Nektar, Sirup oder Honig – auf die Konsistenz kommt es an

Dr. Andrea Wülker

Vor allem Schlaganfallpatienten laufen Gefahr, eine Aspirationspneumonie zu entwickeln. Vor allem Schlaganfallpatienten laufen Gefahr, eine Aspirationspneumonie zu entwickeln. © iStock/ChesiireCat

Schluckstörungen sind weit verbreitet, Schätzungen gehen hierzulande von fünf Millionen Betroffenen aus. Neurogene Dysphagien treten oft im Zusammenhang mit Demenz, Parkinson und Schlaganfällen auf. Therapeutisch gilt es, Komplikationen zu verhindern.

Wenn es mit dem Schlucken nicht mehr richtig klappt, hat das für die Betroffenen gravierende Konsequenzen. Dysphagien können zu Aspirationspneumonien, Mangelernährung und Dehydratation führen. Die Lebensqualität wird massiv beeinträchtigt, schreiben Professor Dr. Rainer Wirth vom Marien Hospital Herne, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, und sein Kollege. Zudem sind Schluckstörungen im höheren Lebensalter mit einem gesteigerten Mortalitätsrisiko verbunden. Mindestens 50 % aller Schlaganfallpatienten entwickeln eine Dysphagie. Aber auch Parkinson- und Demenzkranke sowie Patienten mit neuromuskulären Leiden bzw. entzündlichen Muskelerkrankungen sind oft betroffen.

Die Diagnostik basiert auf einer sorgfältigen Anamnese, einer klinischen Schluckuntersuchung und speziellen apparativen Verfahren. Wahrscheinlich am häufigsten genutzt wird hierzulande die flexible endoskopische Evaluation des Schluckakts. Als Screeningmethode eignet sich ein Wasserschlucktest (siehe Folge 1).

Die Behandlung der neurogenen Dysphagie zielt darauf ab, belastende Symptome zu lindern und eine aspirationsfreie, bedarfsdeckende Ernährung zu gewährleisten. Je nach auslösendem Krankheitsbild und Dysphagie-Muster setzten Logopäden geeignete Therapiebausteine ein. So kann ein Training der suprahyo-idalen Muskulatur (sog. Shaker-Training) erreichen, dass sich der obere Ösophagussphinkter besser öffnet. Für bestimmte Formen der neurogenen Dysphagie stehen auch medikamentöse und interventionelle Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Ist die Nahrung zu dick, droht ein Flüssigkeitsdefizit

Daher ist es von großer Bedeutung, bei unklaren Dysphagien eine sorgfältige Differenzialdiagnostik durchzuführen, bevor Schlucktherapeut und Arzt gemeinsam die am besten geeignete Therapiestrategie aussuchen. Falls es nicht gelingt, die Ursache der Schluckstörung herauszufinden, sollte im Verlauf immer wieder eine ätiologische Reevaluation erwogen werden.

Die Ernährungstherapie spielt bei Schluckstörungen eine zentrale Rolle. Patienten mit oropharyngealer Dysphagie neigen dazu, bestimmte Lebensmittel wegzulassen und solche zu bevorzugen, die beim Schlucken die geringsten Probleme bereiten. Dünnflüssige Nahrungsmittel laufen sehr schnell – oft noch vor Auslösung des Schluckreflexes – unkontrolliert den Rachen hinunter. Sie können damit zu Aspirationen beitragen. Daher entscheiden sich viele Patienten für Lebensmittel höherer Konsistenz, was nicht selten zu einem Flüssigkeitsdefizit und zu einer Mangelernährung führt.

Eine zu geringe Energie- und Proteinaufnahme kann sich aber sehr negativ auf den Zustand des Patienten auswirken. Denn viele physiologische Funktionen wie Wundheilung oder Funktion des Immunsystems, aber auch die Stimmung werden durch einen Nährstoffmangel beeinträchtigt. Muskelmasse und -kraft nehmen ebenfalls ab, mit der Folge einer Gangunsicherheit, die Stürze und Frakturen begünstigt.

Schlucken – eine komplizierte Angelegenheit

Um einen Bissen vom Mund in den Magen zu befördern, ist ein komplexes Zusammenspiel 140 von mehr als 25 Muskelpaaren in Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf und Speiseröhre erforderlich. Sie müssen bilateral in einer bestimmten Reihenfolge aktiviert bzw. inhibiert werden, damit das Schlucken komplikationsfrei funktioniert. Beteiligt sind daran fünf Hirnnerven, die oberen Zervikalnerven und das Schluckzentrum im Hirnstamm. Bei Erkrankungen des ZNS, des peripheren Nervensystems oder der neuromuskulären Übertragung kann der fein abgestimmte Schluckmechanismus leicht ins „Stolpern“ geraten.

Da Dysphagien durch sehr unterschiedliche Erkrankungen bedingt sein können, gibt es kein allgemeingültiges Schema für die Ernährungstherapie. Die am besten geeignete Strategie muss für jeden Patienten individuell ermittelt werden. Häufig müssen flüssige Speisen und Getränke angedickt werden, bis eine Konsistenz erreicht ist, die die Fließgeschwindigkeit senkt und ein sicheres Abschlucken erleichtert. Wichtig ist es, den Andickungsgrad genau zu definieren, da Angehörige und Betreuer das Essen aus Sicherheitsgründen zu stark andicken. Das erschwert aber die Flüssigkeitsaufnahme und senkt die Akzeptanz. Sinnvolle Andickungsstufen sind nektarartig, sirupartig, honigartig und puddingartig.

Zwischen den Mahlzeiten gilt das „Wasserprotokoll“

Was tun, wenn Dysphagie-Patienten angedickte Getränke nicht mögen und daher ihren Flüssigkeitsbedarf nicht ausreichend decken? In diesem Fall kann das „Wasserprotokoll“ angeboten werden, bei dem zwischen den Mahlzeiten unangedicktes Wasser erlaubt wird. Denn kleinere Studien zeigen, dass die Aspiration von klarem Wasser offensichtlich nicht zu vermehrten Aspirationspneumonien führt.

Quelle: Wirth R, Dziewas R. Internist 2017; 58: 132-140

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Vor allem Schlaganfallpatienten laufen Gefahr, eine Aspirationspneumonie zu entwickeln. Vor allem Schlaganfallpatienten laufen Gefahr, eine Aspirationspneumonie zu entwickeln. © iStock/ChesiireCat