Von Divertikel bis M. Parkinson – was verursacht die Dysphagie?

Dr. Anja Braunwarth

Dysphagie - liegt das Problem in der Speiseröhre, steckt etwas Neurologisches dahinter oder wird es durch Medikamente ausgelöst?

Klagt ein Patient über neu aufgetretene Schluckstörungen, ohne dass wesentliche Grunderkrankungen bestehen, steht in der Regel die Speiseröhre selbst im Zentrum der Diagnostik. Häufige Dysphagie-Ursachen sind z.B. Entzündungen, Tumoren oder Motilitätsstörungen (Achalasie, Presbyösophagus).


Eine Dysphagie mit Regurgitation und Aspiration spricht für Störungen oberhalb des oberen Ösophagussphinkters (oropharyngeale Dysphagie). Liegt das Problem tiefer, kommt es meist zum „Steckenbleiben“ von Nahrung, erklärte Professor Dr. Thomas Frieling von der Medizinischen Klinik II am Helios Klinikum Krefeld.

Mit Endoskopie, Röntgen und Manometrie die Ursache aufspüren!

Die wichtigsten Untersuchungsverfahren, Endoskopie und Röntgen (vorzugsweise mit Gastrografin), ergänzen einander gut. Strikturen z.B. werden bei der Endoskopie leicht übersehen, im Röntgen sind sie dagegen gut darstellbar. Auch membranöse Stenosen, sogenannte Webs der Speiseröhre, die z.B. durch Reflux entstehen, können dem geschulten Auge bei der Spiegelung entgehen. Die Durchleuchtung kann bei Bedarf mit Brot-Barium durchgeführt werden, um die Passage fester Nahrung besser zu beurteilen.

Typisches Bild eines Schatzki-Rings. Ab etwa 12 mm Durchmesser führt die Einengung zur Dysphagie.

Ösophagusdivertikel (endoskopisch und radiologisch dargestellt) verursachen nicht selten Thoraxschmerzen.

Fotos: Prof. Dr. Thomas Frieling, Helios Klinikum Krefeld


Bei eosinophiler Ösophagitis finden sich endoskopisch typische Ringe, im Breischluck zeigt sich ein sägezahnartiges Muster. Ein hyperkontraktiler Ösophagus fällt im Röntgenbild durch eine nussknackerähnliche Struktur auf. Beide Erkrankungen führen nicht selten zu einer Enge am unteren Ende der Speiseröhre, dem Schatzki-Ring, mit der Gefahr der plötzlichen Bolus-Obstruktion.


Motilitätsstörungen des Ösophagus entgehen u.U. beiden Diagnoseverfahren. Findet man endoskopisch und radiologisch keine Dysphagie-Ursache, sollte sich eine Manometrie anschließen. Darin zeigen bestimmte Erkrankungen – wie Achalasie, hyperkontraktiler Ösophagus und das Crest-Syndrom bei Sklerodermie (nur glatte Muskulatur befallen!) – charakteristische Peristaltikmuster.

Ergeben alle drei Untersuchungen keinen pathologischen Befund, muss die Ursache der Schluckstörungen außerhalb der Speiseröhre gesucht werden. Infrage kommen z.B.:

• Zenker’sches Divertikel,
• Aortenbogensyndrom oder
• Osteophyten der HWS, die auf den Ösophagus drücken.

Zenker‘sches Divertikel?


Durch erhöhten Druck im Hypopharynx kann sich an der dorsalen Wand ein Pulsionsdivertikel, das Zenker‘sche Divertikel bilden. Ursache ist vermutlich eine Muskel- oder Bindegewebsschwäche des Gewebes. Im Divertikel kann sich Speisebrei ansammeln, der Schluckakt wird behindert. Ein typisches Symptom ist die nächtliche Regurgitation, wenn die Nahrung in die Mundhöhle zurückfließt.


Vor allem bei älteren Menschen stecken hinter den Schluckbeschwerden nicht selten orale Probleme wie schlechter Zahnstatus, Xerostomie oder Infektionen. „60 % aller Altenheimbewohner leiden unter Dysphagie“, so der Experte – und die Störung sei für 45 % der Ein-Jahres-Sterblichkeit im Alter verantwortlich. Bei der Abklärung darf die Medikamentenanamnese nicht vergessen werden, denn einige Substanzen wie Anticholinergika, Kalziumkanalblocker oder Antihistaminika können das Schlucken in relevantem Ausmaß beeinträchtigen.


Große Bedeutung im Hinblick auf Schluckstörungen haben auch neurologische Erkrankungen. Das betrifft vor allem den M. Parkinson, die Multiple Sklerose, die ALS und natürlich den Schlaganfall. Etwa die Hälfte aller Apoplexpatienten leidet initial unter Dysphagie, chronisch werden die Probleme bei 25 %. In der Folge droht bei 7–68 % der Betroffenen eine Pneumonie, die wiederum als prognostischer Faktor beim Schlaganfall gilt.

Schluck-Screening nach jedem Schlaganfall

Prof. Frielig riet daher zu einem Dysphagie-Screening bei zerebralem Insult. In der Regel reicht dafür ein Wassertest, bei dem die Betroffenen zunächst drei einzelne Teelöffel Wasser und dann ein halbes Glas (ca. 50 ml) trinken sollen. Gibt es Hinweise auf eine Dysphagie, sollte eine logopädische Abklärung erfolgen, bei komplexeren Fällen helfen transnasale Endoskopie oder Video­fluoroskopie weiter. Bestätigt sich die Diagnose, verspricht ein gezieltes Schlucktraining Erfolg. Denn das Schluckzentrum einer Hirnhälfte dominiert im Normalfall und das der anderen lässt sich durch das Training gut (re)aktivieren.


Quelle: 119. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, Wiesbaden, 2013

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