Gesichtslähmung nach Coronaimpfung: Kausaler Zusammenhang unwahrscheinlich

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Fazialisparesen treten wohl eher nicht aufgrund einer Coronaimpfung auf. (Agenturfoto) Fazialisparesen treten wohl eher nicht aufgrund einer Coronaimpfung auf. (Agenturfoto) © iStock/Doucefleur

Kommt es kurz nach der SARS-CoV-2-Impfung zu unerwünschten Ereignissen, schauen alle ganz genau hin. Das gilt auch für die bisher gemeldeten Fälle von Gesichtslähmungen. Doch ein kausaler Zusammenhang mit der Vakzinierung scheint eher unwahrscheinlich.

Schon in der Wirksamkeitsstudie für die BioNTech/Pfizer-Vakzine war es in der Impfgruppe bei vier Patienten zu einer Fazialisparese gekommen – versus null in der Kontrollgruppe. Seitdem haben Ärzte mehrfach solche Fälle vorgestellt, was auch von den Medien nicht unbeachtet blieb. Um die Evidenzlage zur möglichen Assoziation zwischen Impfstoff und dem Auftreten von Fazialisparesen zu verbessern, haben Dr. Asaf­ Shemer­ vom Shamar Medical Center im israelischen Be’er Yakov und seine Kollegen eine Fall-Kontroll-Studie durchgeführt. Israel bietet insofern einzigartige Untersuchungsbedingungen, als dort bis März 2021 fast alle Erwachsenen ab 50 Jahre geimpft waren (92 % einmalig, 85 % vollständig) – und zwar mit ausschließlich dieser Vakzine.

Häufigkeit wie in den Jahren vor Einführung der Impfung­

Zwischen Januar und Februar 2021 wurden in einer Notfallambulanz insgesamt 37 Patienten mit neu aufgetretener Fazialisparese behandelt (21 geimpfte, 16 ungeimpfte). Die Wissenschaftler stellten nun jedem Betroffenen zwei zufällig ausgewählte Personen ohne die Parese gegenüber, die ihm in Alter, Geschlecht und Aufnahmedatum glichen. Dabei fanden sie in der Paresegruppe eine Impfrate (mindes­tens eine Dosis) von 56,8 %. In der Kontrollgruppe lag sie bei 59,5 %.

Nachdem die Forscher frühere Krankheiten berücksichtigt hatten, die ihrerseits Fazialislähmungen verursachen können, wie Diabetes, immunologische oder inflammatorische Erkrankungen, errechnete sich bei den Erkrankten keine erhöhte Impfhäufigkeit. In einem weiteren Schritt stellten die Mediziner außerdem fest, dass Fazialisparesen in den Jahren vor Einführung der Impfung ähnlich häufig aufgetreten waren.

Risiko bei COVID siebenmal höher als nach Impfung

Dr. ­David Chang­ von der University of Missouri in Columbia bestätigt diese Beobachtungen. Er verweist auf die Daten des Vaccine Safety Datalink der Centers for Disease Control and Prevention, laut denen bei fast 630.000 Geimpften bis Februar dieses Jahres 21 Fälle einer Fazialis­parese gefunden wurden. Das spricht nicht für ein erhöhtes Risiko durch die Impfung, schreibt Dr. Chang.

In einer anderen Studie ver­glichen Dr. Akina­ Tamaki­ von den University Hospitals des Cleveland Medical Center und Kollegen die Häufigkeit von Fazialisparesen nach COVID-19 und nach der SARS-CoV-2-Impfung. Dafür werteten sie die Daten von fast 350.000 Patienten mit COVID-19 aus und fanden bei 284 (0,08 %) eine Fazialisparese, die innerhalb von acht Wochen nach der COVID-Diagnose aufgetreten war. Bei knapp der Hälfte von ihnen handelte es sich um ein Rezidiv. Dann stellten die Forscher COVID-Patienten gematchten Geimpften gegenüber und fanden bei den Kranken ein fast siebenmal höheres Risiko für die Parese als bei den Impflingen.

Natürlich braucht es Langzeitstudien und mehr Daten, um definitive Aussagen zu einem möglichen Zusammenhang zwischen der Impfstoffgabe und dem Auftreten von Gesichtslähmungen zu treffen. Darin sind sich alle drei Gruppen einig. Bislang gibt es aber keine seriösen Belege, dass der BioNTech/Pfizer-Impfstoff (oder ein anderes COVID-Vakzin) irgendetwas mit den Paresen zu tun hat – eher im Gegenteil.

Quellen:
1. Shemer A et al. JAMA Otolaryngol-Head Neck Surg 2021; DOI: 10.1001/jamaoto.2021.1259
2. Chan D. A.a.O.; DOI: 10.1001/jamaoto.2021.1261
3. Tamaki A et al. A.a.O.; DOI: 10.1001/jamaoto.2021.1266