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Mit angepasster Klassifikation zur genaueren Diagnose

Ist der Lungenkrebs invasiv oder nicht? Diese Frage zu beantworten, stellt Patholog:innen offenbar immer wieder vor Probleme: Die Konkordanz in der Diagnosestellung eines invasiven Tumors sei laut Pathologie-Panel der IASLC niedrig. „Die klinische Relevanz ist aber simpel“, lauteten die einleitenden Worte von Dr. Erik Thunnissen, Amsterdam University Medical Center. Patient:innen mit Adenokarzinomen in situ (AIS) werden geheilt, wenn der Tumor reseziert wird – im Gegensatz zu Personen mit invasiver Erkrankung. Die Messung der invasiven Größe sei zudem notwendig für das Staging.
WHO-Klassifikation könnte nachgebessert werden
Ein Team um Dr. Thunnissen startete eine Fall-Kontroll-Studie, um ein modifiziertes Klassifikationssystem mit der WHO-Klassifikation für resezierte pulmonale Adenokarzinome ≤ 3 cm zu vergleichen. Dazu analysierten 42 Patholog:innen 70 digitalisierte Fälle aus zwei retrospektiven Kohorten. Für jeden Fall waren drei Färbungen vorhanden:
- H&E – der Standard
- Elastin
- CK7
In drei Runden erfolgten die Auswertungen der Präparate. Als Erstes wurde das WHO-Klassifikationssystem angewendet. Das Ergebnis: Ein Kappa-Score von 0,27, also nur etwas besser als „der Wurf einer Münze“, wie der Referent schilderte. Der Kappa-Score reicht von 0 bis 1 und spiegelt die Übereinstimmung der einzelnen Auswertungen wider.
Ein Blick in die Gene lohnt sich
Auch die Molekularbiologie spiele eine Rolle bei der Differenzierung von AIS und invasivem Tumor. Sowohl die Proliferationsrate als auch die Tumormutationslast seien in invasiven Tumoren deutlich höher als im AIS. Diese Marker könnten die Klassifikation unterstützen, so Dr. Thunnissen. Zudem hätte sich gezeigt, dass TP53-Mutationen fast ausschließlich im invasiven Zustand auftreten.
In der zweiten Runde nahmen die Patholog:innen an einem einstündigen Tutorial zum angepassten Klassifikationssystem teil, bevor sie die Auswertung der Präparate antraten. Mit diesem Vorwissen betrug der Kappa-Score 0,46. Schließlich erhielten die Expert:innen das Feedback ihrer Kolleg:innen zu den einzelnen Gewebeschnitten, wonach der Kappa-Score auf 0,62 stieg. „Das zeigt das Potenzial der modifizierten Klassifikation“, betonte Dr. Thunnissen.
Wie der Referent erklärte, könne man etwa anhand der Elastin-Färbung vermeiden, ein AIS fälschlicherweise als papilläres Karzinom zu klassifizieren. Erst seit 2022 sei man sich bewusst, dass die Alveoli im pathologischen Präparat zusammenfallen – ein iatrogener Kollaps. Die Lungenbläschen seien dann nicht mehr eindeutig zu erkennen, da zwar die Oberflächengröße bestehen bleibe, die Struktur sich aber verändere.
Die Gewebeanordnung, die dann in einem Schnitt unter dem Mikroskop sichtbar ist, ähnele in der Tat einem papillären Karzinom. Dieses weise aber in keinem Fall eine Elastin-Färbung auf. Ein AIS-Schnitt hingegen weise immer einzelne Elastin-Punkte auf. Dieser Anhaltspunkt sei also wichtig, um die richtige Diagnose zu stellen, fehle aber aktuell in der WHO-Klassifikation, die seit 1999 besteht.
Quelle: Thunnissen E et al. IASLC World Conference on Lung Cancer 2023; Pressekonferenz und Vortrag PL03.07 „Invasion or No Invasion, That‘s the Question. A Large Reproducibility Study in Pulmonary Adenocarcinoma, Supporting a Modified Classification“
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