Wichtige Tipps für die Erstversorgung der akuten Leberinsuffizienz

Nina Arndt

Beim akuten Leberversagen tritt die Insuffizienz überraschend ein Beim akuten Leberversagen tritt die Insuffizienz überraschend ein © New Africa - stock.adobe.com

Beim akuten Leberversagen tritt die Insuffizienz überraschend ein– ohne vorbestehende Erkrankung. Es kommt zur hepatischen Enzephalopathie und Koagulopathie. Unbehandelt ist das Mortalitätsrisiko hoch. Worauf kommt es bei der Diagnostik und der Therapie der Erkrankung an?

Hauptauslöser für ein akutes Leberversagen (ALV) sind in Europa sowie in den USA Arzneimittel. Auch Virusinfektionen (z. B. mit Hepatitisviren vom Typ A, B oder E), eine Autoimmunhepatitis oder vaskuläre Ursachen wie eine Lebervenenthrombose können zu einer Insuffizienz führen. Je nach Verlauf unterscheidet man zwischen hyperakut, akut und subakut.

Anders als die Namenskonvention vermuten lässt, ist die Prognose beim hyperakuten Leberversagen am günstigsten, erklärte Prof. Dr. Jonel­ Trebicka­ vom Universitätsklinikum Münster. Bei dieser Form entwickelt sich innerhalb von sieben Tagen eine hepatische Enzephalopathie (HE). Es kommt zu einem leichten Ikterus und einer schwerwiegenden Gerinnungsstörung. Zu möglichen Auslösern zählen eine Paracetamol-Intoxikation oder eine Infektion mit Hepatitis-A- oder -E-Viren.

Bei der akuten Form kommt es innerhalb von ein bis vier Wochen zu einer HE. Sie wird oft durch Hepatitis-B-Viren verursacht; die Prognose ohne Lebertransplantation gilt als mässig. Im Fall des sub­akuten Leberversagens entwickelt sich die HE innerhalb von vier bis zwölf Wochen, Ursache sind häufig nicht-Paracetamol-haltige Arzneimittel. Die Langzeitprognose ist schlecht.

Diagnostik

Um die Ursache eines ALV zu ermitteln, kommt der Anamnese eine wichtige Bedeutung zu. Man sollte unter anderem nach der Krankheitsdauer, der medizinischen Vorgeschichte, Auslandsreisen und möglichen Auslösern wie Infektionen, Arzneimitteln, Alkohol, Pilzkonsum oder Nahrungsergänzungsmitteln fragen, betonte der Referent. Ein Kollege aus dem Auditorium pflichtete ihm bei: Er berichtete über einen Fall, bei dem seine Patientin unter anderem die Arzneipflanze Ashwagandha zu sich genommen hatte.

Bei der körperlichen Untersuchung ist es ratsam, auf den neurologischen Zustand (unter anderem Asterixis, Somnolenz, HE-Grad) und auf das allgemeine Erscheinungsbild (Ikterus, Lymphadenopathie, Ausschlag z. B. bei Infektion mit Herpes-simplex- oder Zytomegalievirus) zu achten. Während des Krankheitsverlaufs ist eine ständige Reevaluation wichtig, betonte Prof. Trebicka.

Zur Laboruntersuchung gehören unter anderem die Bestimmung des Laktat­levels, der Gerinnungsparameter (INR) sowie des Ammoniak- und Glukose­spiegels. Letzterer ist wichtig, da man bei einem Leberversagen Glukose supplementieren muss. Als bildgebendes Verfahren wird die Sonografie genutzt. CT-Untersuchungen kann man erwägen; sie gelten aber nicht als Standard.

