
Was von einem pathologischen Befund in der Hämatoonkologie zu erwarten ist

Den ersten Fall, den Prof. Dr. Christian Reinhardt, Universitätsmedizin Essen, präsentierte, betraf einen 53-jährigen Patienten mit zunächst nodulär sklerosierendem klassischem Hodgkin-Lymphom (Stadium IIB RF, hohe BSG, mittleres Stadium nach GHSG), der drei Jahre nach einer erfolgreich verlaufenden intensiven Behandlung mit 2 x BEACOPPesk und 2 x ABVD plus IF Radiatio ad 30,6 Gy eine akute myeloische Leukämie (AML-pCT) entwickelt hatte. Genetisch handelte es sich um eine AML mit CBFB::MYH11-Fusion vom seltenen Typ I. Der Erkrankte erhielt zwei Zyklen des 7+3-Regimes, gefolgt von drei Zyklen Ara-C zur Konsolidierung – eine Behandlung, die zur molekularen Vollremission führte; die CBFB::MYH11-Fusion vom Typ I war nicht mehr nachweisbar (Sensitivität 0,011 %).
Die Verlaufskontrollen fanden alle drei Monate extern statt, doch wurde fälschlicherweise nach der viel häufigeren CBFB::MYH11-Fusion vom Subtyp A gefahndet, weil im Befund nicht explizit auf den seltenen Subtyp I hingewiesen worden war. Durch diese Fehlinterpretation konnte ein hämatologisches Rezidiv nicht früh genug erkannt werden, das fulminant verlief. Prof. Reinhardt zog aus diesem Fall den Schluss, dass „bei der Arztbriefschreibung bzw. Befundübermittlung an Mitbehandelnde eine präzise Informationsweitergabe essenziell“ sei. Die Befunde sollten so verfasst werden, dass sie auch in der Peripherie gut verstanden würden. „Versetzen Sie sich einfach mal in die Rolle der Empfänger:innen“, so Prof. Reinhardts Rat.
Relevanz von Keimbahn-Mutationen
Das Wissen um Keimbahn-Mutationen bei der AML sei aus zweierlei Gründen wichtig, so Prof. Reinhardt: Zum einen könne der Nachweis dieser Alterationen den Ausschlag für eine frühe allogene Transplantation geben. Zum anderen könnten Familienspender, die Mutationsträger sind, sicher als Spender ausgeschlossen werden. In jedem Fall seien eine genetische Beratung für Angehörige und ein entsprechendes weiteres Monitoring der Anlageträger:innen obligat.
Die zweite Kasuistik handelte von einer 51-jährigen Patientin mit extern diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie mit myelodysplasietypischen Veränderungen (AML-MR) und 40 % Blasten im Knochenmark sowie „leerer Familienanamnese“. Sie erhielt eine komplikationslose allogene Stammzelltransplantation, bei der der Bruder als Spender fungierte.
Ein halbes Jahr später wurde eine AML mit männlichem Karyotyp nachgewiesen; inzwischen war auch ein weiterer Bruder der Frau an einer AML verstorben. Schließlich stellte sich heraus, dass die neue Erkrankung eine Donorleukämie war, verursacht durch die pathogene Keimbahnvariante DDX41. Diese fand sich sowohl bei der Patientin als auch dem Spender aus dem engen familiären Umfeld. Die Frau wurde schließlich nach einer Reinduktion mit dem 7+3-Regime einer zweiten allogenen Transplantation mit einem Fremdspender zugeführt.
Prof. Reinhardt schloss aus dem Fall, dass die Erwägung von Keimbahnvarianten bei hämatologischen Neoplasien – ganz gleich, ob myeloisch oder lymphatisch – von höchster klinischer Relevanz sei und in die Befundung aufgenommen werden sollte. Immerhin werde die AML mit „Germline Predisposition“ in der WHO-Klassifikation von 2022 als eigenständige Entität geführt, von der rund 10 % der Erwachsenen mit AML betroffen seien.
Quelle: Reinhardt C. DKK 2024; Keynote Lecutre „Was erwarte ich von einem pathologischen Befund bei hämatologischen Neoplasien?“
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).