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WHO empfiehlt neue Regime bei resistenter Tuberkulose

Die derzeit offiziell propagierte Therapie der medikamentenresistenten Tuberkulose ist langwierig und zu selten von Erfolg gekrönt. Die WHO hat deshalb im Rahmen einer „Rapid Communication“ auf Basis neuerer Studiendaten Empfehlungen formuliert. Darunter sind sechs- und neunmonatige Therapieregime.
Eine Aktualisierung der aus dem Jahr 2019 stammenden gemeinsamen Leitlinie verschiedener US-amerikanischer und europäischer Fachgesellschaften zur Behandlung der medikamentenresistenten Tuberkulose (DR-TB) ist überfällig, sagte Prof. Dr. Jussi Saukkonen von der pneumologischen Universitätsklinik in Boston. Sie empfiehlt ein Kombinationsregime über 15 und mehr Monate nach Konversion in der Kultur. Begonnen wird mit einer intensiven Therapie mit mindestens fünf Medikamenten über fünf bis sieben Monate gefolgt von einer Erhaltungsphase mit einer Kombination aus vier Medikamenten. Unter diesem langen Regime entwickeln 45 % der Patientinnen und Patienten in der klinischen Routine moderate bis schwere unerwünschte Ereignisse. Die Erfolgsrate beträgt weltweit etwa 63 %, 2019–2020 lag sie mit neueren Regimen bei bis bis zu 87 %, sagte Prof. Saukkonen und konstatierte: „Es besteht klar ein klinischer Bedarf an effektiveren und kürzeren Regimen.“
Als Schlüsselstudie bezeichnete er die NiX-TB-Studie von 2020. In der offenen einarmigen Studie führte die Therapie mit Bedaquilin, Pretomanid und Linezolid (BPaL) über 26 Wochen bei multipler medikamentenresistenter Tuberkulose (MDR-TB) sechs Monate nach Therapieende zu einem 90%igen Erfolg. Allerdings kam es insbesondere unter Linezolid in der Dosis 1.200 mg/d häufig zu unerwünschten Ereignissen.
Für die Aktualisierung der Leitlinie wurde die Therapie mit BPaL und BPaLM (zusätzlich Moxifloxacin) bei MDR-TB im Vergleich zu längeren Standardtherapien evaluiert. Basis war einerseits die ZeNIX-Studie. Sie hatte das 26-wöchige BPaL-Regime mit einer Linezoliddosis von 600 oder 1.200 mg/d für 9 oder 26 Wochen bei Patientinnen und Patienten mit extensiver DR-TB (XDR-TB) in Südafrika, Georgien, Moldau und Russland untersucht. Verglichen wurden die Ergebnisse mit individuellen Patientendaten aus dem WHO-Register. Diese stammten aus Ländern mit hoher TB-Last (z. B. Belarus, Somalia, Armenien) und 18- bis 24-monatigen Regimen mit mindestens vier Medikamenten. Die Erfolgsrate lag mit BPaL bei 97,7 %, mit längeren Regimen nach WHO-Register bei 73,9 %. Die Nebenwirkungsrate war mit BPaL höher als in den WHO-Registerdaten (14,0 % vs. 4,7 %).
Der Vergleich von Ergebnissen klinischer Studien mit Registerdaten ist allerdings mit einem hohen Risiko für Fehler assoziiert, räumte Prof. Saukkonen ein. Die Phase-2/3-Studie TB PRACTECAL verglich in zwei Phasen randomisiert die Therapie von Patientinnen und Patienten mit MDR-TB mit BPaL bzw. BPaLM mit einem längeren Standardregime nach WHO. Die Studie wurde in Belarus, Südafrika und Usbekistan durchgeführt. Mit BPaL wurde eine Erfolgsrate von 76,7 % erreicht, mit den 9- bis 20-monatigen Regimen von 51,5 %. Unerwünschte Wirkungen waren mit dem sechsmonatigen BPaL-Regime seltener als mit längeren Therapien (19,6 % vs. 50,9 %). Mit BPaLM lag die Erfolgsrate mit 88,7 % noch höher, die Nebenwirkungsrate betrug 21,0 %. Unklar ist, ob BPaL oder BPaLM in den USA und Westeuropa ähnlich effektiv ist wie in Hochinzidenzländern.
Die WHO empfiehlt BPaLM bei fluorochinolonsensitiver rifampicin-resistenter TB (RR-TB). Für Kinder unter 14 Jahren, Schwangere und Menschen, die mit HIV leben und niedrige CD4-Zellzahlen haben, ist die Eignung unklar – sie waren von den Studien ausgeschlossen worden. Betroffene sollten vor der Therapie eine CD4-Zellzahl > 50/µl aufweisen und wegen Interaktionen mit Bedaquilin möglichst eine antiretrovirale Therapie ohne Efavirenz und Cobicistat erhalten, erklärte Prof. Saukkonen.
Die BEAT-TB-Studie aus Südafrika führte zu einer weiteren neuen Empfehlung der WHO. Sie verglich ein sechsmonatiges Regime mit Bedaquilin, Delamanid und Linezolid (600 mg) und entweder Levofloxacin oder Clofazimin oder beidem (BDLLfxC) mit WHO-Regimen (häufig neunmonatige Therapien). Eingeschlossen waren auch Menschen mit schwerer TB, HIV, Kinder bzw. Jugendliche und ein paar wenige Schwangere. Bislang noch nicht publizierten Daten zufolge war BDLLfxC wirksamer und sicherer und kann laut WHO bei MDR-TB oder RR-TB statt der neunmonatigen und noch längeren Regime eingesetzt werden.
Der Vergleich verschiedener rein oraler Regime mit Bedaquilin, Levofloxacin oder Moxifloxacin und Linezolid in Kombination mit Clofazimin, Delamanid und Pyrazinamid über neun Monate (endTB-Studie) ergab eine Reihenfolge, in der diese Regime empfohlen werden können: BLMZ, BLLfxCZ, BDLLfxZ.
Quelle:
ERS Congress 2024
1. WHO 2024 Rapid communication: Key updates to the treatment of drug-resistant tuberculosis. iris.who.int/bitstream/handle/10665/378472/B09123-eng.pdf
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