Wie man Infektionen nach Stammzelltransplantation vorbeugt, erkennt und behandelt

EBMT 2022 Dr. Miriam Sonnet

Auch die Art der Stammzelltransplantation hängt mit der Inzidenz für Infektionen zusammen. Auch die Art der Stammzelltransplantation hängt mit der Inzidenz für Infektionen zusammen. © catalin – stock.adobe.com

Personen, die eine hämatologische Stammzelltransplantation erhalten, haben ein erhöhtes Risiko für Infektionen. Auf dem EMBT diskutierten Expert:innen Daten zu Langzeitüberleben, Risikofaktoren sowie prophylaktische und therapeutische Maßnahmen bei verschiedenen bakteriellen und viralen Erkrankungen.

Sowohl nach einer autologen als auch nach einer allogenen Stammzelltransplantation (SCT) stellen Infektionen ein großes Problem dar und erfordern entsprechende prophylaktische bzw. therapeutische Interventionen. Sie sind, neben Rezidiven und Graft-versus-Host-Erkrankungen (GvHD) eine Ursache für die Mortalität nach einer SCT.

Charakteristika von Listerieninfektionen

Listerien sind Gram-positive Bakterien, die durch kontaminierte Nahrung übertragen werden, erläuterte Dr. Dina ­Averbuch, Hadassah Medical Center, Jerusalem. Infektionen treten bei rund 0,5 % der Patient:innen nach allogener bzw. autologer SCT auf und die Mortalität liegt zwischen 28 % und 50 %. In einer neuen Fall-Kontroll-Studie evaluierten Forschende die klinischen Charakteristika einer Listerieninfektion bei Personen, die eine HSCT erhalten haben, sowie entsprechende Risikofaktoren. Insgesamt wurden 42 Listeriosefälle untersucht. 74 % der Betroffenen hatten eine allogene und 26 % eine autologe SCT erhalten. Die Listerieninfektion trat median 4,5 Monate nach der SCT auf. Am häufigsten litten die Teilnehmenden unter Fieber (93 %), gefolgt von Kopfschmerzen (21 %), Diarrhö (19 %), Schüttelfrost (19 %) und einem eingeschränkten Bewusstsein (19 %). 91 % entwickelten eine Bakteri­ämie und bei 26 % war das ZNS involviert. In einer Univariat-Analyse identifizierten die Forschenden als Risikofaktoren für eine Listeriose u.a.: ≥ 2 HSCT und eine Lymphopenie < 500 Zellen/mm3. Die Listeriosen wurden mit Penicillin (91 %), Ampicillin (64 %) und anderen Medikamenten (9 %) behandelt. Die Hälfte der Betroffenen erhielt eine Kombinationstherapie. 88 % erholten sich komplett von der Infektion, 2 % litten weiterhin unter einer Neuropathie. 10 % der Patient:innen starben innerhalb von 15–53 Tagen nach der Listeriose-Diagnose. Wie die Referentin betonte, traten die Todesfälle deutlich häufiger bei Personen mit einer ZNS-Infektion auf.

Quelle: Averbuch D. 48th EBMT Annual Meeting; OS04-02

Prof. Dr. Jan ­Styczynski, Nicolaus Copernicus University, Bydgoszcz, stellte eine Studie vor, in der die kumulative Mortalitätsinzidenz von Personen mit autologer oder allogener SCT evaluiert wurde. Die rund 232.000 Teilnehmenden litten unter Lymphomen, Plasmazell­erkrankungen, myeloproliferativen Neoplasien/MDS und chronischen Leukämien mit Ausnahme einer CML. Die Forschenden zogen für ihre Analyse zwei Kohorten heran: In der ersten hatten die Betroffenen zwischen 1980 und 2002, in der zweiten zwischen 2003 und 2015 eine SCT erhalten. Insgesamt untersuchten sie vier Zeitpunkte:
  • früh (0–30 Tage nach der SCT),
  • intermediär (31–100 Tage danach),
  • spät (101 Tage bis ein Jahr danach) und
  • sehr spät (1–5 Jahre danach).
77,8 % der Patient:innen hatten eine autologe Transplantation erhalten.

