Von neuen OP-Standards und besseren Wirkstoffen

Dr. Daniela Erhard

Mittlerweile gibt es einige neue Erkenntnisse, wie man das Nierenzellkarzinom besser behandeln kann. Mittlerweile gibt es einige neue Erkenntnisse, wie man das Nierenzellkarzinom besser behandeln kann. © iStock/OGphoto

Weniger aggressive Operationsmethoden, wirksamere Medikamente und Hoffnung für Patienten mit nichtklarzelligem Nierenkarzinom – die Therapie bei Nierenkrebs ist in Bewegung.

Die amerikanische SEER-Studie umfasst knapp 90.000 Patienten mit lokal begrenztem Nierenzellkarzinom (RCC). Die daraus gewonnenen Daten stimmen mit denen des Vereins deutscher Uro-Onkologen überein: Etwa 72 % aller RCC gehören zum Stadium T1 – sind also kleiner als 7 cm im Durchmesser, wie Professor Dr. Christian Doehn vom Urologikum Lübeck erklärte.

Erkenntnisse zum nicht-­klarzelligen RCC generieren

Als Meilenstein erachtet es Prof. Doehn, dass in Zukunft Ergebnisse zu nicht-klarzelligen Nierenzellkarzinomen dazukommen. „Also zu einem Karzinom, bei dem man bisher mangels Daten keine guten Aussagen hat treffen können.“ Pembrolizumab habe beim Nichtklarzeller bereits Effekte generiert. Auch wenn Ansprechraten sowie progressionsfreie und Gesamtüberlebenszeiten geringer ausfallen wie beim Klarzeller – wie ein indirekter Vergleich vermuten lässt. Die Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie lasse nun Nivolumab/Ipilimumab vs. Standard beim nicht-klarzelligem RCC untersuchen. Prof. Doehn glaubt, dass Ergebnisse bereits im nächsten Jahr vorliegen könnten.

Diese Tumoren sollen laut aktualisierter Leitlinie vom August 2021 nierenerhaltend operiert werden. Und selbst bei T2-Tumoren – die auch mal bis zu 10 cm groß werden können – sollte man der Leitlinie entsprechend überprüfen, ob man sie organerhaltend entfernen kann. Das betrifft den oben genannten Studien zufolge etwa 11 % der Karzinome. Anders als bisher ist dafür nun nicht mehr die offene Teilresektion Standard. Vielmehr soll sich der Eingriff an der Erfahrung des Operateurs orientieren. Nur wenn kein Organerhalt infrage kommt, ist operativ die Nephrektomie das Mittel der Wahl – und zwar am ehesten minimalinvasiv. Das tumorspezifische Überleben lag in der SEER-Studie nach fünf Jahren zwischen 98,5 % und 84,5 % in den Stadien T1–T3a. In höheren Stadien nimmt es deutlich ab und erreicht nur noch 68,5–56,4 %. „Vielleicht könnte in diesen Fällen eine adjuvante Therapie helfen,“ vermutete der Referent. Laut Prof. ­Doehn sind hierbei derzeit Checkpoint-Inhibitoren auf dem Vormarsch. „Da gibt es spannende erste Daten“. Er hob hier die Keynote-564-Studie hervor, die „eigentlich die erste positive Studie im adjuvanten Bereich des RCC ist“. In ihr reduzierte die Gabe von Pembrolizumab nach einer Nephrektomie bei Patienten mit Tumorstadium T2G3/4 oder höher das Risiko für Rezidiv oder Tod um 32 % und verbesserte auch das Gesamt­überleben im Vergleich zum Placebo. Nebenwirkungen von Grad 3 und 4 seien unter Pembrolizumab mit 32,4 % seltener als in der S-TRAC-Studie mit Sunitinib (63,4 %). Auch wenn ein direkter Vergleich natürlich nur eingeschränkt Aussagen zulässt. Was beide Studien zudem zeigten: Die Placebogabe führte bei 18–22 % der Teilnehmer zu Nebenwirkungen. „Vielleicht ist es aber auch das Tumorrezidiv, das die Nebenwirkungen verursachte“, mutmaßte Prof. ­Doehn. Wie er berichtete, ist der Zulassungsantrag für den Checkpoint-Inhibitor eingereicht. „Vielleicht können wir im nächsten Frühjahr mit einer Zulassung rechnen.“ Wenn das RCC streut, finde man, so Prof. ­Doehn, nach Auswertung von aktuellen Studiendaten, Metastasen meistens in der Lunge. Bisher habe er die Häufigkeit von Lymphknotenmetastasen auf etwa 20 % geschätzt, diese liege aber doch eher bei 40–48 %, was möglicherweise auch auf die bessere Bildgebung zurückzuführen sein könne. Für das metastasierte RCC sind in den letzten zwei Jahren mehrere Kombinationen mit Checkpoint- und Tyrosinkinase-Inhibitoren zugelassen worden. Für die neueste Kombination aus Pembrolizumab und Lenvatinib stehe die Zulassung in Europa noch aus, sagte der Urologe. Alle Regime hätten einen Vorteil gegenüber Sunitinib, dem weltweit am häufigsten eingesetzten TKI. Zusammenfassend würden sie das mediane PFS verdoppeln mit 12–24 Monaten statt 8–12 Monaten und teilweise auch das Ansprechen (39–71 % vs. 27–39 %). Zudem kommt es darunter zu „einer Komplettremissionsrate, die man bisher noch nie gesehen hat“. Sie erreichte 4–16 % im Vergleich zu 2–5 %. Die Überlebensrate nach zwei Jahren erreichte 66–79 % und damit etwa 10 Prozentpunkte mehr. 

HIF als Therapieansatz

Die Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie habe aktuell acht Studien gestartet, verriet Prof. Doehn. Darunter seien Arbeiten, die auf HIF*-Antagonisten fokussieren. Der HIF spielt eine zentrale Rolle in der Sauerstoffversorgung der Tumorzellen. Herrscht Mangel, akkumuliert HIF in der Zelle und wirft dadurch eine Signalkaskade an, die letztlich an den Blutgefäßen endet und die Angiogenese anregt. Dort setzen auch die TKI an. Dass RCC so empfindlich für diese Medikamente seien, so der Referent, liege mit daran, dass etwa zwei Drittel von ihnen eine Spontanmutation im Von-Hippel-Lindau-Gen aufwiesen. Ist es verändert, wird HIF nämlich nicht mehr abgebaut und akkumuliert dann ebenfalls. Im August 2021 sei mit Belzutifan bereits ein HIF-Antagonist in den USA zugelassen worden, der das Wachstum verschiedener Tumoren bei Patienten mit Morbus Hippel-Lindau stoppe.

* Hypoxia Inducible Factor

Der Leitlinie zufolge gilt die Kombination als Mittel der Wahl. Die bisherigen Standard-Monotherapien rutschen stattdessen in die Position der Option bzw. Alternative. Laut dem aktuellen Algorithmus kommt in der Zweitlinie nach Kombinationstherapie ein TKI zum Tragen, der bislang nicht verwendet wurde. Nach TKI-Monotherapie behandle man entweder mit einem anderen TKI oder Nivolumab. „Das sind Erkenntnisse, die auf Publikationen aus dem Jahr 2016 basieren“, sagte Prof. ­Doehn. Man warte also auf neue Daten.

Quelle: Doehn C. 73. Kongress der DGU; Session C2.3, T04

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