Antibiotika sind beim unkomplizierten Harnwegsinfekt oft verzichtbar

Dr. Dorothea Ranft

Für die Therapie des unkomplizierten Harnwegsinfektes gibt es zwei Möglichkeiten: die sofortige Antibiotikatherapie sowie kontrolliertes Zuwarten. Für die Therapie des unkomplizierten Harnwegsinfektes gibt es zwei Möglichkeiten: die sofortige Antibiotikatherapie sowie kontrolliertes Zuwarten. © iStock/bymuratdeniz

Unkomplizierte Harnwegsinfekte verschwinden bei jeder dritten jungen Frau von selbst. Man kann den Patientinnen also ruhig die Wahl lassen, ob sie ein Antibiotikum einnehmen wollen oder nicht. Allerdings sollten sie wissen, wann es kritisch wird.

Den entscheidenden Hinweis auf einen akuten Harnwegsinfekt liefert meist schon die Anamnese mit typischen Beschwerden wie Hämaturie (bzw. trübem Urin), Dysurie und Nykturie. Auch imperativer Harndrang und erhöhte Entleerungsfrequenz können Folge einer vesikulären Entzündung sein. Sicherheitshalber sollten Alarmsymptome für Pyelonephritis und Sepsis (s. Tabelle) ausgeschlossen werden, betonen Professor Dr. Tammy ­Hoffmann und Kollegen von der Universität Queensland.

Die wichtigsten Warnsignale
Pyelonephritis
Sepsis
Flankenschmerz (Rücken, unter den Rippen)Tachypnoe (≥ 21/min)
Übelkeit, ErbrechenTachykardie (≥ 91/min)
Fieber oder SchüttelfrostHypotonie (< 91–100 mmHg systolisch)
Myalgiekein Urin innerhalb von 12–18 Std.
Verhaltensänderung, kognitive Verschlechterung

Gezielt nach Sex und Kontrazeption fragen

Andere Ursachen wie Scheiden­infektionen (Trichomonas, Candida, Gardnerella), Vaginitis (z.B. nach Geschlechtsverkehr) und vulvovaginale Atrophie sind ebenfalls zu bedenken. Deshalb empfehlen die Autoren, gezielt nach sexueller Aktivität und Kontrazeption zu fragen. Spermizide verändern die Vaginalflora und ein Diaphragma fördert die bakterielle Kolonisation von Introitus und Periurethralregion. Zudem sollten vorangegangene Harnwegsinfektionen, Schwangerschaft und Diabetes eruiert werden. Urinstreifentests erhöhen die diagnostische Sicherheit, können aber eine bakterielle Entzündung nicht ausschließen, betonen Prof. Hoffmann und Kollegen. Eine körperliche Untersuchung ist meist verzichtbar, aber bei Red-Flag-Symptomen obligat. Für die Therapie des unkomplizierten Harnwegsinfektes gibt es zwei Möglichkeiten: die sofortige Antibiotikatherapie sowie kontrolliertes Zuwarten. Die Patientin hat die Wahl. Damit sie eine überlegte Entscheidung treffen kann, empfehlen die australischen Kolleginnen, die Vor- und Nachteile beider Strategien genau zu erklären. Die Frau sollte wissen, dass sich die Symptome ohne antibakterielle Behandlung bei etwa einem Drittel der Frauen innerhalb von sieben bis zehn Tagen zurückbilden. Allerdings lässt sich die individuelle Prognose bisher nicht genau vorhersehen. Es ist also unklar, ob die Patientin zu den „Selbstheilern“ zählt und wie lange es in ihrem Fall dauern wird. Der Antibiotikaeinsatz verkürzt wahrscheinlich die Dauer der Beschwerden, birgt aber auch Risiken. So kann es je nach verwendetem Wirkstoff zu Übelkeit, Diarrhö und Hautausschlägen kommen. Auch eine Candidiasis zählt zu den möglichen Nebenwirkungen. Außerdem fördert die antibakterielle Therapie die Resistenzentwicklung. Viele Patientinnen mit unkompliziertem Harnwegsinfekt sind bereit, es erst einmal ohne Antibiotikum zu versuchen. Sie sollen ein entsprechendes Rezept einlösen, wenn sich ihre Beschwerden nicht innerhalb von 48 Stunden bessern – bei einer Verschlimmerung schon früher. Eine randomisierte Studie ermittelte für die verzögerte Antibiotikagabe einen ähnlichen Verlauf wie bei der direkten Behandlung: Die unmittelbar therapierten Patientinnen waren nach 3,5 Tagen beschwerdefrei, die erst nach 48 Stunden behandelten benötigten dafür 4,8 Tage.

Cranberry-Produkte halten das Rezidiv nicht auf

Sicherheitshalber sollte man den Patientinnen genau erläutern (am bes­ten schriftlich), wann sie ihr Rezept einlösen bzw. den Hausarzt erneut aufsuchen müssen. Die Autoren nennen neben mangelnder Besserung bzw. Verschlimmerung ausdrücklich Nausea und Erbrechen, starke Müdigkeit, Myalgien, Fieber, Nierenschmerzen und mangelnde Urinausscheidung. Zudem betonen sie, dass ihre Therapieempfehlungen zum unkomplizierten Harnwegsinfekt nicht für Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten (≥ 3/Jahr), Seniorinnen und Schwangere gelten. Noch unzureichend ist die Evidenzlage für frei verkäufliche Medikamente. Cranberry-Produkte haben laut einem Cochrane-Review keinen Einfluss auf die Rezidivneigung und zur Akutbehandlung fehlen randomisierte Studien. NSAR schnitten in drei Arbeiten zur Symptomlinderung schlechter ab als die antibakterielle Therapie, in zwei kleineren Untersuchungen lagen sie gleichauf. Die Autoren raten, allen Patientinnen eine schmerzlindernde Medikation (z.B. Paracetamol, Ibuprofen) anzubieten, unabhängig vom Antibiotikaeinsatz. 

Quelle: Hoffmann TC et al. BMJ 2021; 372: n725; DOI: 10.1136/bmj.n725

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Für die Therapie des unkomplizierten Harnwegsinfektes gibt es zwei Möglichkeiten: die sofortige Antibiotikatherapie sowie kontrolliertes Zuwarten. Für die Therapie des unkomplizierten Harnwegsinfektes gibt es zwei Möglichkeiten: die sofortige Antibiotikatherapie sowie kontrolliertes Zuwarten. © iStock/bymuratdeniz