Dysphagie-Therapie ist leicht zu schlucken

Dr. Andrea Wülker

Kausaler Ansatz umfasst Klopfmassagen, Artikulationsübungen und Oberlippe streicheln.
Kausaler Ansatz umfasst Klopfmassagen, Artikulationsübungen und Oberlippe streicheln. © fotolia/bilderstoeckchen

Heilend, kompensatorisch, adaptiv oder medikamentös begleitend: Die Therapie der Dysphagie hat viele Ansätze. Und die meisten Fehlfunktionen lassen sich abhängig vom Störungsbild gut behandeln.

Die Diagnostik einer Dysphagie beruht auf einer sorgfältigen Anamnese (s. Kasten), der klinischen Untersuchung der beteiligten Organe (Mundmotorik, Schleimhautbefund, Auslösen des Schluck- und Würgreflexes) und der für den Schluckvorgang wichtigen Hirnnerven (Nn. facialis, hypoglossus, glossopharyngeus, vagus). Eine transnasale video­fiberendoskopische Beurteilung des gesamten Aktes schließt sich an, denn mit dieser nicht-invasiven Methode lassen sich Bewegungsstörungen, Tonusänderungen und weitere Auffälligkeiten erfassen. Die Bildgebung hat bei Stenosen oder Zenker-Divertikeln ihren Platz.

Schnell wiederholen: Pa-Ta-Ka, Pa-Ta-Ka, Pa-Ta-Ka

Die meisten Fehlfunktionen lassen sich abhängig vom Störungsbild behandeln, schreiben Dr. Simona Cantemir und Professor Dr. Armin Laubert von der Hals-Nasen-Ohren-Klinik, Universität Witten/Herdecke, Hagen. Dabei unterscheidet man kausale Therapieverfahren, kompensatorische Behandlungsoptionen, adaptive Hilfsmittel und medikamentöse Möglichkeiten.

Ziel der kausalen Ansätze ist es, beeinträchtigte Funktionen wiederherzustellen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, z.B. Stimulationsübungen mit thermischen Reizen. Kälte wirkt exzitatorisch und kann die Gaumenbögen stimulieren, während Wärme inhibitorisch wirkt. Auch mechanische Reize sind hilfreich, z.B. Klopfmassagen der Wangen, die phasische Muskelkontraktionen auslösen und bei Hypotonie erregend wirken. Durch leichtes manuelles Streichen an der Oberlippe oder am Lippenwinkel steigt die Kontraktionsbereitschaft des M. orbicularis oris. Schnelle wischende Bewegungen mit Pinseln oder Wattestäbchen erhöhen eine eventuell verringerte Sensibilität.

Mobilisationstechniken der Mund- und Gesichtsmuskulatur unterstützen die Kraft und Beweglichkeit von Zunge und Lippen (z.B. Widerstandsübungen der Zunge gegen einen Holzspatel). Autonome Bewegungsmanöver – die der Patient auch selbstständig durchführen soll – stärken einzelne Muskelgruppen und Funktionen. Als Beispiele nennen die Autoren Saugübungen zur Kräftigung der Rachenmuskulatur oder das Anregen von Kieferbeweglichkeit und Gaumensegel durch Blasen und Gähnen.

Gezielte Anamnese bei Schluckproblemen

  • Welche Art der Schluckstörung, seit wann?
  • Gewichtsabnahme?
  • Vorausgegangene Pneumonien, unklares Fieber?
  • Hustenanfälle?
  • Begleiterkrankungen? Medikamenteneinnahme?
  • Stimmveränderungen?
  • Sodbrennen?
  • Nikotinkonsum?
  • Zahnprothese?
  • Dauer der Mahlzeiten? Bevorzugte Konsistenz?
  • „Steckenbleiben“ von Nahrung?
  • Orale oder nasale Regurgitation?
  • Bereits erfolgte Diagnostik?

Artikulationsübungen eignen sich ebenfalls für das Training: „t“-Silben fördern die Zungenspitzenelevation, während „k“-Silben den Zungenrücken heben und Silbenfolgen wie „Pa-Ta-Ka“ die Diadochokinese trainieren.

Kompensatorische Methoden führen zwar nicht mehr zur Heilung, können aber Einschränkungen durch erlernte Techniken positiv beeinflussen. Zum Einsatz kommen Haltungsänderungen, etwa die Kopfneigung nach vorn um 45° („Chin down position“), die verhindern soll, dass der Nahrungsbolus unkontrolliert in den Rachen rutscht. Schluckmanöver wie kräftiges Schlucken zur Druck­erhöhung im Velopharynx können den Vorgang z.B. bei reduziertem Zungendruck oder ungenügender Pharynxkontraktion verbessern. Sie müssen allerdings sehr oft wiederholt werden, bis der Patient sie automatisiert.

Bei adaptiven Verfahren ist keine besondere Lernleistung erforderlich, sie machen sich Hilfsmittel zunutze. Beispielsweise gelingt es mit speziellen Löffeln, die Nahrung so zu platzieren, dass ein Schlucken auch bei Teilresektionen der Zunge mit erschwertem Bolustransport möglich ist. Weite Trinkgefäße mit Nasenkerbe erlauben eine Anteflexion des Kopfes, was ein „Leaking“ erschwert. Strohhalme gewährleisten eine dosierte Flüssigkeitsabgabe.

Zu den adaptiven Ansätzen zählt auch das Andicken der Nahrung, denn dünnflüssige Lebensmittel lassen sich bei beeinträchtigter Boluskontrolle, verspätetem Schluckreflex und inkomplettem Kehlkopfverschluss nur sehr schwer kontrollieren. Flüssigkeiten können mit Stärke unterschiedlich stark angedickt werden – von nektarartig bis puddingartig. Orientieren kann man sich an Apfelmus, das die richtige Konsistenz und gleichzeitig eine gute Gleitfähigkeit aufweist.

Hochpotente Neuroleptika erschweren das Schlucken

Auch verschiedene Medikamente sind in der Schlucktherapie hilfreich. Bei ausgeprägtem Speichelfluss kommen Anticholinergika wie Scopolamin als transdermales Pflaster oder sonographisch kontrollierte Botoxinjektionen in die Speicheldrüsen zum Einsatz. Bei Mundtrockenheit haben sich Pilocarpintropfen, bei Schluckauf Gabapentin bewährt.

Liegt der Dysphagie eine neurologische Erkrankung wie Myasthenia gravis oder Morbus Parkinson zugrunde, muss die Grunderkrankung konsequent medikamentös behandelt werden. Es gibt auch medikamentös ausgelöste Schluckstörungen durch ältere, hochpotente Neuroleptika wie etwa Haloperidol. Sie bessern sich rasch, wenn man die Medikation auf ein niedrigpotentes Antipsychotikum wie z.B. Sulpirid umstellt.

Quelle: Cantemir S, Laubert A. HNO 2017; 65: 347-356

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Kausaler Ansatz umfasst Klopfmassagen, Artikulationsübungen und Oberlippe streicheln.
Kausaler Ansatz umfasst Klopfmassagen, Artikulationsübungen und Oberlippe streicheln. © fotolia/bilderstoeckchen