Nebenwirkungen von Maribavir

Maribavir, ein potentes und oral bioverfügbares antivirales Agens, kommt zur Behandlung von Infektionen mit Zytomegalieviren (CMV) nach einer Transplantation zum Einsatz. Die Substanz war in der Phase-3-Studie SOLSTICE einer durch Studienärzt:innen ausgewählten Therapie – Valganciclovir/Ganciclovir, Foscarnet oder Cidovovir – im Hinblick auf die CMV-Clearance nach acht Wochen überlegen. Dr. Catherine Cordonnier, Universität Paris-Est-Créteil, präsentierte nun Daten zur Sicherheit in der Subgruppe von Patient:innen, die eine HSCT erhalten hatten. 26,9 % vs. 20,8 % der Betroffenen aus Prüfarm vs. Kontrolle entwickelten vor einer Rescue- oder alternativen Anti-CMV-Therapie eine neue GvHD. Diese trat mit median 33 Tagen vs. 47 Tagen unter Maribavir früher auf als unter der Kontrollbehandlung. Die Zeitspanne sei aber in beiden Gruppen sehr groß gewesen, so die Referentin. Mit 98,9 % vs. 95,7 % erlitten ähnlich viele Teilnehmende aus Prüfarm vs. Kontrolle therapiebedingte Nebenwirkungen. Gleiches galt für schwere behandlungsbedingte Toxizitäten (46,7 % vs. 44,7 %). Unter Maribavir entwickelten weniger Erkrankte therapiebedingte Nebenwirkungen, die zum Abbruch der Medikation führten (21,7 % vs. 42,6 %). Die Referentin betonte, dass es unter Maribavir häufiger zu einer Dysgeusie kam (27,2 % vs. 6,4 %). Neutropenien (17,4 % vs. 27,7 %) und Hypokaliämien (6,5 % vs. 10,6 %) traten dagegen seltener auf.

Quelle: Cordonnier C. 48th EBMT Annual Meeting; OS04-03

Betroffene der Kohorte 2 wiesen eine niedrigere Mortalität auf als Personen der Kohorte 1. Das galt für alle untersuchten Zeitpunkte nach der SCT. Hatten sich die Teilnehmenden einer autologen SCT unterzogen, so verringerten sich die Mortalitätsraten unabhängig von den Ursachen Rezidive und Infektionen. Ausnahme bildeten Todesfälle aufgrund gemischter Infektionen und anderer Ursachen, jeweils zum spätesten gemessenen Zeitpunkt. Bei Erkrankten mit allogener SCT unterschied sich die Mortalität zwischen der ersten und zweiten Kohorte in der sehr späten Phase nicht mehr. 63,7 % der letalen Infektionen entfielen auf solche von gemischter oder unbekannter Ätiologie. Ihr Beitrag zu den Todesfällen erhöhte sich zum sehr späten Zeitpunkt. Auch die Mortalität aufgrund bakterieller Infektionen stieg zwischen Kohorte 1 und 2 in der sehr späten Phase.

