Dysphagie als Nebenwirkung von Arzneimitteln unterschätzt

Dr. Dorothea Ranft; Foto: fotolia, eldarnucovic

Hinter einem Brennen in der Herzregion oder vermeintlichen Bronchialinfekten kann sich eine Dysphagie verbergen – und die ist nicht selten arzneimittelbedingt. Prüfen Sie bei typischen und atypischen Schluckbeschwerden die Medikation – insbesondere bei Senioren!

Grundsätzlich können fast alle Medikamente Dysphagien auslösen oder verstärken, insbesondere bei Überdosierung (z.B. wegen Nieren- oder Leberinsuffizienz), erklären Dr. Cornelia Schwemmle von der Universitäts-HNO-Klinik Magdeburg und ihre Kollegen in einer Übersichtsarbeit. Gefährdet sind vor allem Senioren mit altersbedingten Schluckstörungen (Presbydysphagie), die unter dem Einfluss der Arzneitherapie dekompensieren.

Typische Schluckstörungen lassen sich mit vier Fragen erfassen:

  1. Bleibt beim Schlucken etwas stecken?
  2. Können Sie bestimmte Speisen bzw. Tabletten nicht schlucken?
  3. Wie lange brauchen Sie für die Nahrungsaufnahme?
  4. Brauchen Sie viel Flüssigkeit zum Schlucken?


Darüber hinaus sollte man Nahrungsgewohnheiten und vorbestehende Probleme im oberen Gastrointestinaltrakt (Mundtrockenheit?) eruieren. Zudem empfehlen die Autoren eine „Medikamenten-Inspektion“ (Wirklich notwendig? Dosisreduktion möglich?).

Neuropharmaka erzeugen Mundtrockenheit

Wie genau es zu medikamentös bedingten Schluckstörungen kommt, unterscheidet sich je nach Substanzklasse. Zentral sedierende Pharmaka schwächen die Steuerung des Schluckreflexes und die muskuläre Koordination. Zu diesen zählen z.B. Benzodiazepine, Antidepressiva, Antikonvulsiva, Neuroleptika, Opioide und Antihistaminika der ersten Generation.

Andere zentral wirksame Medikamente drosseln zusätzlich die Speichelproduktion. Besonders quälend ist der trockene Mund für Patienten mit Vorschäden (Sjögren-Syndrom, Z.n. Bestrahlung). Zu den Auslösern einer Xerostomie zählen trizyklische Antidepressiva sowie zahlreiche andere Wirkstoffe (SSRI, Opioide, Anticholinergika, Diuretika).

Tips zur Prävention einer
Medikamenten-Ösophagitis
  • Vor und nach dem Tablettenschlucken genügend Flüssigkeit (mind. 100 ml) trinken
  • Mindestens 5–10 Minuten nach der Einnahme nicht hinlegen
  • Herstellerempfehlungen zur Applikation genau einhalten
  • Tabletten mit Filmbeschichtung bevorzugen
  • „Einfachste“ Darreichungsform (Tropfen, Hartkapseln etc.) wählen
  • Patienten über die typischen Symptome einer medikamentös bedingten Ösophagitis aufklären


Auch Pharmaka mit neuromuskulärem Wirkansatz bringen den Schluckmechanismus oft durcheinander. Neuroleptika z.B. hemmen die pharyngeale Motilität und können potenziell lebensbedrohliche Aspirationen verursachen. Spätdyskinesien gehen u.U. ebenfalls mit Schluckstörungen einher.

Medikamentös bedingte Myopathien werden am häufigsten durch Glukokortikoide ausgelöst, seltener z.B. durch Statine. Auch für das beim Gichtanfall eingesetzte Colchizin ist diese Nebenwirkung bekannt.

Über 80 Medikamente wirken direkt auf Ösophagus

Zudem kennt man inzwischen 80 Wirkstoffe, die bei oraler Einnahme durch direkten Kontakt mit der Ösophagusmukosa zu Entzündungen und Ulzera führen können (oral medication-induced esophageal injury, kurz OMIEI) – mit dem Leitsymptom Dysphagie. Anfällig für OMIEI sind vor allem ältere Menschen sowie Patienten mit Motilitätsstörungen oder anatomischen Veränderungen im Ösophagus. Auch chronisch kranke Kinder (zum Beispiel mit juveniler idiopathischer Arthritis oder Malignom) können bereits entsprechende Schäden entwickeln, Gedeihstörungen und rezidivierendes Erbrechen sind dann mitunter die einzigen Symptome.

Eine wesentliche Rolle spielt die Art und Größe der Tabletten sowie die Trinkmenge. Grundsätzlich kann bereits eine Einzeldosis eine OMIEI auslösen, aber auch nach jahrelang komplikationslos vertragener Therapie muss man mit entsprechenden Symptomen rechnen. Besteht der Verdacht auf eine OMIEI, raten die HNO-Ärzte zur endoskopischen Abklärung (auch bei Kindern), gegebenfalls ist ein Mukosaschutz mit Protonenpumpenhemmern erforderlich.

Quelle: Cornelia Schwemmle et al., HNO 2015; 63: 504-510; DOI 10.1007/s00106-015-0015-8

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