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Von wegen Sommergrippe!

Weltweit betrachtet ist Leptospirose die häufigste Zoonose überhaupt. Zwar treten die meisten Fälle in tropischen und subtropischen Regionen auf. Aber auch in den gemäßigten Breiten und innerhalb Europas kommt die Erkrankung vor, gegenwärtig mit steigender Inzidenz. Für Deutschland werden durchschnittlich 50 Fälle pro Jahr gemeldet, im Jahr 2019 waren es mit 159 deutlich mehr. Aufgrund der häufig unspezifischen Krankheitszeichen dürfte die Dunkelziffer weit höher liegen.
Spiralige Fieslinge
Leptospiren sind gramnegative, aerobe Bakterien aus der Klasse der Spirochäten. Zu ihren natürlichen Wirten zählen Ratten und Mäuse, aber auch eine ganze Reihe weiterer Haus-, Nutz- und Wildtiere. Übertragen werden sie per Schmierinfektion über Blut, Urin oder Kadaver. Infektionen erfolgen aber auch indirekt durch kontaminiertes Wasser.
Zu den besonders gefährdeten Personen gehören Kanal- und Feldarbeiter, Bauern, Fischer oder Tierärzte. Auch bei uns ziehen sich immer mehr Menschen eine Leptospirose zu, schreiben Dr. Mohn und Kollegen, etwa beim Wassersport. Pro Jahr sind es europaweit 24.000 Fälle, jeder zwanzigste davon mit tödlichem Ausgang.
Nach einer Inkubationszeit von 7–14 Tagen präsentiert sich das klinische Bild häufig biphasisch mit initial grippeähnlicher Symptomatik, später mit erneutem Fieberanstieg. Meist ist die Erkrankung mild, sie kann aber einen fulminanten Verlauf bis hin zum Multiorganversagen mit dem Bild einer Sepsis nehmen, beschreibt eine Autorengruppe um Dr. Josephine Mohn von der Kinderklinik am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden.
Oft treten pulmonale Hämorrhagien mit respiratorischer Insuffizienz bis hin zum Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) auf. Eine besondere klinische Ausprägung stellt der Morbus Weil mit der Trias aus Nierenversagen, Ikterus und Splenomegalie dar. Das Herz kann in Form einer Peri- oder Myokarditis beteiligt sein, es kann zu Rhabdomyolyse, Pankreatitis und Cholezystitis kommen. Im Blutbild fallen Thrombozytopenie, Leukozytose und Neutrophilie auf. Unter Umständen manifestiert sich noch Jahre später eine ein- oder beidseitige Uveitis.
Der Erregernachweis erfolgt über die Bakterienanzucht aus Urin, Liquor, Blut oder Gewebe, durch Detektion leptospiraler DNA mittels PCR oder serologisch mit dem Mikroagglutinationstest als Goldstandard. Weitere serologische Verfahren sind ELISA und Immunoblot.
Differenzialdiagnostisch muss man eine virale oder bakterielle Pneumonie in Betracht ziehen, ebenso andere Virusinfektionen wie Influenza, Virushepatitis oder eine HIV-Infektion. Je nach Reiseanamnese kommen zudem Malaria, Typhus, Dengue- oder Gelbfieber infrage, bei zentralnervöser Manifestation FSME oder andere Meningoenzephalitiden.
Zugelassene Impfstoffe nicht verfügbar
In der Regel reicht bei milder Erkrankung die symptomatische Behandlung aus. Leichten Verläufen lässt sich mit Doxycyclin über 7–14 Tage begegnen, bei schwerer Erkrankung ist Penicillin G, Ceftriaxon, Cefotaxim oder Azithromycin angezeigt. Im Fall schwerer pulmonaler Verläufe helfen Steroide.
Zugelassene Impfstoffe stehen nicht zur Verfügung. Besonders gefährdete Personen wie Kanalarbeiter sollten sich mit wasserdichter Schutzkleidung, Handschuhen und Brille schützen.
Dr. Mohn und Kollegen berichten von einem 17-jährigen Patienten ihrer Klinik. Der junge Mann war nach Reinigungsarbeiten, die er im Rahmen eines Freiwilligendienstes in einem französischen Fluss durchführte, offenbar an Leptospirose erkrankt. Aufgrund der unspezifischen Klinik war man auch bei ihm zunächst von einem grippalen Infekt ausgegangen.
Der junge Patient hatte sich unmittelbar im Anschluss an den Aufenthalt in Frankreich mit Fieber bis zu 40 °C über mehrere Tage, trockenem Husten sowie Kopf- und Gliederschmerzen in der Notaufnahme vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt lag eine milde Tachypnoe vor, auskultatorisch stellten die Ärzte eine leichte Abschwächung über dem rechten Mittellappen fest. Das initiale Thorax-Röntgenbild wies eine Pneumonie rechts mit beisdeitiger Hilusreaktion nach. Die Laboruntersuchung ergab Anämie, Thrombozytopenie, erhöhte Entzündungs- und Nierenretentionsparameter, erhöhte Transaminasen- und Bilirubinwerte sowie Hämoglobinurie.
Im Ultraschall fielen eine ausgeprägte beidseitige Nephropathie mit Nierenschwellung und Hyperechogenität sowie eine diskrete Splenomegalie auf. Die echokardiographische Untersuchung lieferte einen unauffälligen Befund, ebenso das Drogenscreening und eine Blutgasanalyse. Abgesehen von einer Hyponatriämie waren die Elektrolyte normwertig. Die Blutkulturen blieben steril, auch die Chlamydien- und Mykoplasmenserologie lieferten ein negatives Resultat. Um eine atypische Pneumonie bei hämorrhagischer Lungenbeteiligung auszuschließen, erfolgte eine serologische Untersuchung auf Antikörper gegen Hantaviren. Allein der Test auf Antikörper gegen Leptospiren zeigte ein grenzwertig positives Ergebnis.
Unter Therapie mit Ampicillin/Sulbactam und Doxycyclin verschlechterte sich der Zustand des Patienten weiter. Mit beginnendem septischen Schock und akutem Nierenversagen infolge Rhabdomyolyse wurde der Jugendliche auf die Intensivstation verlegt. Die Thorax-Röntgenkontrolle zeigte progrediente Infiltrate beidseits sowie einen linksseitigen Pleuraerguss.
Unter nachfolgender Sauerstoffinsufflation, Katecholamintherapie und einer um Ceftriaxon erweiterten antibiotischen Behandlung stabilisierte sich der Allgemeinzustand des Jungen zusehends. Nach sieben Tagen konnte er entlassen werden.
Quelle: Mohn J et al. internistische praxis 2022; 65: 266-274 © Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach
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