Von autoimmunem Stammzell-Pool initiiert

Dr. Moyo Grebbin

Ob sich die Ergebnisse aus dem Mausmodell wohl auf den Menschen übertragen lassen? Ob sich die Ergebnisse aus dem Mausmodell wohl auf den Menschen übertragen lassen? © iStock/tiripero

Bestimmte T-Zellen im pankreasdrainierenden Lymphknoten besitzen offenbar Stammzelleigenschaften und liefern lebenslangen Nachschub für eine Betazellattacke. Das Wissen über die Immunzellpopulationen könnte neue Therapiewege eröffnen – auch für andere Autoimmunkrankheiten bis hin zu Krebs.

Anhand eines Mausmodells des nicht-adipösen Typ-1-Diabetes verfolgte ein Forschungsteam, wie sich Auto­immunzellen bilden und fortbestehen, ohne sich zu erschöpfen.1 Dafür konzentrierten sich die Wissenschaftler*innen um Dr. ­Sofia ­Vaccarino ­Gearty vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center und Weill Cornell Medical College in New York auf CD8-T-Zellen, die sich gegen das Betazellprotein IGRP richten. Sowohl bei Mäusen als auch beim Menschen repräsentiert diese Subgruppe eine der hauptsächlichen pathogenen Zellpopulationen.

Aktive Autoimmunzellen im Pankreas sind nur kurzlebig

IGRP-spezifische CD8-T-Zellen fanden die Forschenden bereits bei fünf Wochen alten Modelltieren im pankreasdrainierenden Lymphknoten (pLN). Dort erfolgt das T-Zell-Priming, bevor die Zellen in die Bauchspeicheldrüse einwandern. Eine Expressionsanalyse der IGRP-positiven Zellen ergab, dass diese sich anhand hoher und niedriger Expression von TCF unterteilen lassen. Der Stammzell-Transkriptionsfaktor ist wichtig für T-Zell-Gedächtnis, Langlebigkeit und Selbst­erneuerung.

Im pLN fünf Wochen alter Mäuse gehörten ca. 80 % der untersuchten Zellen der TCFhi- und 20 % der TCFlo-Subgruppe an. In der Bauchspeicheldrüse exprimierten alle IGRP-CD8-T-Zellen wenig TCF. Eine ähnliche Stammbaumgabelung in TCFhi/lo-Populationen fanden die Wissenschaftler*innen auch für CD8-T-Zellen, die sich gegen ein anderes Betazellepitop richteten.

Die weitere molekulare und funktionelle Charakterisierung der IGRP-gerichteten Zellen ergab eine Hierarchie mit drei groben Stufen: 

  • Stammzellen: pLN TCFhi
  • Vorläuferzellen: pLN TCFlo
  • differenzierte TCFlo-Zellen im Pankreas

Den Ergebnissen zufolge bildet die erste Subgruppe einen Stammzellpool im Lymphknoten. Daraus entspringen Vorläuferzellen, die in den Pankreas einwandern und dort weiter differenzieren. Im Gegensatz zu den langlebigen Stammzellen waren die TCFlo-Zellen kurzlebig und nicht in der Lage, die Autoimmunität aufrechtzuerhalten (s. Kasten). 

Wann ist eine Stammzelle eine Stammzelle?

Der klassische Nachweis der Fähigkeiten zur Selbsterneuerung und Produktion differenzierter Nachkommen ist die serielle Transplantation. Auch das Team um Dr. Gearty wandte sie an. Verwendeten sie dazu die TCFhi-Stammzellen, reichten bereits 20 Zellen aus, um Dia­betes auszulösen. Dagegen waren 100.000 TCFlo-Autoimmunzellen dazu nicht in der Lage. Auch wenn die Forschenden die Zellzuwanderung aus dem Stammzellpool in den Pankreas nach der Transplantation blockierten, bewahrte das die Tiere – analog zu vorherigen Arbeiten – vor einem Typ-1-Diabetes.

TCFhi-Vorläuferpopulationen seien zwar auch bei chronischen Infektionen oder Krebs beschrieben worden, merkte das Studienteam an, – allerdings unterschieden sich diese trans­kriptionell wie funktionell deutlich von den jetzt für Typ-1-Diabetes entdeckten Stadien. Während die Vorläuferzellen bei Krebs und chronischer Infektion nur „erschöpfte“ Zellen mit eingeschränkter Funktion produzieren, behielten die Nachkommen des für Diabetes identifizierten TCFhi-Zellpools ihre Autoimmunaktivität bei. Ließen sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen, seien neue Diabetesbehandlungen denkbar, die sich gegen die Selbsterneuerung im pLN oder die Infiltration des Pankreas richten. Dem stimmten Prof. Dr. ­Stephen J. ­Turner und Prof. Dr. ­Nicole L. La ­Gruta von der Monash University in Victoria in einem Kommentar zu.

Weitere Forschung auch für Immunonkologie interessant

Ihnen zufolge wirft die Arbeit zudem zwei wichtige Fragen auf: Liegt anderen chronischen Autoimmunkrankheiten ebenfalls eine entsprechende Zellhierarchie zugrunde? Dann wären die Ergebnisse auch über den Typ-1-Diabetes hinaus von Bedeutung. Und weshalb wird in den beschriebenen Zellen kein Erschöpfungsprogramm eingeleitet? Das Verständnis darüber könnte z.B. für die Immunonkologie relevant werden. In dem Fall nicht, um beständige Immunantworten zu unterdrücken, sondern um sie zu ermöglichen.

Quellen:
1. Gearty SV et al. Nature 2022; 602: 156-161; DOI: 10.1038/s41586-021-04248-x
2. Turner SJ, La Gruta NL. Nature 2022; 602: 35-36; DOI: 10.1038/d41586-021-03800-z

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