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Wenn Medikamente auf die Leber gehen

Antibiotika, ZNS-wirksame Medikamente und Entzündungshemmer sind die Substanzen, die weltweit am häufigsten einen akuten Leberschaden verursachen. In manchen Teilen Asiens dominieren zudem pflanzliche Mittel, die auch in westlichen Ländern immer häufiger angewendet werden, schreiben Dr. Michael Zieschang, Internist in Darmstadt, und Dr. Ulrich Rosien vom Israelitischen Krankenhaus Hamburg. Verursacht wird die akute medikamenteninduzierte Leberschädigung (DILI*) durch drei verschiedene Mechanismen.
- Direkte Hepatotoxine wie Methotrexat i.v. oder Paracetamol können bei fast allen Exponierten eine DILI auslösen. Vorausgesetzt, Schwellendosis und/oder Therapiedauer werden überschritten.
- Indirekt hepatotoxisch wirkende Substanzen schaden ohne Einfluss von verabreichter Menge sowie mit unterschiedlicher Erscheinungsform und längerer Latenzzeit. Zu ihnen gehören z. B. Checkpoint-Inhibitoren oder monoklonale Anti-CD20-Antikörper.
- Die idiosynkratische Hepatotoxizität manifestiert sich weitgehend unabhängig von Dosis und Einnahmedauer. Diese Form der DILI ist mit einer Inzidenz von 14–19 Fällen pro 100.000 Personen und Jahr selten und hat eine Latenz von Tagen bis Jahren. Vermutlich handelt es sich um eine aberrante adaptive Immunreaktion auf den Wirkstoff oder seine Metaboliten. Als Hauptverursacher gelten Antibiotika wie Amoxicillin/Clavulansäure und Cephalosporine sowie auf das ZNS wirkende immunmodulatorische Arzneimittel und Zytostatika.
Tagesdosis, Lipophilie und Ausmaß der hepatischen Verstoffwechselung beeinflussen das Leberrisiko. Manche Medikamente lösen vor allem bei Seniorinnen und Senioren eine DILI aus (z. B. Amoxicillin/Clavulansäure, Isoniazid), andere bei Kindern (Valproat, Minocyclin). Begleiterkrankungen wie Adipositas und Diabetes erhöhen Inzidenz und Schweregrad der Schädigung. Bei vorbestehender Lebererkrankung steigt die Toxizität bestimmter Arzneimittel, dazu zählen Methotrexat und Wirkstoffe gegen Tuberkulose.
Für die Diagnose einer klinisch signifikanten DILI muss in der Regel eines der drei folgenden Kriterien erfüllt sein:
- Serum-AST oder Serum-ALT mindestens fünffach oder die AP doppelt über dem oberen Normwert, gemessen bei zwei verschiedenen Gelegenheiten. Bei vorbekannter Störung gilt der Ausgangswert vor der Therapie.
- Gesamtserumbilirubin > 2,5 mg/dl zusammen mit erhöhten Spiegeln AST, ALT oder AP.
- International normalized Ratio (INR) > 1,5 mit erhöhter AST, ALT oder AP.
Die meisten hepatotoxischen Arzneimittel führen innerhalb des ersten Halbjahres zu Leberschäden. Gelegentlich werden aber auch längere Latenzzeiten gesehen und selbst nach dem Absetzen ist noch mit einer DILI zu rechnen, etwa durch Amoxicillin-Clavulansäure. Im Verdachtsfall sollte deshalb eine genaue Anamnese der gesamten Medikation erhoben werden – einschließlich pflanzlicher Pharmaka und Nahrungsergänzungsmittel. Von Bedeutung sind die 180 Tage vor der aktuellen Konsultation.
Die medikamenteninduzierte Leberschädigung ist eine Ausschlussdiagnose. In jedem Fall muss deshalb nach alternativen Ursachen für die Schädigung gefahndet werden. Dazu gehört die Untersuchung auf eine virale oder autoimmun bedingte Hepatitis sowie metabolische Leberleiden.
Eine Biopsie ist nur in Einzelfällen sinnvoll
Zudem interessieren Erkrankungen von Gallenblase und Pankreas. Eine Leberbiopsie ist für die Diagnose der idiosynkratischen Form meist nicht erforderlich. Sie kann aber bei schwerem oder langwierigem Verlauf und diagnostischen Zweifeln weiterhelfen.
Die Besserung der Leberwerte nach Absetzen des vermuteten Auslösers ist wichtig für die Diagnose einer medikamenteninduzierten Schädigung. Die Therapie bei der idiosynkratischen DILI erfolgt meist unterstützend, beispielsweise mit Antiemetika. Eine stationäre Aufnahme ist angezeigt bei schwerer Nausea, Vomitus, Gerinnungsstörungen und Enzephalopathiezeichen.
Unter LiverTox kann man recherchieren, wie häufig zur verdächtigten Substanz bereits eine DILI gemeldet wurde. Die Übersicht enthält die publizierte Literatur zu mehr als 1.000 Medikamenten und mehr als 60 pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln.
* drug induced liver injury
Quelle: Zieschang M, Rosien U. Hessisches Ärzteblatt 2024; 85: 506-603
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