Verschreibungen kritisch hinterfragen, um Resistenzen zu vermeiden

Dr. Dorothea Ranft

Die verordnenden Ärzte sollten die Medikamente mit Bedacht verschreiben. Die verordnenden Ärzte sollten die Medikamente mit Bedacht verschreiben. © New Africa – stock.adobe.com

Dass Antibiotika auch zukünftig noch effektiv eingesetzt werden, ist nicht selbstverständlich. Denn aktuell fördern unnötige Verordnungen Resistenzbildungen. Wie ein überlegter Umgang mit Antibiotika in der Praxis aussehen kann, beschreiben zwei Experten.

Verschreiben ohne echte Indikation, zu lange Anwendungsdauer und weitere Fehler beim Einsatz von Antibiotika führen weltweit zu steigenden Resistenzraten. Dr. Johannes­ Jochum­ und Dr. Till Koch vom Antibiotic Stewardship Team am Universitätsklinikum Hamburg-­Eppendorf appellieren daher an die verordnenden Ärzte, die Medikamente mit Bedacht zu verwenden. Sie erläutern am Beispiel von fünf häufigen Erkrankungen, wie ein überlegter Umgang mit Anti­biotika in der Praxis gelingen kann.

Pharyngitis

Die Antibiotikatherapie bei Pharyngitis wird gemeinhin mit dem vermehrten Auftreten von rheumatischem Fieber und Glomerulonephritiden begründet. Allerdings treten diese Komplikationen eines Streptokokkeninfekts hierzulande inzwischen so selten auf, dass sie per se keine antiinfektive Behandlung begründen. Zudem wird die Rachenentzündung in 70 % der Fälle durch Viren verursacht. Werden Bakterien bei symptomfreien Patienten gefunden, ist ebenfalls keine Behandlung indiziert, da 4–10 % der gesunden Erwachsenen mit Gruppe-A-Streptokokken kolonisiert sind.

Verzögertes Verschreiben

Wenn keine eindeutige Indikation besteht, kann bei Krankheitsbildern wie Pharyngitis, Rhinosinusitis oder Otitis media die verzögerte Verordnung sinnvoll sein. Der Patient erhält ein Antibiotikarezept, löst es aber nur bei einer Verschlechterung ein, auf ärztlichen Anruf hin (z.B. bei erhöhtem CRP) oder bei Fortbestehen der Beschwerden. Der Patient sollte zu diesem Vorgehen gut aufgeklärt werden.

Ein Schnelltest sollte bei Jugendlichen unter 15 Jahren durchgeführt werden, wenn Fieber, geschwollene vordere Halslymphknoten und/oder geschwollene Tonsillen bzw. ein Tonsillenexsudat vorliegen. Bei positivem Testergebnis ist als Antibiotikum Penicillin V zu bevorzugen.

Ambulant erworbene Pneumonie

Bei einer ambulant erworbenen Pneumonie hängt das Management von Schweregrad und Risikofaktoren für bestimmte Erreger ab. Patienten mit leichter Erkrankung ohne zusätzliche Gefährdung können in der Regel ambulant behandelt werden. Standard ist dann Amoxicillin. In mittelschweren Fällen raten die Autoren zu Ampicillin/Sulbactam unter stationären Bedingungen. Patienten mit schwerer Lungenentzündung gehören auf die Intensivstation.

Rhinosinusitis

Auch Patienten mit akuter Nebenhöhlenentzündung benötigen meist kein Antibiotikum. Ausnahmen gelten bei Risikofaktoren wie chronisch entzündlichen Lungenerkrankungen oder Immunsuppression, bei Fieber > 38,5 °C und sehr starken oder progredienten Beschwerden. Für eine etwaige antibakterielle Behandlung bevorzugen die Autoren die Gabe von Amoxicillin über fünf bis sieben Tage. Orales Cefuroxim sollte ihrer Meinung nach nicht mehr verwendet werden. Es hat eine geringe orale Bioverfügbarkeit und das erweiterte Spektrum begünstigt die Entwicklung von Resistenzen. Wichtig sind nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Inhalationen oder Nasenspülungen mit einer hypertonen Salzlösung.

Akute Otitis media

Eine akute Mittelohrentzündung heilt bei immunkompetenten Patienten meist von selbst ab. Eine Antibiotika­gabe ist bei schwerer Otitis und in den ersten sechs Lebensmonaten indiziert. In den ersten zwei Lebensjahren wird sie empfohlen bei beidseitiger Erkrankung oder Otorrhö mit persistierenden Symptomen. Auch Risikofaktoren wie Paukenröhrchen oder kraniale Fehlbildungen rechtfertigen den Einsatz. Mittel der Wahl ist auch dann Amoxicillin.

Penicillinallergie hinterfragen

Bei 80–90 % der Patienten, bei denen laut Krankenakte eine Penicillinallergie vorliegt, trifft dieses Label gar nicht zu, berichten die Autoren. Die Betroffenen werden aber infolge des Eintrags mit Ausweichantibiotika behandelt und erzielen nachweislich schlechtere Therapieergebnisse hinsichtlich Liegedauer und Mortalität. Infektionen mit Clostridoides difficile und resistenten Erregern treten ebenfalls vermehrt auf. Deswegen sollten alle Ärzte ein Penicillinlabeling kritisch hinterfragen. Wenn die geschilderten Beschwerden nicht zu einer Allergie passen, kann der Hinweis gefahrlos gestrichen werden, was nach Einschätzung der Autoren in bis zu 40 % der Fälle möglich ist. Bei leichten Symptomen raten sie primär zu einem direkten oralen Provokationstests. Dieser wurde in internationalen Studien als sicher befunden. Es kam nur bei 3–4 % der Patienten zu einer leichten allergischen Reaktion.

Asymptomatische Bakteriurie

Die meisten beschwerdefreien Patienten mit Bakterien im Urin bedürfen keiner Antibiotikatherapie. Eine Ausnahme bilden urologische Eingriffe mit Schleimhautverletzung. Auch Schwangere sollten nur noch in speziellen Risikosituationen weiter untersucht und behandelt werden. Bei der Implantation von Gelenkendoprothesen ist die asymptomatische Bakteriurie zwar ein Risikofaktor für die Infektion. Die Therapie vor der Operation hat aber keinen Einfluss auf die spätere Gefährdung.

Quelle: Jochum J, Koch. T Hamburger Ärzteblatt 2023; 77: 12-16

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