Von Blutungsneigung bis Thrombosen

Dr. Dorothea Ranft

Thrombophilien werden hämatologische Veränderungen genannt, die eine Gerinnungsneigung auslösen. Thrombophilien werden hämatologische Veränderungen genannt, die eine Gerinnungsneigung auslösen. © peterschreiber.media – stock.adobe.com

Gerinnungsstörungen können Blutungen ebenso auslösen wie Thrombosen. Die Kenntnis auch seltener, aber häufig lebensbedrohlicher Manifestationsformen ermöglicht eine gezielte Therapie. Dabei kommt dem Hausarzt eine wichtige Rolle zu. Er ist oft der Erste, der Verdacht schöpft.

Die häufigste angeborene Fehlfunktion der Hämostase ist das Von-Willebrand-Syndrom (VWS). Es wird durch einen quantitativen und/oder qualitativen Defekt des Von-Willebrand-Faktors (VWF) ausgelöst. Dieses Plasmaprotein vermittelt die Adhäsion der Thrombozyten an die verletzte Gefäßwand und stabilisiert den Gerinnungsfaktor VIII. Der Erbgang ist autosomal dominant, weshalb beide Geschlechter erkranken, wie Prof. Dr. Florian Langer vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Kollegen ausführen.

Die Diagnose VWS gilt als gesichert, wenn das VWF-Antigen im Plasma unter 30 % liegt. Bei Werten zwischen 30 und 50 % entscheidet die Blutungsanamnese. Wenn eindeutige Hinweise auf eine familiäre Störung vorliegen, kann ein (leichtes) VWS Typ 1 diagnostiziert werden. Pharmakon der ersten Wahl ist dann das synthetische Vasopressin-Analogon Desmopressin (Infusion, Nasenspray). Unterstützend kann bei Hämorrhagien und Schleimhauteingriffen das Antifibrinolytikum Tranexamsäure verabreicht werden.

Das Von-Willebrand-Syndrom kann auch erworben werden. Einer der Pathomechanismen ist die verminderte VWF-Produktion bei schwerer Hypothyreose, ein anderer die Proteolyse durch vermehrte Scherkräfte (z.B. Aortenklappenstenose). Auch eine gesteigerte VWF-Adhäsion an thromobozytäre Rezeptoren (Polycythaemia vera etc.) und ein beschleunigter Abbau des Faktors durch Autoantikörper kommen in Betracht. Wenn möglich sollte eine kausale Therapie der Grunderkrankung erfolgen. Vor Eingriffen mit erhöhtem Blutungsrisiko empfiehlt der Hamburger Hämatologe bei potenziell VWS auslösenden Leiden eine Gerinnungsdiagnostik.

Eine weitere hereditäre Störung ist die Bluterkrankheit. Sie wird X-chromosomal rezessiv vererbt und geht mit einem Mangel an Faktor VIII oder IX einher (Hämophilie A bzw. B). Auch Konduktorinnen können eine relevante Blutungsneigung aufweisen. In schweren Fällen lösen spontane Muskel- und Gelenkblutungen irreversible Schäden am Bewegungsapparat aus. Deshalb ist die Prophylaxe ab der frühen Kindheit heute Standard, erklärt der Gerinnungsspezialist. Für Erwachsene mit gravierender Hämophilie A stehen drei Optionen zur Verfügung: Die intravenöse Ersatztherapie mit plasmatischen oder rekombinanten FVIII-Konzentraten, die subkutane Applikation des Antikörpers Emicicumab und der epigenetische Transfer des Faktor-VIII-Gens über einen viralen Vektor.

Die Hämophilie gibt es auch in erworbener Form. Dabei handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, die vor allem im höheren Alter und peripartal schwere Blutungen auslöst. Als Leitbefund imponiert die isolierte aPPT-Verlängerung mit stark verminderter FVIII-Aktivität. Zur Therapie und Hämorrhagie-Prophylaxe eignen sich drei Medikamente: rekombinanter Faktor VII, aktiviertes Prothrombinkomplex-Konzentrat und rekombinanter porziner Faktor VIII. Auch Emicizumab hat sich als wirksam erwiesen. Präoperativ muss jede isolierte aPTT-Verlängerung genauer abgeklärt werden, um letale Blutungen zu verhindern.

Venöse und arterielle Thromben

Mit einem hohen Risiko für venöse, arterielle und mikrovaskuläre Thrombosen ist das Antiphospholipid-Syndrom (APS) verbunden. Es wird durch Lupusantikoagulanzien (LA) oder Antikörper gegen Cardiolipin bzw. Beta2-Glykoprotein 1 ausgelöst. Eine besonders starke Gefährdung besteht beim Nachweis von LA und dreifach positivem Antikörperprofil. Betroffene sollten auch nach venösen Thromboembolien Vitamin-K-Antagonisten einnehmen. Nach einem Schlaganfall ohne kardiale Emboliequelle sind bei APS-Erkrankten VKA statt ASS indiziert. 

Thrombophilien werden hämatologische Veränderungen genannt, die eine Gerinnungsneigung auslösen. Weitere Faktoren sind verlangsamter Blutfluss und Schädigungen der Gefäßwand. Eine genauere Diagnostik wird nur empfohlen, wenn das Ergebnis Konsequenzen hat. Das ist vor allem in folgenden Situationen der Fall: 

  • Thromboembolien vor dem 50. Lebensjahr oder bei nur schwachen Risikofaktoren, 
  • positive Familienanamnese,
  • rezidivierende oder therapierefraktäre Befunde. 

Die angeborene Thrombophilie manifestiert sich vor allem im venösen System. Aber nur selten ist die Kenntnis über ihr Vorliegen unmittelbar nach Diagnose einer venösen Thromboembolie (VTE) relevant. Außerdem wird die funktionelle Gerinnungsanalytik durch das Ereignis, die damit verbundene Akute-Phase-Reaktion und die therapeutische Antikoagulation beeinflusst. Vor allem unter nicht Vitamin-K-abhängigen Wirkstoffen (NOAK) können falsch negative oder positive Werte gemessen werden.

Eine zweitätige Einnahmepause allein zur Thrombophiliediagnostik kommt aber frühesten drei bis sechs Monate nach dem akuten Ereignis in Betracht, betont Prof. Langer. Eine Neutralisation des NOAK-Effekts z.B. durch die Zugabe von Aktivkohle zum Plasma oder spezielle Filter ist möglich.

Bei der Einschätzung der Prognose ist zwischen Erstmanifestation und erneutem Auftreten nach dem Ende der Antikoagulation zu differenzieren. Das durchschnittliche VTE-Risiko liegt in der Bevölkerung bei 0,1–0,2 % im Jahr, nach einem Ereignis steigt es ohne Antikoagulation auf 2–5 %.

Unter den genetisch bedingten Thrombophilien dominieren Faktor-V-Leiden (FVL) und die Prothrombin-Mutation. Die FVL-Veränderung ist keine Erbkrankheit, sondern ein eher leichter Risikofaktor, betont Prof. Langer. Für die seltenen schweren Thrombophilien lässt sich eine Aussage zum VTE-Risiko kaum treffen. Es hängt bei Antithrombin, Protein C und Protein S vom Ausmaß des Defizits ab. Eine ausgeprägte Gerinnungsneigung spricht nach (spontaner) VTE für eine langfristige Fortsetzung der oralen Antikoagulation. Diese sollte nach Möglichkeit mit der therapeutischen Dosis erfolgen, nicht mit der prophylaktischen, fordert der Hamburger Kollege.

Quelle: Langer F. Hamburger Ärzteblatt 2024; 78: 12-17

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