Was man über medikamenteninduzierte toxische Leberschäden wissen sollte

Dr. Susanne Meinrenken

Leberschäden durch Paracetamol kommen immer wieder vor. Sie können bis zum akuten Leberversagen führen. Leberschäden durch Paracetamol kommen immer wieder vor. Sie können bis zum akuten Leberversagen führen. © OGphoto/gettyimages

Medikamentenbedingte toxische Leberschäden äußern sich klinisch sehr unterschiedlich, was enorme dia­gnostische Probleme bereiten kann. Wie immer ist es wichtig, vor allem daran zu denken. Die Besonderheiten der medikamentös-­toxischen Hepatopathie beschreibt eine ­Gastroenterologin aus Gießen.

Eine Leberschädigung infolge von Medikamenten (drug induced liver injury, DILI) ist nach Absetzen des Auslösers meist vollständig reversibel. Arzneimittel sind aber auch ursächlich für über 50 % der Fälle eines akuten Leberversagens in westlichen Ländern. Für 32 % der Medikamentenrücknahmen vom Markt zwischen 1975 und 2007 war die Hepatotoxizität der Grund. Aus populationsbezogenen Studien zu medikamentösen Leberschäden gehen Inzidenzen von 14 bis 19 Fällen pro 100.000 Einwohner jährlich hervor. Als häufigste Auslöser gelten Antibiotika. Es lassen sich v.a. zwei Formen der DILI unterscheiden, so Prof. Dr. Elke­ Roeb­ vom Universitätsklinikum UKGM, ­Gießen:

  • intrinsische DILI: Die vorhersehbare, direkt hepatotoxische Schädigung tritt bei fast allen Exponierten maximal eine Woche nach Einnahme des Medikaments dosis­abhängig auf.
  • idiosynkratische DILI: Die nicht vorhersehbare Schädigung infolge von immunologischen oder nicht-immunologischen Veränderungen zeigt sich Tage bis Monate nach Einnahme des Medikaments und betrifft vor allem bestimmte Gruppen, darunter Frauen, ältere Menschen und bestimmte Ethnien, oder Personen mit anderen Risikofaktoren.

Paracetamol gilt als klassischer Verursacher einer intrinsischen DILI. Dabei kommt es oft bereits bei Dosierungen zur Hepatotoxizität, die nur etwas über der maximal empfohlenen Tagesdosis von 4 g liegen, oder nach mehrfacher Einnahme von deutlich niedrigeren Dosen. Denn nicht immer funktioniert die Entgiftung in der Leber optimal. Grund hierfür können Begleit­erkrankungen, bestimmte Genmutationen, gleichzeitige Einnahme anderer Arzneimittel, Fasten oder Alkoholkonsum sein. Weitere Risikofaktoren sind Mitochondriopathien, Immunmodulation durch externe Einflüsse oder Stoffwechselveränderungen. Und natürlich spielen Dosis und chemische Struktur des jeweiligen Wirkstoffs eine Rolle: So führen neben Paracetamol z.B. Vitamin A, Cyclosporin A, Metho­trexat oder Valproat zur intrinsischen Form, während mit der idiosynkratischen Form z.B. Amoxicillin/­Clavulansäure, Diclo­fenac, Sulfonamide und Lisinopril assoziiert sind.

Nahrungsergänzungsmittel können ebenfalls Auslöser sein

Diagnostisch sind zunächst andere Lebererkrankungen auszuschließen. Als mögliche Auslöser einer DILI sind neben verordneten auch nicht verschreibungspflichtige Präparate, Nahrungsergänzungsmittel oder psychoaktive Substanzen in der sorgfältigen Anamnese zu berücksichtigen. Die Bestimmung von ALT, AP sowie Bilirubin erlaubt es, Art und Schweregrad der Leberschädigung zu bewerten. Im Weiteren sollten Virushepatitiden ausgeschlossen und ein Screening auf Autoantikörper durchgeführt werden. 

Auch die Bestimmung wichtiger Gerinnungsparameter ist Teil der DILI-Beurteilung. Selten kann der Nachweis bestimmter neuer Serum-Biomarker (z.B. Glutamatdehydro­genase, Keratin 18, Glutathion-S-Transferase) sinnvoll sein. Eine Lebersonografie und möglicherweise eine Biopsie geben Hinweise auf Gewebs- oder Gefäßveränderungen. Diagnostisch hilfreich ist der RUCAM-Score (Roussel Uclaf Causality Assessment Method).

Nach dem Absetzen erholt sich die Leber häufig spontan

Als therapeutisch wichtigster Schritt gilt das Absetzen des verdächtigen Medikaments; meist erholt sich die Leber dann spontan. Die Gabe von N-Acetylcystein ist nur bei einer ­paracetamolinduzierten Hepatotoxizität und bei Leberversagen indiziert. Kortiko­steroide sind nur im Einzelfall hilfreich − beispielsweise bei vermuteter Autoimmunkrankheit oder mit Checkpoint-Inhibitoren assoziierter DILI. Ansonsten erwies sich bisher keine Pharmakotherapie bei medikamentenbedingter toxischer Leberschädigung in kontrollierten klinischen Studien als effektiv. 

Nicht immer ist es für den Patienten die beste Option, das auslösende Medikament abzusetzen. Beispielsweise weisen nur leicht erhöhte Trans­aminasen unter einer Statintherapie nicht auf eine echte DILI hin. Auch im Rahmen einer CED-Therapie kommt es häufig zu anormalen Leberwerten, so die Autorin. Eine regelrechte DILI kann allerdings nur selten nachgewiesen werden.

Grundsätzlich sollten Ärzte sich bei der Verordnung von Medikamenten oder anderen Therapeutika der potenziellen Hepatotoxizität bewusst sein.

Quelle: Roeb E. Dtsch Med Wochenschr 2023; 147: 828-835; DOI: 10.1055/a-1871-6426

Hilfreich ist das online verfügbare Tool „LiverTox“, beispielsweise ­unter: www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK547852/

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Leberschäden durch Paracetamol kommen immer wieder vor. Sie können bis zum akuten Leberversagen führen. Leberschäden durch Paracetamol kommen immer wieder vor. Sie können bis zum akuten Leberversagen führen. © OGphoto/gettyimages