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Wie kann die individuelle Therapie der chronischen Prostatitis gelingen?

Die chronische Prostatitis (CP) bzw. das chronische Beckenschmerzsyndrom (chronic pelvic pain syndrome, CPPS) ist definiert als chronischer Schmerz oder Missempfindung im Beckenbereich über mindestens drei Monate im Verlauf des letzten halben Jahres. Oft geht die Erkrankung mit Miktionsbeschwerden, psychosozialen Beeinträchtigungen und Störungen der Sexualfunktion einher, schreiben Dr. Guiseppe Magistro von der Urologischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München und Kollegen.
Die CP zählt entsprechend der Klassifikation der National Institutes of Health (NIH) zu den Varianten des Prostatitissyndroms. Die NIH teilen dieses in vier Kategorien ein:
- Typ 1: akute bakterielle Prostatitis
- Typ 2: chronische bakterielle Prostatitis
- Typ 3: CP/CPPS (inflammatorische bzw. nicht-inflammatorische Variante)
- Typ 4: asymptomatische Prostatitis
Die chronische Prostatitis ist eine multifaktorielle Erkrankung mit weitgehend unbekannter Pathogenese und sehr variabler klinischer Symptomatik. Es gibt weder Biomarker noch spezifische Tests zur Diagnosesicherung. Wichtig ist es, Differenzialdiagnosen wie Infektionen des Harntrakts, onkologische Erkrankungen, anatomische Anomalien oder neurologische Störungen auszuschließen, betonten Dr. Magistro und Kollegen.
Zur Basisdiagnostik zählt eine ausführliche Anamnese mit genauer Erfassung der Schmerzsymptomatik (Lokalisation, Schwere, Häufigkeit, ausstrahlende Beschwerden etc.) und der Begleitsymptome (Blasenentleerungsstörung, sexuelle Dysfunktion, psychosoziale Störungen wie Ängste und Depressionen).
Bakterielle Infektion mit dem 4-Gläser-Test aufspüren
Die Münchner Kollegen empfehlen, validierte Fragebögen wie den NHI Chronic Prostatitis Symptom Index (NHI-CPSI) zu nutzen, um die Symptome zu quantifizieren, den aktuellen Status zu erheben und um im weiteren Verlauf den Therapieerfolg beurteilen zu können. Zur Basisdiagnostik gehört auch die klinische Untersuchung von Abdomen, äußerem Genitale, Damm und Prostata. Goldstandard zur mikrobiologischen Abklärung von prostatitisähnlichen Beschwerden ist der 4-Gläser-Test, denn nur auf diese Weise lässt sich eine bakterielle Infektion als Ursache der Beschwerden bestätigen oder ausschließen.
Bei diesem Test werden vier Urinproben gesammelt: Erststrahlurin, Mittelstrahlurin, Prostataexprimat nach Prostatamassage und Postexprimaturin. In diesen Proben wird nach pathogenen Bakterien und Entzündungszeichen (Leukozyten) gesucht und auf diese Weise differenziert, welche Variante des NIH-Prostatitissyndroms vorliegt. Als Screeningalternative kann auch der 2-Gläser-Test eingesetzt werden, bei dem nur Mittelstrahlurin und Postexprimaturin gesammelt werden. Bildgebende Untersuchungen und eine weitere apparative Diagnostik sollen nur bei spezifischen Fragestellungen oder zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen erwogen werden.
Eine wichtige Hilfe bei der Diagnostik von Patienten mit Beckenschmerzsyndrom ist die UPOINTS-Klassifikation. Sie teilt die Patienten anhand folgender Symptomdomänen ein:
- urinary (Miktionsbeschwerden)
- psychosocial (psychopathologische Auffälligkeiten)
- organ-specific (organspezifische Symptome)
- infection (Infektionen)
- neurologic (neurologische Beschwerden)
- tenderness (muskuläre Verspannung)
- sexual (sexuelle Dysfunktion)
Die Behandlung der CP stellt aufgrund der variablen klinischen Manifestationen und der bis heute nur ansatzweise verstandenen Ätiologie eine Herausforderung dar. Da sich insgesamt bei nur 5 % bis 10 % der Männer mit prostatitisähnlichen Beschwerden eine bakterielle Infektion nachweisen lässt, sind Antibiotika meist überflüssig. Ein multimodales Behandlungskonzept, das auf das jeweilige klinische Profil des Patienten abgestimmt ist, verspricht mehr Erfolg als eine einzelne Therapie. Auch bei der Wahl der geeigneten Behandlungskomponenten erweist sich die UPOINTS-Klassifikation als hilfreich, da sie nicht nur die verschiedenen Problembereiche identifiziert, sondern auch symptomorientierte Therapieempfehlungen bietet (s. Tabelle).
UPOINTS-Klassifikation | ||
---|---|---|
Symptomdomäne | Symptomatik | Therapie |
Urinary | Entleerungsstörung, Speicherstörung | Alphablocker, 5-Alphareduktase-Inhibitoren |
Psychosocial | Angst, Depression | Psychosomatik, Antidepressiva, Anxiolytika |
Organ-specific | Prostataschmerz, Hämatospermie, Kalzifikationen, Miktionsbeschwerden | Quercetin, Pollenextrakt |
Infection | positive Urinkulturen, rezidivierende Harnwegsinfekte | Antibiotika |
Neurologic | neuropathischer Schmerz | Antikonvulsiva, Antidepressiva, Akupunktur |
Tenderness | Beckenbodendysfunktion (Spasmen, Triggerpunkte, myofaszialer Schmerz) | Physiotherapie, Muskelrelaxanzien, Wärme, Akupunktur |
Sexual | erektile Dysfunktion, ejakulatorische Dysfunktion | Phosphodiesterase-5-Inhibitoren, Schwellkörper-Autoinjektionen, medikamentöses urethrales System zur Erektion, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer |
Quelle: Magistro G et al. Urologe 2020; 59: 739-748; DOI: https://doi.org/10.1007/s00120-020-01226-5
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