Therapie

Ohne Behandlung ist ein akutes Leberversagen oft letal. Prof. Trebicka empfiehlt beim initialen Management folgende zehn Punkte zu berücksichtigen:

  1. ALV ernst nehmen: Lässt sich bei einer Person eine HE oder ein INR > 1,5 feststellen, sollte ein ALV in Erwägung gezogen werden. Es gilt, die Patienten engmaschig zu kontrollieren und wenn möglich intensivmedizinisch zu versorgen.
  2. Flüssigkeiten substitutieren: Ein mittlerer arterieller Druck von über 65 mmHg sollte angestrebt werden.
  3. Hypoglykämie vermeiden: Nach der Aufnahme in die Klinik empfiehlt Prof. Trebicka eine 10–20%ige Glukoselösung zu geben und den Blutzuckerspiegel regelmässig zu kontrollieren.
  4. Auslöser identifizieren: Eine ursachenspezifische Therapie verbessert die Prognose; gegebenenfalls können Leberschäden wieder rückgängig gemacht werden. Beispielsweise kann bei einer Paracetamol-Intoxikation intravenös N-Acetylcystein (NAC) oder peroral Aktivkohle verabreicht werden. Bei einer Vergiftung durch den grünen Knollenblätterpilz können unter anderem Aktivkohle, Silymarin und Penicillin helfen.
  5. NAC verabreichen: Bei einer Paracetamol-Intoxikation verbessert NAC die Überlebenschance deutlich. Auch bei einem nicht-Paracetamol-induzierten Leberversagen kann die Gabe sinnvoll sein.
  6. INR nicht korrigieren: Ein erhöhter INR zählt zu den Diagnosekriterien beim akuten Leberversagen. Man sollte jedoch nicht in Versuchung geraten, den INR zu korrigieren. Wenn keine Anzeichen von Blutungen vorliegen, richtet man ggf. mehr Schaden an, so der Referent. Die Gabe von Prothrombinkomplex-Konzentrat oder gefrorenem Frischplasma sollte man daher vermeiden, auch um die Chance auf ein Spenderorgan nicht zu verschlechtern.
  7. Auf infektiöse Komplikationen achten: Patienten mit ALV sind anfälliger für Infektionen. Es kommt vor allem zu Lungenentzündungen, Bakteriämien oder Harnwegsinfektionen. Durch solche Infekte kann sich der Zustand der Betroffenen verschlechtern und im schlimmsten Fall verlieren die Personen ihren Wartelistenplatz. Um dem entgegenzuwirken, bietet sich prophylaktisch eine Antibiose und eine Behandlung mit einem Antimykotikum an.
  8. Reevaluieren: Bei einem akuten Leberversagen akkumuliert sich Ammoniak im Blut; das Zellgift diffundiert in die Astrozyten. Die sternförmigen Hirnzellen schwellen an, der intrakranielle Druck steigt und es bildet sich ein Hirnödem. Eine wiederholte klinische Reevaluation ist daher wichtig.
  9. Plasmaaustausch durchführen: Mit einer Leberersatztherapie lässt sich die Funktion der Leber unterstützen und gegebenenfalls die Zeit bis zur Transplantation überbrücken. Die Überlebenschance steigt, insbesondere bei Betroffenen, die kein Spenderorgan erhalten. Bei Kandidaten für eine Lebertransplantation sollte der Plasmaaustausch nicht vor der Aufnahme auf die Warteliste erfolgen.
  10. Frühzeitig an Transplantationszentrum überweisen: Erfüllt der Patient die Kriterien für eine Transplantation, sollte man ihn an ein entsprechendes Zentrum überweisen. 

Bei der Entscheidung, ob eine Lebertransplantation nötig ist, helfen mitunter Scores wie die King’s-College-Kriterien. Sie dienen dazu, Betroffene zu identifizieren, die ohne Transplantation eine schlechte Prognose haben und am meisten von einem Spenderorgan profitieren würden. Menschen, die diese Kriterien erfüllen, haben ohne Spenderorgan eine Überlebenschance von 15 %, erklärte Prof. Trebicka. Man sollte die Erkrankten daher zur Transplantation überweisen. 

Quelle: United European Gastroenterology Week 2024

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