Radiologischen Befund prüfen

Dr. Dorothea Ranft

Bei ungewöhnlichem Krankheitsverlauf oder Progression müsse stets an die Möglichkeit eines Diagnosefehlers gedacht werden. (Agenturfoto) Bei ungewöhnlichem Krankheitsverlauf oder Progression müsse stets an die Möglichkeit eines Diagnosefehlers gedacht werden. (Agenturfoto) © iStock/sframephoto

Eine Fazialisparese sollte man nicht auf sich beruhen lassen – zumal wenn sie mehrfach wiederkehrt. Interdisziplinäre Zusammenarbeit konnte in diesem Fall den Patienten vor Schlimmerem bewahren.

Viermal Fazialisparese innerhalb eines Jahres? Das kann nicht idiopathisch sein, dachten Schweizer Kollegen und machten sich auf die Suche. Dabei kamen sie einem Diagnosefehler auf die Spur – zum großen Glück des 54-jährigen Patienten.

Dieser hatte wegen anhaltender rechtsseitiger Gesichtslähmung und Schmerzen im rechten Kieferwinkel die Notfallambulanz aufgesucht. In den zurückliegenden zwölf Monaten waren bereits drei derartige Episoden aufgetreten, alle mit regredientem Verlauf innerhalb weniger Stunden. Eine neurologische Untersuchung ein halbes Jahr zuvor hatte nichts Auffälliges ergeben, berichtet eine Autorengruppe um Nejc Kupper vom Stadtspital Zürich.

Nun fiel eine komplette Fazialisparese mit Plegie der Stirn- und der perioralen Muskulatur sowie unvollständigem Lidschluss auf, Geschmacksinn und Gehör waren intakt. Eine Ursache im Bereich des Meatus acusticus konnte ausgeschlossen werden, eine Raumforderung oder Lymphadenopathie war nicht zu tasten, Routinelabor und Liquor waren unauffällig. Für eine Infektion mit Borrelien, Herpes simplex oder Varizellen fand sich kein Anhalt.

Unter Annahme einer rezidivierenden idiopathischen peripheren Fazialisparese erfolgte die siebentägige Gabe von hochdosiertem Prednisolon. Aufgrund der ungewöhnlichen Häufung der Lähmungen holten die Ärzte jedoch eine Zweitmeinung bei den HNO-Kollegen ein, denen eine druckindolente Verhärtung im rechten Kieferwinkel auffiel. Eine kraniale MRT mit Feinnadelbiopsie ergab eine Neoplasie der Glandula parotis, die den N. facialis umschloss.

Der Patient unterzog sich daraufhin einer radikalen Parotidektomie mit rechtsseitiger Neck Dissection und adjuvanter Radiotherapie. Der Gesichtsnerv wurde mit einem Interponat des N. auricularis magnus rekonstruiert. Die Histologie ergab ein Speicheldrüsengangskarzinom mit multiplen Lymphknotenmetastasen. Im Verlauf traten keine Komplikationen auf, allerdings persistierte die Parese auch ein halbes Jahr postoperativ. Rückblickend war das ursächliche, aggressiv wachsende Karzinom schon im ein Jahr zuvor angefertigten MRT erkennbar, wurde damals aber falsch interpretiert.

Die Fehlerrate radiologischer Befunde beträgt laut Literatur 3–4 %, schreiben die Autoren abschließend. Bei ungewöhnlichem Krankheitsverlauf oder Progression müsse daher stets an die Möglichkeit eines Diagnosefehlers gedacht und eine Zweitmeinung eingeholt werden.

Quelle: Kupper N et al. Swiss Medical Forum 2022; DOI: 10.4414/SMF.2021.10031

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Bei ungewöhnlichem Krankheitsverlauf oder Progression müsse stets an die Möglichkeit eines Diagnosefehlers gedacht werden. (Agenturfoto) Bei ungewöhnlichem Krankheitsverlauf oder Progression müsse stets an die Möglichkeit eines Diagnosefehlers gedacht werden. (Agenturfoto) © iStock/sframephoto