Wahn und Halluzinationen in den Griff bekommen

Dr. Angelika Bischoff

Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Verhaltensprobleme sind für Pflegende eine große Belastung und häufig Grund für die Aufnahme ins Pflegeheim. (Agenturfoto) Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Verhaltensprobleme sind für Pflegende eine große Belastung und häufig Grund für die Aufnahme ins Pflegeheim. (Agenturfoto) © iStock/KatarzynaBialasiewicz

Die Behandlung von demenzassoziierten Psychosen mit Standardneuroleptika ist problematisch. Ein Fortschritt deutet sich durch den Serotoninrezeptormodulator Pimavanserin an.

Demenzen gehen häufig mit psychotischen Symptomen einher. Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Verhaltensprobleme sind für Pflegende eine große Belastung und nicht selten der Grund für eine Aufnahme ins Pflegeheim. Zudem können sie den kognitiven Abbau beschleunigen. Um die psychotischen Symptome zu kontrollieren, wurden bereits verschiedene typische und atypische Antipsychotika off-label eingesetzt. Ihre Wirksamkeit war meist bescheiden und hielt nur kurz an. Dagegen fielen Nebenwirkungen meist schwer ins Gewicht, u.a. ungünstige Effekte auf die Kognition, extrapyramidalmotorische Symptome, Sedierung, Stürze und metabolische Störungen. Fachleute plädieren deshalb dafür, Antipsychotika bei Demenzpatienten möglichst zu vermeiden.

Große Unterschiede zu den üblichen Antipsychotika

Eine medikamentöse Alternative, die weniger Probleme bereitet, könnte der Serotoninrezeptormodulator Pimavanserin sein. In vitro greift die Substanz als inverser Agonist und Antagonist selektiv an 5-HT2A-Rezeptoren an, nur gering an 5-HT2C-Rezeptoren und gar nicht an irgendwelchen anderen Rezeptoren. Damit weist die Substanz ein völlig anderes Profil auf als konventionelle Antipsychotika, die an D2-Rezeptoren binden und auch eine unterschiedlich ausgeprägte Aktivität an anderen, insbesondere histaminergen oder muskarinergen Rezeptoren aufweisen.

In ersten Studien an Patienten mit Parkinson- oder Alzheimerdemenz hat Pimavanserin vielversprechende antipsychotische Wirkungen gezeigt.Dies ermutigte Dr. Pierre Tariot vom Banner Alzheimer’s Institute in Phoenix und Kollegen dazu, eine randomisierte Phase-3-Studie aufzulegen, um Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments in der Therapie von Wahnvorstellungen und Halluzinationen bei Patienten mit verschiedenen Demenzformen zu untersuchen.

Gestartet wurde zunächst mit 794 dementen Patienten mit Psychose, die eine nicht-medikamentöse psychosoziale Behandlung erhielten. 392 von ihnen, deren Symptome persistierten, bekamen in einer offenen Studienphase über zwölf Wochen einmal täglich Primavanserin. Wer darunter sowohl nach acht als auch nach zwölf Wochen u.a. eine Abnahme im SAPS-H+D (Scale for the Assessment of Positive Symptoms, Hallucinations and Delusions) um mindestens 30 % erreichte, konnte in die Doppelblindphase eingeschlossen werden. Sie wurde über 26 Wochen durchgeführt.

In der offenen Studienphase nahm der SAPS-Score im Mittel um 75 % ab, was die Wissenschaftler dazu veranlasste, ihre Studie vorzeitig abzubrechen. Letzlich erhielten 217 Patienten randomisiert und doppelblind Pimavanserin (n = 105) oder Placebo (n = 112). Allerdings schlossen nur 44 bzw. 35 Patienten die zweite Studienphase ab. Der primäre Endpunkt, ein Wiederauftreten psychotischer Symptome, wurde von 13 % der Patienten in der Pimavanserin- und von 28 % derjenigen in der Placebogruppe erreicht. Er war u.a. definiert durch einen Anstieg des SAPS-H+D-Scores um ≥ 30 %, Klinikaufnahme aufgrund psychotischer Symptome und Absetzen bzw. Umstellen der Medikation.

Unerwünschte Ereignisse wurden in der Doppelblindphase bei 41 % der Patienten unter Pimavanserin und bei 36,6 % unter Placebo registriert, was keinen signifikanten Unterschied ausmachte. Bei Pimavanserin handelte es sich um Kopfschmerzen, Obstipation, Harnwegsinfektionen und asymptomatische QT-Verlängerung.

Quelle: Tariot PN et al. N Engl J Med 2021; 385: 309-319; DOI: 10.1056/NEJMoa2034634

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