Was tun, wenn Diabetes und Angststörung zusammenkommen?

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Psychiater Prof. Dr. Dieter F. Braus erklärt, was zu tun ist, wenn Angstgefühle den Alltag bestimmen. Psychiater Prof. Dr. Dieter F. Braus erklärt, was zu tun ist, wenn Angstgefühle den Alltag bestimmen. © carlacastagno – stock.adobe.com; zVg

Neben Depressionen zählen Angsterkrankungen zu den häufigen psychiatrischen Komorbiditäten bei Diabetes. Der Psychiater Professor Dr. Dieter F. Braus erklärt die Zusammenhänge und berichtet über aktuelle Therapieansätze bei Menschen mit einer Angststörung.

Menschen mit einer Diabetes­erkrankung weisen ein um 50 % erhöhtes Risiko für eine Angsterkrankung auf.¹ Weltweit liegt die Prävalenz einer Angststörung bei ca. 15 %,² dementsprechend sind knapp 25 % der Diabetespatienten betroffen, wobei Frauen ein höheres Risiko tragen. Die chronische Stoffwechselerkrankung selbst stellt bereits einen Stressfaktor dar, der die Entwicklung psychischer Erkrankungen begünstigen kann. In der neueren Literatur finden sich außerdem vermehrt Hinweise da­rauf, dass sich eine komorbide Angststörung ungünstig auf den Metabolismus auswirkt – insbesondere bei Diabetespatienten. Daher sollten behandelnde Ärztinnen und Ärzte auch diese psychiatrische Komorbidität im Blick behalten.

Basismaßnahmen, Psycho- und Pharmakotherapie

Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, sowohl prädisponierende Faktoren, z.B. schwerwiegende Lebensereignisse in der Kindheit, als auch aktuelle chronische soziale Stresserfahrungen der Patienten zu kennen und diese ggf. in das Therapiekonzept zu integrieren.

Angst, Ängstlichkeit, Panik und Furcht

Generell gilt es, die psychopathologischen Begriffe Angst, Ängstlichkeit und Panik von der Realangst abzugrenzen:
  • Angst ist ein Grundgefühl, welches sich als nicht objektbezogene Besorgnis, Vermeidungsverhalten (avoid, escape) und unlustbetonte Erregung (arousal) äußert
  • Ängstlichkeit ist ein Persönlichkeitsmerkmal, wobei häufiger und intensiver als bei anderen Menschen Angst empfunden wird.
  • Panik ist ein Zustand intensiver Angst vor einer tatsächlichen bzw. angenommenen Bedrohung mit erheblichen vegetativen Symptomen.
  • Furcht (Realangst) ist das Gefühl bei konkreter, objektbezogener Bedrohung.

Als Basis der Behandlung von Angsterkrankungen sind zunächst allgemeine Maßnahmen wie Sport, Stressreduktion, Psychoedukation und achtsamkeitsbasierte Interventionen anzusetzen. Hierbei spielen auch positive Sozialkontakte, die Förderung der Resilienz und Ernährung eine wichtige Rolle. Im zweiten Schritt werden dem Patienten sowohl Psychotherapie als auch Pharmakotherapie angeboten.³ Ist eine Therapieform nicht ausreichend wirksam, kann auf die jeweils andere Form bzw. eine Kombination aus beiden zurückgegriffen werden.

Wichtige Resilienzfaktoren

  • Wahrnehmung der Selbstwirksamkeit
  • verbesserte Toleranz von Emotionen
  • aktive Problembewältigung
  • Wahrnehmung sozialer Unterstützung
  • sinnstiftende Aktivitäten außerhalb der Erkrankung

Als psychotherapeutisches Verfahren eignet sich eine kognitive Verhaltenstherapie (KVT) am besten. So ergab eine Metaanalyse von 100 Studien eine Remissionsrate von 51 % direkt nach Therapieende und 55 % beim Follow-up durchschnittlich knapp sieben Monate nach Therapieende.⁴

SSRI, SNRI, Pregabalin und weitere Optionen

Zu den pharmakologischen Behandlungsoptionen gehören Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI; z.B. Escitalopram, Sertralin) sowie Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI; z.B. Duloxetin) und bei einer generalisierten Angststörung der Calciumkanal-Modulator Pregabalin. Dieser kommt auch bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen zum Einsatz. Bei Patienten mit Suchtmittelabusus ist dieser Wirkstoff jedoch vorsichtig einzusetzen. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz des Melatoninagonisten Agomelatin. Wichtig ist dabei eine regelmäßige Kontrolle der Leberwerte. Benzodiazepine sollten hingegen nur im Ausnahmefall und nur kurz angeboten werden. Für alle genannten Medikamente müssen mögliche Interaktionen mit anderen Medikamenten, die der Patient einnimmt, überprüft werden (siehe z.B. drugs.com). Zusätzlich zu den allgemeinen Nebenwirkungen der einzelnen Stoffklassen sollte der Patient darüber aufgeklärt weden, dass die Wirkung von Antidepressiva mit einer Latenz von ca. zwei Wochen einsetzt (Bereich 1–6 Wochen). Als naturheilkundliche Behandlungsoption kommt unter anderem eine aus Lavendelöl gewonnene aktive Substanz (Silexan) in Betracht. Mit einer Tagesdosis von 80 mg ist diese in Deutschland jedoch nur für die Behandlung von subsyndromaler Angst und Spannungszuständen zugelassen. Allerdings zeigen mehrere randomisierte, placebokontrollierte Studien einen sehr guten Effekt dieses Extrakts bei einer generalisierten Angststörung.⁵ Eine zusätzliche Gabe zur Nacht von 80 bis 160  mg der Lavendelöl-Präparation zu SSRI bzw. SNRI sowie Pregabalin ist möglich, ohne Interaktionen befürchten zu müssen.⁶

Einflussmöglichkeiten über die Ernährung

Auch für die Gabe von Omega-3-Fettsäuren gibt es Hinweise, dass sich diese zur Behandlung einer Angststörung eignen könnten.⁷ Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Mangel an Omega-3-Fettsäuren im Gehirn zu angstgesteuerten Verhaltensweisen führen kann. Omega-3-Fettsäuren interagieren mit dem Neurotransmittersystem, sie wirken auf die Neuroplastizität und Neuroinflammation – dies alles sind Mechanismen, die bei Angststörungen und Depressionen relevant sind. Daher sollte den Patienten eine entsprechende Ernährung empfohlen werden. Keine Hinweise auf einen positiven Effekt haben sich hingegen für den Verzehr von Probiotika ergeben.

Quellen:
¹ Smith KJ et al. Diab Med 2018; 35:677-693
² Craske et al. Nat Rev Dis Primers. 2017; 3: 17024
³ Ströhle A et al. Dtsch Ärzteblatt 2018; 155: 611-620
⁴ Springer KS et al. Clin Psychol Rev 2018; 61:1-8
⁵ Malcom BJ et al. Ment Health Clin 2018; 7:147-155
⁶ Kasper S et al. World J Biol Psychiatry 2017; 19:1–9
⁷ Su KP et al. JAMA Netw Open. 2018;1(5):e182327

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