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Wenns schmerzt und kribbelt

Ein Drittel der Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) leidet unter einer peripheren Neuropathie, berichtete PD Dr. Jan Leipe vom Universitätsklinikum Mannheim. Mononeuropathien treten akut bis subakut auf, können äußerst schmerzhaft sein und führen zu sensiblen und motorischen Ausfällen, die sich z.B. durch Taubheitsgefühl und Lähmung bemerkbar machen. Sie betreffen nur einen Nerv oder, bei der Mononeuritis multiplex, mehrere Nerven asymmetrisch. Die typische Polyneuropathie äußert sich dagegen mit symmetrischen, distalen (strumpf- bzw. handschuhförmigen) sensiblen Ausfällen, begleitet von einem verringerten Schmerzempfinden und Reizsymptomen wie Kribbeln oder Brennen.
Karpaltunnelsyndrom bei bis zu 23 % der RA-Patienten
Häufige Ursache der Neuropathien sind Kompressionen, z.B. durch Gelenkerguss, Synovialitis, Tenosynovitis oder Gelenkdeformitäten. Ein klassisches Beispiel ist das Karpaltunnelsyndrom, das bei bis zu 23 % der RA-Patienten vorkommt – v.a. bei Älteren und Menschen mit hoher Krankheitsaktivität. Es äußert sich durch Schmerzen bei Handgelenksflexion, nächtliche Parästhesien und Kraftminderung im Daumen.
Das Pendant des Karpaltunnelsyndroms am Fuß ist das Tarsaltunnelsyndrom. Es betrifft 5–25 % der Patienten und führt zu Parästhesien und Schmerzen plantar und an der 1.–3. Zehe. Oft klagen die Patienten zudem über eine geschwächte Fußmuskulatur. Zu den weiteren druckbedingten Neuropathien gehören Kiloh-Nevin-Syndrom mit Läsion des N. interosseus anterior, Sulcus-Ulnaris-Syndrom und Morton-Neuralgie mit einer Kompression von Interdigitalnerven.
Seltener sind Arthritiden mit nicht-kompressionsbedingten Varianten der Neuropathie assoziiert:
- distal-sensorisch: Diese Form entsteht oft aufgrund von segmentaler Demyelinisierung, z.B. des N. suralis. Bemerkbar macht sie sich durch symmetrische Parästhesien, wobei Füße häufiger betroffen sind als Hände.
- kombiniert sensomotorisch: Diese Variante äußert sich meist als akute Mononeuritis multiplex mit ausgeprägten Schmerzen und Parästhesien, gefolgt von Muskelschwäche. Assoziiert ist sie unter anderem mit einer längeren Dauer der RA, männlichem Geschlecht, Raynaud-Phänomen und hohem Rheumafaktor. Die Elektrophysiologie deutet auf eine axonale Degeneration oder schwere Demyelinisierung aufgrund vaskulitischer Nervenschädigung hin.
- autonom: Abnorme kardiovaskuläre Reflexe zeichen diese Form u.a. aus. Sie kommt vermehrt bei RA-Patienten vor.
Spezielle Subgruppe beim Sjögren?
Prof. Witte machte auf eine interessante Subgruppe von Sjögrenpatienten mit Neuropathie aufmerksam. In einer Studie der Medizinischen Hochschule Hannover hatte man alle Patienten mit schwerer progredienter Polyneuropathie auf einen Morbus Sjögren hin untersucht. 22 % der Getesteten zeigten einen positiven Befund mit Sicca-Symptomatik. Diese Gruppe zeichnete allerdings aus, dass nur die Hälfte der Patienten weiblich und nur die Hälfte SSR-positiv war. Auch Kryoglobuline oder Komplementverbrauch fanden sich unter diesen speziellen Patienten kaum, betonte Prof. Witte. Alle berichteten jedoch von einer Muskelschwäche, die insbesondere Probleme beim Gehen bereitete. Diesen schwerst betroffenen Patienten kann man gut helfen, so der Experte: Fast jeder Fall erreichte mit Hochdosis-Glukokortikoiden, Immunglobulinen oder Rituximab eine klinische Besserung oder zumindest eine Stabilisierung.
Noch häufiger als bei den Arthritiden findet man periphere Neuropathien bei den Kollagenosen. Spitzenreiter ist das Sjögren-Syndrom, bei dem sich jeder sechste Betroffene mit einer Neuropathie plagt. (Zum Vergleich: in der Bevölkerung beträgt die Prävalenz der Neuropathie 2,4 %). Würde man aber bei allen Sjögrenpatienten die Nervenleitgeschwindigkeit prüfen, fände man bei jedem Dritten pathologische Veränderungen, berichtete Prof. Dr. Torsten Witte von der Medizinischen Hochschule Hannover. In den meisten Fällen handelt es sich um rein sensorische Formen, am zweithäufigsten kommen sensomotorische Formen vor. Assoziiert ist die sensomotorische Polyneuropathie beim Sjögren-Syndrom mit einer Hyperkryoglobulinämie oder monoklonalen Gammopathien.
Pathophysiologisch scheinen Kleingefäßvaskulitiden, T-Zell-Infiltrate und Autoantikörper gegen Muskarin- oder Acetylcholinrezeptoren beteiligt zu sein.
Von den Patienten mit systemischem Lupus erythematodes (SLE) entwickelt etwa jeder Zehnte eine Neuropathie. Vorherrschend sind beim Lupus die sensomotorische Form und die Mononeuritis multiplex. Letztere ist meist, Erstere häufig vaskulitisch bedingt. In seltenen Fällen leiden Lupuspatienten auch unter einer Small-Fiber-Neuropathie, einem Guillain-Barré-Syndrom oder einer autonomen Neuropathie. Für Prof. Witte gibt es zwei pathogenetische Ansätze: Vaskulitis und thrombotische Mikroangiopathie. Mit Antiphospholipidantikörpern assoziiert ist die Entwicklung der peripheren Neuropathien beim Lupus nicht.
Lupusbedingte Neuropathien haben eine gute Prognose
Prinzipiell ist die Prognose bei lupusbedingter Neuropathie gut. Bei zwei Drittel der Patienten gehen die neuropathischen Beschwerden unter der Standardtherapie zurück. Allerdings braucht es dafür Geduld, denn es kann Jahre bis Jahrzehnte dauern.
Auch bei den anderen Kollagenosen treten Neuropathien auf. So leiden z.B. bis zu 14,5 % der Patienten mit systemischer Sklerose daran. Am seltensten, aber dafür mit Malignomen assoziiert, kommen Neuropathien bei Myositiden vor.
Quelle: Kongressbericht Deutscher Rheumatologiekongress 2023
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