Was die neuen Wirkstoffe gegen Alzheimer leisten können – und was nicht

Dr. Dorothea Ranft / Joachim Retzbach

Die Nebenwirkungen verschiedener Therapieformen gegen Alzheimer sind zum Teil durchaus problematisch. Die Nebenwirkungen verschiedener Therapieformen gegen Alzheimer sind zum Teil durchaus problematisch. © ipopba – stock.adobe.com

In der Pathophysiologie des Morbus Alzheimer spielen β-Amyloid-Plaques wohl eine zentrale Rolle. Zur Therapie in frühen Stadien der Erkrankung wurden mittlerweile mehrere Antikörper entwickelt. Die klinischen Effekte halten sich bislang allerdings in Grenzen. Ein Überblick.

Als 2021 in den USA mit Aducanumab der erste monoklonale Amyloid-β-Antikörper zugelassen wurde, war vielerorts von einem „Durchbruch“ in der Alzheimertherapie die Rede. Aufgrund der divergierenden Studiendaten sei das Arzneimittel aber kaum verschrieben worden, schreiben Prof. Dr. Hans-Christoph Diener und Prof. Dr. Richard Dodel von der Universitätsklinik Essen. Seitdem wurden mehrere weitere monoklonale Antikörper in Phase-3-Studien erprobt, von denen einige die Demenzprogression signifikant verlangsamen konnten. Die Nebenwirkungen sind jedoch zum Teil problematisch.

Die passive Immuntherapie erzeugt relativ konstante Antikörpertiter und verbessert so die Amyloid-β-Clearance. Die Wirkung beruht unter anderem auf einer Opsonisierung des Antigens, es kommt zur Phagozytose durch Makrophagen. Außerdem hemmen die Antikörper die katalysierte Modifikation der Sekundärstruktur der Aβ-Monomere, was die Aggregation zu Oligomeren oder Fibrillen vermindert.

Der erste Therapiekandidat war Adacanumab. Zwei Phase-3-Studien wurden jedoch wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgebrochen. Dennoch erteilte die FDA die Zulassung, begründet mit positiven Ergebnissen für den Surrogatparameter Reduktion der Aβ-Plaques in der PET. Die EMA kam zu einer negativen Einschätzung. Mittlerweile ist das Präparat vom Markt genommen.

Ein weiterer humanisierter, monoklonaler Antikörper ist Lecanemab. Er wurde in einer multizentrischen und doppelblinden Phase-3-Studie an Patientinnen und Patienten mit beginnender Alzheimerkrankheit untersucht (leichte kognitive Beeinträchtigung bzw. leichte Demenz, positiv für Amyloid in der PET oder Biomarker im Liquor). 

Fortschreiten der kognitiven Symptome verlangsamt

Nach 18 Monaten ließ sich im CDR-SB-Score* ein signifikanter Unterschied zugunsten des Verums nachweisen (Reduktion um 1,21 vs. 1,66 Punkte). In einer Unterstudie zeigte sich zudem eine geringere Amyloidbelastung in der PET als unter Placebo. Somit konnte erstmals in einer großen Studie ein Antikörper die Konzentration von Amyloid-β reduzieren und das Fortschreiten der kognitiven Symptome verlangsamen.

Wie bei allen Antikörpern gegen Amyloid-β traten auch unter Lecanemab zentrale Nebenwirkungen wie zerebrale Ödeme und Mikroangiopathien auf. Diese verliefen aber meist asymptomatisch. Dem großflächigen Einsatz der Therapien stehen praktische Probleme gegenüber wie das Fehlen einer ausreichenden Infrastruktur für PET-Scans und Infusionen sowie hohe Behandlungskosten (in den USA > 28.000 US-Dollar pro Jahr). Die wichtigste Einschränkung ist jedoch, dass keine kausale Therapie erfolgt. Viel diskutiert wird zudem, ob der eher geringe Nutzen die unerwünschten Effekte aufwiegt. Die Zulassung für Lecanemab wurde in den USA erteilt, für Europa hingegen abgelehnt.

Ein weiterer Antikörper ist Donanemab. Primärer Endpunkt in einer placebokontrollierten Studie zum frühen M. Alzheimer war die Veränderung in der iADRS-Scale**. In einer Population mit niedriger bis mittlerer Tau-Pathologie zeigte sich nach 76 Wochen ein signifikanter Vorteil zugunsten des Verums. Die unerwünschten Effekte in der MRT waren mit denen anderer Antikörper vergleichbar. Donanemab wurde in den USA zugelassen, in Europa wird der Antrag noch geprüft.

Ein Nachfolgeprodukt von Donanemab ist der monoklonale IgG1-Antikörper Remternetug. Er richtet sich ebenfalls gegen die Pyroglutamat-Modifikation des Aβ-Proteins, die nur in aggregierten Amyloid-Plaques im Gehirn vorkommt. Bisher liegen Zwischenergebnisse einer Phase-1-Studie (n = 41) vor. Im Gegensatz zu Donanemab wurden keine Anti-Drug-Antikörper gegen den Wirkstoff oder systemische Reaktionen nachgewiesen. Für die monoklonalen Antikörper Gantenerumab, Crenezumab und Solanezumab gibt es bisher keinen Wirknachweis.

Verschiedene Antikörper können demnach Amyloidablagerungen verhindern oder auflösen, der klinische Effekt sei aber gering, schreiben die Autoren. Möglicherweise reiche die Reduktion von Plaques nicht aus, um die Neurodegeneration zu stoppen, nachdem bereits ein fortgeschritteneres Stadium erreicht ist. Es gibt Hinweise darauf, dass nach Beginn der Erkrankung v. a. die nicht-fibrillären, oligomeren Formen von Aβ für die Progression verantwortlich sein könnten. Dann könnte die Entfernung oder Sequestrierung von löslichen Aβ-Spezies die Wirksamkeit der Alzheimer-Immuntherapien verbessern. Denkbar sei auch, dass die passive Immunisierung schon viel früher beginnen muss, denn die vermehrte Plaquebildung beginnt ca. 15 – 20 Jahre vor dem klinischen Ausbruch der Demenz.

Das Tau-Protein im Fokus

Statt auf Amyloid-β könnten sich zukünftige Therapieansätze auf das Tau-Protein konzentrieren. Bei M. Alzheimer bildet das hyperphosphorylierte Tau in den Neuronen fibrilläre Ablagerungen, was mit nachlassenden kognitiven Fähigkeiten einhergeht. In einer placebokontrollierten Phase-1b-Studie ist es bereits gelungen, mittels eines Antisense-Oligonukleotids die Expression des MAPT-Gens, das für Tau kodiert, zu hemmen und so die Gesamt-Tau-Konzentration im Liquor um mehr als 50 % zu verringern. Es traten nur leichte bis mittelschwere unerwünschte Ereignisse auf.

*Clinical Dementia Rating Sum of Boxes
**Integrated Alzheimer‘s Disease Rating Scale

Quelle: Diener HC, Dodel R. Psychopharmakotherapie 2024; 31: 128-138

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