ist die Adhärenz für den b3-Rezeptoragonisten Mira­begron. Dieser steigert die Blasenkapazität durch eine Relaxation des Detrusors und reduziert so die Zahl der Miktionen und Inkontinenzepisoden. Unerwünschte Effekte wie die Mundtrockenheit treten wesentlich seltener auf als unter Anticholinergika.

Auch das Risiko für Blutdrucksteigerungen ist gering. Allerdings raten die Autoren bei Werten ≥ 160 mmHg systolisch und/oder ≥ 100 mmHg diastolisch zur Vorsicht. Kontraindiziert ist der ­β3-Agonist bei Werten ≥ 180 mmHg bzw. 110 mmHg. Bei unzureichendem Ansprechen auf eine Monotherapie kann eine Kombination den Effekt erhöhen. So ließ sich für das Duo Solifenacin plus Mirabegron (5 mg/25 mg oder 5 mg/50 mg) eine signifikant stärkere Reduktion von Entleerungsfrequenz und Inkontinenzepisoden zeigen als bei Einzelgabe.

Potenzmittel bei Inkontinenz

PDE-5-Hemmer werden neben der erektilen Dysfunktion inzwischen auch zur Behandlung von Symptomen des unteren Harntrakts eingesetzt – mit Ausnahme der hyperaktiven Blase. Allerdings hat Tadalafil in einer Studie Wirkung bei Frauen mit Reizblase und Dranginkontinenz gezeigt. Außerdem führten PDE-5-Hemmer zur Vergrößerung des Blasenvolumens beim ersten Harndrang.

Botulinumtoxin-Injektion

Für die Injektion von Botulinum­toxin in den Detrusor konnte in mehreren Studien eine Minderung der Symptomlast um 60 % gezeigt werden. In Europa ist die Behandlung für harninkontinente Patienten mit überaktiver Blase zugelassen. Die Applikation muss alle sechs bis neun Monate wiederholt werden. Zu den Nachteilen zählt ein erhöhtes Risiko für Harnwegsinfekte. Außerdem kann es zu einer vermehrten Restharnbildung kommen, die eine intermittierende Selbstkatheterisierung erfordert.

Sakrale Neuromodulation

Die minimalinvasive Therapie wird in zwei Schritten etabliert. Um eine elektrische Stimulation der für die Blasenfunktion zuständigen Nervenwurzeln S3 und S4 zu ermöglichen, wird zunächst eine Elektrode in das entsprechende sakrale Foramen vorgeschoben. In der anschließenden Testphase wird die Funktion geprüft: Die Implantation eines permanenten Device ist nur bei einer Symptom­reduktion um mehr als 50 % sinnvoll. Die Wirksamkeit einer Neuromodulation gleicht in etwa der von Botulinumtoxin. Schwere Nebenwirkungen wurden bisher nicht beobachtet. Außerdem gibt es inzwischen wiederaufladbare, MRT-kompatible Stimulationssys­teme.

Tibiale Nervenstimulation

Die perkutane tibiale Nervenstimulation (PTNS) beruht auf der elektrischen Reizung der sakralen Miktionszentren. Dies gelingt mithilfe einer feinen Nadel, die am Fußgelenk oberhalb des Innenknöchels platziert wird. Die Behandlung umfasst zunächst zwölf konsekutive Sitzungen einmal wöchentlich à 30 Minuten. Später genügt eine Erhaltungstherapie alle zwei bis drei Wochen. Inzwischen gibt es vollständig implantierbare PTNS-Systeme. Präliminäre Daten sprechen für eine Inkontinenzreduktion ähnlich der sakralen Neuromodulation.

Augmentationszystoplastie

Patienten, die auf Medikamente und minimalinvasive Verfahren nur unzureichend ansprechen, profitieren eventuell von einer Augmentationszystoplastie. Dieser Eingriff kann inzwischen auch laparoskopisch erfolgen. Nachteil der Methode: Die Patienten müssen sich anschließend selbst katheterisieren. Das ist für manche aber leichter zu ertragen als die Symptome der hyperaktiven Blase. Für Patienten, die die Katheterisierung ablehnen, kommt eine Harn­ableitung über ein Ileum-Conduit mit Urostoma in Betracht. Damit lassen sich Kontinenzraten von 90 % erreichen. Allerdings muss man bei der Augmentation mit rezidivierenden Harnwegsinfekten, Blasensteinen und möglicherweise Malignomen rechnen.

Quelle: Fontaine C et al. Ther Adv Urol 2021; DOI: 10.1177/17562872211039034

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