
Wirksames Potpourri

In rund 8 % der Beratungsanlässe im ambulanten Setting diagnostizieren Urologen eine Prostatitis. Auch Hausärzte sehen diese Erkrankung häufig. Vor allem die chronische Prostatitis (CP) bzw. das chronische Beckenschmerzsyndrom (chronic pelvic pain syndrome, CPPS) sei „ein häufig unterschätztes Beschwerdebild mit erheblichem Einfluss auf die Lebensqualität“, schreibt ein Team um den Urologen PD Dr. Giuseppe Magistro, Asklepios Westklinikum Hamburg. Die CP/CPPS ist oft mit Miktionsbeschwerden, psychosozialen Störungen oder sexueller Dysfunktion assoziiert.
Jeder zweite Patient erhält Antibiotika
Eine antibiotische Therapie wird zwar in der Praxis bei fast der Hälfte der Patienten angewendet, sie ist aber nur selten zielführend und entspricht Dr. Magistro und Kollegen zufolge nicht der evidenzbasierten und leitliniengerechten Behandlung. Vielmehr sind eine strukturierte Basisdiagnostik und eine partizipative Therapieplanung der Schlüssel zum Erfolg. Die Autoren empfehlen patient-reported outcome measures (PROM) zur objektiven Symptomerfassung und zur Evaluation des Therapieerfolges.
Als CP/CPPS wird ein chronischer Schmerz oder eine Missempfindung im Beckenbereich für mindestens drei Monate im letzten Halbjahr bezeichnet. Man unterscheidet vier diagnostische Kategorien, zwischen denen Transitionen möglich sind:
- Typ 1: akute bakterielle Prostatitis
- Typ 2: chronische bakterielle Prostatitis
- Typ 3: chronische Prostatitis/chronisches Beckenschmerzsyndrom (3A: inflammatorisch, 3B: nicht-inflammatorisch)
- Typ 4: asymptomatische Prostatitis
Betroffene berichten über perineale Schmerzen mit Ausstrahlung in Hoden, Penis oder Richtung Harnblase, Rücken oder Rektum. Verspannungen im Abdomen- und Beckenbereich können Teil der Symptomatik sein, ebenso wie Schmerzen während Miktion (43 %) und Ejakulation (45 %). Typisch sind auch postejakulatorische Beschwerden und sexuelle Dysfunktion. Die CP/CPPS kann zudem mit Angstzuständen und Depression assoziiert sein.
Differenzialdiagnostisch kommen Fibromyalgie, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder chronische Erschöpfungssyndrome genauso infrage wie Somatisierungsstörungen. Für PROM existiert mit dem NIH Chronic Prostatitis Symptom Index (NIH-CPSI) ein validierter, spezifischer Fragebogen zur Statuserhebung und zur Evaluation des Therapieerfolges insbesondere bezüglich Schmerzen. Ebenfalls diagnostisch zum Einsatz kommen Symptomfragebogen zu Miktionsbeschwerden, zu sexueller Dysfunktion und psychosozialen Faktoren. Apparative Untersuchungen werden schlussendlich zur Abklärung konkreter Fragen eingesetzt.
Die Viergläserprobe ist Goldstandard für die mikrobiologische Abklärung, die Zweigläserprobe dient als adäquate Screening-Alternative. Von einer alleinigen mikrobiologischen Ejakulatuntersuchung raten Dr. Magistro und Kollegen ab.
Mithilfe der UPOINTS-Klassifikation lässt sich das individuelle Beschwerdebild abbilden und gleichzeitig die Grundlage für eine maßgeschneiderte Therapie schaffen. Das Akronym setzt sich zusammen aus den Symptomdomänen des CP/CPPS:
- Urinary (Miktionsbeschwerden)
- Psychosocial (Psychopathologien)
- Organ-specific (organspezifische Symptome)
- Infection (Infektionen)
- Neurologic (neurologische Beschwerden)
- Tenderness (muskuläre Verspannung)
- Sexual dysfunction (sexuelle Dysfunktion)
Aus der Erfassung dieser Domänen ergeben sich die Therapieziele in einem multimodalen, personalisierten Behandlungskonzept. Klinische Studien belegen ein gutes Ansprechen (Verbesserung im NIH-CPSI um ≥ 6 Punkte) bei mehr als 80 % der Patienten nach knapp einem Jahr.
Monotherapien mit validierter Wirksamkeit sind dagegen rar. Nur der Off-Label-Einsatz von intraprostatischem Botulinum-Neurotoxin A zeigte im Vergleich zu Placebo gute Ergebnisse. Der multimodale Ansatz ist aus Sicht von Dr. Magistro und Kollegen jedoch zu bevorzugen. Aufgrund der langen Behandlungszeiten empfehlen die Autoren, die Therapieziele nicht zu hoch zu stecken und die Maßnahmen bei Bedarf flexibel anzupassen.
Quelle: Magistro G et al. Urologie 2023; 62: 590-596; DOI: 10.1007/s001120-02302089-2
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).