Welche Maßnahmen die degenerative und prolapsbedingte zervikale Radikulopathie lindern

Ursula Oechsner

Bei Älteren ist die Radikulopathie meist degenerativ bedingt. Eine Steilstellung der HWS ist typisch.	Bei Älteren ist die Radikulopathie meist degenerativ bedingt. Eine Steilstellung der HWS ist typisch. © fotolia/underdogstudios

Wenn die Halswirbelsäule verschleißt, werden häufig die Nervenwurzeln in Mitleidenschaft gezogen. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie widmet nun dieser zervikalen Radikulopathie eine eigene Leitlinie.

Die zervikale Radikulopathie trifft vor allem Menschen in der 5. und 6. Lebensdekade, das Leitsymptom sind Schmerzen der HWS mit Ausstrahlung in den Arm. Sie können akut oder sub­akut einschießen und auch chronifizieren. Ergänzend oder alternativ klagen Betroffene über Parästhesien im Dermatom einer, selten mehrerer Nervenwurzeln, vorwiegend C6 oder C7. In vielen Fällen ist in diesem Bereich auch das Schwitzen gestört. Ebenfalls häufig findet sich ein lokaler Klopfschmerz über der HWS. Manche Extrembewegungen oder Husten/Niesen verstärken den Schmerz.

Begleitende Paresen sind in der Regel inkomplett

Unter den Ursachen dieser Radikulopathie dominiert bei Jüngeren der Bandscheibenprolaps in den Wirbelkanal und eine dadurch verur­sachte Nervenwurzelirritation oder -kompression. Bei der typischen älteren Patientengruppe beruht die Symptomatik vornehmlich auf degenerativ-knöchernen Veränderungen wie Osteochondrose oder Spondylo­arthrose mit Einengung der Foramina intervertebralia.

Durch den Angriff auf die Nerven kann es auch zu motorischen Ausfällen mit konsekutiven Atrophien in den Kennmuskeln kommen. Paresen sind aber in der Regel inkomplett, da die Muskeln über mehrere Wurzeln innerviert werden. Die meisten Radikulopathien führen zu Veränderungen der HWS mit einer Steilstellung und paravertebralem muskulärem Hartspann. Die Beschwerden nehmen dann bei Drehung/Neigung des Kopfes zur betroffenen Seite oder nach hinten zu (Okklusionsschmerz).

Klinische Diagnose mittels Bildgebung bestätigen

Die aufgrund von Anamnese und neurologischer Untersuchung gestellte Verdachtsdiagnose soll durch eine bildgebende Methode bestätigt werden. Eine MRT der HWS empfiehlt sich, wenn sich daraus therapeutische Konsequenzen ergeben.

Bestehen Kontraindikationen für eine MRT oder liegen überwiegend knöcherne Veränderungen vor, rät die Leitlinie zur Dünnschicht-CT der HWS mit Knochenfenster. Damit lassen sich die häufigsten Pathologien sicher erfassen.

Der Verlauf ist individuell verschieden, doch bei einem Großteil der Patienten mit Bandscheibenprotrusion oder prolapsbedingter zervikaler Radikulopathie bessert sich die Symptomatik innerhalb der ersten vier bis sechs Monate. Innerhalb von 24 bis 36 Monaten erholen sich 83 % vollständig.

Fehlt eine funktionelle Beeinträchtigung, empfehlen die Autoren, zunächst konservativ vorzugehen. Das Tragen einer Halskrause über maximal 21 Tage in der Frühphase der Erkrankung lindert bei einigen Patienten die Schmerzen. Steckt hinter den Beschwerden ein Bandscheibenprolaps, soll frühzeitig Physiotherapie in Kombination mit manueller Therapie Anwendung finden. Die frühe zervikale Mobilisation als Einzelintervention reduziert Schmerzen sofort, aber eher kurzzeitig. Auch Bewegungstherapie in Form von Krafttraining und Stretching der Nackenmuskulatur dämpft die Beschwerden und bessert außerdem die Funktion.

Hineinstechen oder nicht?

Versagen die nicht-invasiven Therapieverfahren, kann man eine periradikuläre Infiltrationstherapie zur Schmerzreduktion erwägen. Dabei wird unter Bildwandler- oder CT-Kontrolle lokal ein Steroid und/oder Lokalanästhetikum in den Epiduralraum bzw. in die jeweilige Nervenwurzel injiziert. Mehrere nicht randomisierte Studien ermittelten eine Schmerzlinderung um 30–70 % durch die Infiltration, insgesamt gibt es aber nur wenig Evidenz für den Erfolg dieser Maßnahme. Und einige Daten weisen darauf hin, dass die Beigabe von Kortison nicht besser wirkt als Lokalanästhetika alleine. Grundsätzlich wichtig: Keine partikelhaltigen Steroide verwenden, denn damit gab es schon mehrfach schwere Komplikationen wie spinale Ischämien oder Verletzungen des Myelons. Generell besitzen Glukokortikoide für diese Anwendung keine Zulassung und man muss die Patienten über den Off-Label-Gebrauch aufklären.

Für die medikamentöse Schmerztherapie gilt: Nicht nur klassische Analgetika einsetzen, sondern auch Substanzen mit Wirkung gegen neuropathische Schmerzen. Darüber hinaus hilft eine Ergotherapie mit Fokus auf der Alltagskompetenz der Patienten. Liegen dagegen funktionell beeinträchtigende oder rasch progrediente Paresen vor, soll das primäre Vorgehen operativ sein. Zur OP rät die Leitlinie auch spätestens nach sechs Monaten, wenn die konservativen Maßnahmen ausgeschöpft sind und ein relevantes, zur Radikulopathie anatomisch passendes Schmerzsyndrom vorliegt. Kommt eine Operation nicht infrage, empfiehlt sich ein multimodalen Behandlungskonzept, das Physio- und analgetische Therapie sowie Programme zur Schmerzbewältigung enthält.

Quelle: S2k-Leitlinie Zervikale Radikulopathie, AWMF-Registernummer: 030/082, www.awmf.org

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Bei Älteren ist die Radikulopathie meist degenerativ bedingt. Eine Steilstellung der HWS ist typisch.	Bei Älteren ist die Radikulopathie meist degenerativ bedingt. Eine Steilstellung der HWS ist typisch. © fotolia/underdogstudios