Wechselwirkungen: Vielzahl der Medikamenteninteraktionen nahezu unüberschaubar

Dr. Elke Ruchalla

Medikamente, die die QT-Zeit im EKG verlängern, können zu ventrikulären Rhythmusstörungen wie Torsades de Pointes führen. Medikamente, die die QT-Zeit im EKG verlängern, können zu ventrikulären Rhythmusstörungen wie Torsades de Pointes führen. © wikimedia/CardioNetworks (CC BY-SA 3.0)

Bis zu 5 % aller Krankenhauseinweisungen sind zumindest teilweise auf Wechselwirkungen zurückzuführen. Bundesweit wären das bis zu 1 Million Betroffene pro Jahr. Eine besonders gefürchtete Folge von Arzneimittelinteraktionen sind ventrikuläre Rhythmusstörungen.

Immer mehr Arzneimittel kommen auf den Markt und sie sollen immer mehr Leben retten, vereinfachen oder verbessern. Damit steigt aber die Zahl der möglichen Arzneimittelinteraktionen, die eher weniger zur Lebensqualität beitragen, nahezu ins Unermessliche. Alle potenziellen Interaktionen lassen sich sicher nicht merken. Dennoch sollten Sie zumindest einige im Hinterkopf haben, betonen Professor Dr. Niels Voigt vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universitätsmedizin Göttingen und seine Kollegen.

Eine wichtige Gruppe von Interaktionen sind pharmakodynamischer Art. Sie beruhen also auf der Wirkungsweise der Medikamente und erklären sich von daher oft relativ einfach:

  • Entweder verstärken sie sich in ihrer Wirkung (synergistisch) oder
  • sie heben sich in ihrer Wirkung gegenseitig auf (antagonistisch).

So werden zwei Medikamente, die beide den Blutdruck senken, das kombiniert noch stärker tun. Also Vorsicht: Wenn Sie zwei verschiedene Antihypertensiva zusammen verschreiben, denken Sie an diese additive Wirkung!

Komplizierter wird es, wenn etwa ein Patient Nitroglycerin zur Kupierung von Angina-pectoris-Attacken als Bedarfsmedikation einnimmt und ausnahmsweise relativ gleichzeitig einen Phosphodiesterase-5-Hemmer (z.B. Sildenafil) wegen einer erektilen Dysfunktion. Dann kann das zu lebensbedrohlichen Hypotonien führen. Ähnliches gilt für Molsidomin, das der Angina-pectoris-Prophylaxe dient.

Erhöhte Blutungsgefahr unter Antidepressiva

Weniger bekannt ist die erhöhte Blutungsneigung unter den Sero­tonin-Wiederaufnahme-Hemmern. Freies Serotonin, das die depressive Symptomatik positiv beeinflusst, hemmt die Zusammenlagerung der Thrombozyten. Bekommt ein depressiver Patient also zusätzlich Antikoagulanzien, steigt die Gefahr beispielsweise von Hämorrhagien. Ebenso erhöht sich das Risiko für gastrointestinale Blutungen, wenn die Antidepressiva zusammen mit nicht-steroidalen Antiphlogistika/Antirheumatika (NSAR) verordnet werden. Grundsätzlich raten die Experten: Bei Blutungen in der Anamnese ist den Kranken besser gedient, wenn sie ein Antidepressivum erhalten, das in geringerem Maß in den Serotoninstoffwechsel eingreift.

Fast schon berüchtigt sind Medikamente, die die QT-Zeit im EKG verlängern. Klinisch ist das relevant, weil unter ihnen die Gefahr von ventrikulären Rhythmusstörungen (Torsades de Pointes, siehe Abbildung rechts) steigen kann. Leider gibt es eine ganze Reihe solcher Substanzen und kaum Alternativen.

Man kann die gemeinsame Gabe also nicht immer vermeiden, räumen die Fachleute ein. Mithilfe der 5-A-Regel (siehe Kasten) lässt sich das Risiko einzelner Medikamente aber besser einschätzen. Ebenso sollte nicht vergessen werden, dass auch andere Arzneimittel zu Arrhythmien prädisponieren. Diuretika etwa können zur Hypokali­ämie führen, die den Herzrhythmus schon mal erheblich durcheinander bringt.

Wer QT sagt, muss auch A sagen

Fünf Gruppen von Medikamenten weisen ein bekanntes Risiko für eine Torsade-de-Pointes-Arrhythmie (s. Abb. rechts) auf:
  • Antiarrhythmika (z.B. Amiodaron, Chinidin, Flecainid, Sotalol)
  • Antidepressiva (z.B. Citalopram)
  • Antipsychotika (z.B. Chlorpromazin, Haloperidol)
  • Antibiotika (z.B. Fluorchinolone, Makrolide)
  • andere (z.B. Chloroquin, Donepezil, Fluconazol, Methadon)

Einige NSAR schwächen die Wirkung von ASS

Antagonistische Wechselwirkungen können ebenfalls unter der simultanen Gabe von ASS und NSAR wie Ibuprofen entstehen. Die hemmen doch beide die Blutgerinnung, wieso also antagonistisch? Stimmt. Allerdings zerstört ASS ein Enzym (Cyclooxygenase 1) der Thrombozyten irreversibel. Die ASS-Wirkung lässt trotz kurzer Halbwertszeit erst nach, wenn neue Blutplättchen gebildet werden (nach rund fünf Tagen). Erhält der Kranke gleichzeitig ein NSAR, so wird ASS teilweise von dem Enzym verdrängt.

Besser mit Diclofenac oder Paracetamol kombinieren

Allerdings stören die nicht-steroidalen Antirheumatika die Plättchenfunktion nur vorübergehend. Die Hemmung der Thrombozytenaggregation durch ASS fällt geringer aus als erwartet und die Gefahr für beispielsweise einen Myokard­infarkt steigt. Diclofenac und Paracetamol sollen die Wirkung von ASS weniger stark beeinträchtigen.

Quelle: Voigt N et al. Akt Dermatol 2019; 45: 179-191

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Medikamente, die die QT-Zeit im EKG verlängern, können zu ventrikulären Rhythmusstörungen wie Torsades de Pointes führen. Medikamente, die die QT-Zeit im EKG verlängern, können zu ventrikulären Rhythmusstörungen wie Torsades de Pointes führen. © wikimedia/CardioNetworks (CC BY-SA 3.0)
Torsade-de-Pointes-Arrhythmie Torsade-de-Pointes-Arrhythmie © wikimedia/CardioNetworks (CC BY-SA 3.0)