Tbc kuriert, Leber kaputt

Dr. Anna Millenaar

Gewusst wie, lässt sich die medikamentöse Therapie der Tuberkulose trotz Hepatotoxizität sicher durchführen. Gewusst wie, lässt sich die medikamentöse Therapie der Tuberkulose trotz Hepatotoxizität sicher durchführen. © Science Photo Library/Kon, Kateryna

Frühe Zeichen einer Leberschädigung durch Tuberkulosemedikamente werden oftmals übersehen. Doch ist ein rechtzeitiger Stopp der Therapie essenziell, um Schlimmeres zu verhindern. Nach einer kurzen Pause kann die Behandlung der Lungen­erkrankung meist wieder aufgenommen werden.

Die gängige Tuberkulosetherapie ist die häufigste Ursache für ein medikamenteninduziertes akutes Leberversagen. Dieses bringt eine Transplantationsrate von 40 % und eine Mortalität von 32 % mit sich. Auch wenn es meist nicht so weit kommt, sollte man die Symptome einer medikamentös bedingten Leberschädigung (DILI, drug-induced liver injury) kennen und den Patienten dafür sensibilisieren, schreiben Prof. Dr. Wei Lim von der Universitätsklinik in Nottingham und Kollegen. Sie haben die wichtigsten pathophysiologischen, diagnostischen und therapeutischen Besonderheiten zusammengestellt.

Die Erstlinientherapie bei Tuberkulose besteht aus der Gabe verschiedener Medikamentenkombinationen, die sich über sechs Monate hinzieht. Begonnen wird mit Ethambutol, Rifampicin, Isoniazid und Pyrazinamid für acht Wochen. Danach folgt eine viermonatige Therapie mit Rifampicin und Isoniazid.

Schadpotenzial der Medikamente variiert

Das hepatotoxische Potenzial der einzelnen Substanzen ist unterschiedlich: Ethambutol zeigt nur selten derartige Effekte. Bei Pyrazinamid und Isoniazid entstehen sie vermutlich über aktive Metabolite. Für beide Wirkstoffe konnte nachgewiesen werden, dass die Hepatotoxizität mit der Dosis steigt. Rifampicin potenziert in Kombination die hepato­toxischen Effekte der erstgenannten Wirkstoffe, steigert die Bildung von Gallensäure und reduziert deren Transport, was eine Cholestase begünstigt. Eine Korrelation zwischen Dosis und Hepatotoxizität konnte für Rifampicin nicht nachgewiesen werden.

Die pathophysiologischen Mechanismen hinter der DILI sind noch nicht vollständig verstanden. In einigen Studien ließen sich folgende Risikofaktoren nachweisen:

  • höheres Patientenalter
  • vorbestehende Leberschädigung
  • Hepatitis B
  • Malnutrition
  • hoher Alkoholkonsum
  • bestimmte Genotypen

Eine DILI tritt meist in den ersten beiden Monaten der Vierfachtherapie auf. Die Symptome (s. Kästen) sind häufig unspezifisch, ihr Verlauf ist initial teilweise blande. Außerdem bestehen oft Überschneidungen mit den Symptomen der Lungenerkrankung. Deswegen ist gerade zu Behandlungsbeginn besondere Aufmerksamkeit geboten. Um eine DILI frühzeitig zu erkennen, empfehlen die Autoren regelmäßige klinische und laborchemische Kontrollen, letztere alle zwei bis vier Wochen zu Beginn der Tbc-Therapie. 

Klinische Symptome, die für eine DILI sprechen

  • generalisierter Juckreiz, Ikterus und dunkelgefärbter Urin aufgrund von Bilirubinämie (cave: Rotfärbung von Körpersekreten durch Rifampicin)

  • unspezifische Symptome wie Übelkeit oder Müdigkeit

  • Erbrechen, abdominelle Schmerzen und Verwirrtheit bei akutem Leberversagen

  • anamnestisch Alkoholkonsum und Einnahme (nicht) verschreibungspflichtiger und pflanzlicher Medikamente (hepatotoxische Effekte!)

DILI-Symptome überlappen häufig mit denen einer aktiven Tbc. Zur Abgrenzung genügt meist eine Lebersonografie, eine Biopsie ist eher selten indiziert.

Als besonders wichtig erachten sie zudem die soziale Unterstützung der Patienten, z.B. durch geschultes Pflegepersonal. Auf diese Weise sollten sie u.a. zur korrekten Medikamenteneinnahme angehalten, über die Relevanz einer Alkoholkarenz während der Tbc-Therapie aufgeklärt und für DILI-Symptome sensibilisiert werden. In Abhängigkeit vom individuellen DILI-Risiko kann man gemeinsam mit dem Patienten auch eine Alternative zur Standardtherapie in Erwägung ziehen, um ggf. die Adhärenz zu unterstützen. 

Bei einer vermuteten oder nachgewiesenen DILI ist die Tuberkulosemedikation vollständig abzusetzen, um ein fulminantes Leberversagen zu verhindern, was in circa 5 % aller Fälle auftritt. Keinesfalls sollte eines der Medikamente als Monotherapie fortgeführt werden (Resis­tenzbildung!). Erst wenn sich die Leberfunktion erholt hat, was meist nach zwei bis vier Wochen der Fall ist, kann die vorherige Tbc-Therapie fortgesetzt werden. Bei 80–90 % der Patienten ist nicht mit einer erneuten DILI zu rechnen, was die Autoren auf den Effekt der hepatischen Adaptation zurückführen. Meist beginnt man zunächst mit Ethambutol plus entweder Isoniazid oder Rifampicin und nimmt anschließend stufenweise die anderen Medikamente hinzu. Den Autoren zufolge kann anhand der aktuellen Studienlage noch nicht vollständig geklärt werden, ob es sinnvoller ist, erneut alle vier Tbc-Medikamente einzuführen oder eine – dann auf neun Monate verlängerte – Dreifachkombination ohne Pyrazinamid zu versuchen.

Typische Erhöhungen der Leberenzyme bei DILI

Tritt eine der folgenden Veränderungen bei Patienten auf, die zu Beginn der Tbc-Therapie normwertige Leberwerte hatten, liegt der Verdacht auf eine DILI nahe:

  • ALT > 3-fach erhöht plus entweder Bilirubin > 2-fach erhöht oder Symptome einer Hepatitis

  • ALT > 5-fach erhöht

  • ALP > 2-fach erhöht (cave: Knochenerkrankung)

Bei bestimmten anderen Konstellationen kommen differenzialdiagnostisch z.B. eine Autoimmun- oder Virushepatitis, eine Schockleber, Gallensteine und eine nicht-alkoholische Fettleber in Betracht.

Patienten, bei denen aufgrund der ausgeprägten klinischen Tbc-Symptome trotz DILI eine tuberkulostatische Therapie zwingend erforderlich ist, sollten eine Brückentherapie mit anderen Medikamenten, die eine geringere hepatotoxische Wirkung haben, erhalten. Dazu zählen beispielsweise Moxifloxacin/Levoflaoxacin oder Streptomycin.

Quelle: Lim WS et al. BMJ 2023; 383: e074866; DOI: 10.1136/bmj-2023-074866

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Gewusst wie, lässt sich die medikamentöse Therapie der Tuberkulose trotz Hepatotoxizität sicher durchführen. Gewusst wie, lässt sich die medikamentöse Therapie der Tuberkulose trotz Hepatotoxizität sicher durchführen. © Science Photo Library/Kon, Kateryna