Pololeucel zur Infektionsprophylaxe

Patient:innen mit allogener HSCT leiden häufig unter multiviralen Infektionen, ausgelöst durch z.B. Adeno-, BK-, Cytomegalie-, Eppstein-Barr- und JC-Viren sowie Herpesvirus-6, erinnerte Prof. Dr. Sanjeet S. Dadwal, City of Hope Medical Center, Duarte. Posoleucel ist eine off-the-shelf Multiviren-spezifische T-Zell-Therapie, die diese sechs Pathogene adressiert und in einer Phase-2-Präventionsstudie bei Hochrisiko-Erkrankten geprüft wurde. Primärer Endpunkt war die Anzahl von neuen, klinisch signifikanten Infektionen oder Episoden von Endorgan-Erkrankungen während eines Zeitraums von 14 Wochen. Bei zwei Betroffenen (8 %) kam es in dieser Zeit zu einer CMV-Infektion und eine Person (4 %) entwickelte eine Endorgan-Erkrankung. Es traten keine unerwarteten therapiebedingten oder schwere Nebenwirkungen auf, so der Referent. Sechs der 26 Teilnehmenden (23 %) erlitten eine akute GvHD vom Grad 2–3. 54 % hatten Diarrhö und 23 % verloren Gewicht. Hochrisiko-Personen mit allogener HSCT, die Posoleucel erhielten, wiesen niedrige Raten von klinisch signifikanten Infektionen auf, lautete das Fazit von Prof. Dadwal. Zudem sei eine wiederholte Gabe sicher und wurde gut vertragen. Die Substanz wird zurzeit in einer Phase-3-Studie untersucht.

Quelle: Dadwal, SS. 48th EMBT Annual Meeting; OS04-04

Ähnliches galt für Betroffene mit autologer SCT, allerdings waren die kumulativen Inzidenzen für alle Infektionstypen zu allen Zeitpunkten geringer. Das spiegele den Einfluss der „Allogenität“ auf infektiöse Komplikationen wider, so der Referent. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Todesursachen unterschieden sich je nach Phase nach der SCT, wobei Infektionen den Haupt-Mortalitätsgrund vor Tag 100 darstellten.

HMPV: besonders in den unteren Atemwegen gefährlich

Das humane Metapneumovirus (HMPV) ist ein einzelsträngiges RNA-Virus der Paramyxoviridae. Die Gesamt-HMPV-Inzidenz unter Empfänger:innen einer allogenen HSCT beträgt rund 7 %, sagte Prof. Dr. José L. Pinana, Universitätsklinikum Valencia. Bisher gibt es allerdings kaum Daten zur Art der Infektion und deren Therapie im Setting der allogenen HSCT. In einer retrospektiven multizentrischen Kohortenstudie wurden Symptome, klinische und Laborparameter sowie Krankenhaus- und Intensivstationseinweisungen bei 428 Betroffenen mit HMPV-Infektion untersucht. Die Infektionen traten meist zwischen November und Mai auf, was die typische Saisonalität der Erkrankung widerspiegelt. Bei 10 % der Teilnehmenden wurde eine Infektion in den unteren Atemwegen nachgewiesen. Diese hatten ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf, so der Referent. Im Fall einer bestätigten Involvierung der unteren Atemwege wurden die Patient:innen häufiger ins Krankenhaus eingeliefert als solche, bei denen nur der obere Atemtrakt betroffen war (59,5 % vs. 12,5 %). Außerdem litten sie vermehrt unter Co-Infektionen (61,9 % vs. 22,7 %) und Fieber (76,2 % vs. 39,8 %), sie benötigen häufiger eine zusätzliche Sauerstoffversorgung (54,8 % vs. 1,5 %), wurden öfter auf die Intensivstation verlegt (54,8 % vs. 1,5 %) und hatten ein niedrigeres 90-Tages-OS (64,3 % vs. 96,2 %). Risikofaktoren für einen Befall der unteren Atemwege waren eine absolute Lymphozytenzahl < 0,5 x 109/l und Kortikosteroide ≥ 30 mg/Tag.

Quelle: Pinana JL. 48th EMBT Annual Meeting; OS04-08

Das Langzeitüberleben nach einer SCT könne sich verbessern, indem vermeidbare und/oder reversible späte und sehr späte Komplikationen weiter erforscht werden, so das Fazit von Prof. Styczynski.

CMV-Prophylaxe in Real World

Letermovir ist zugelassen zur CMV-Prophylaxe von CMV-seropositiven Empfänger:innen einer allogenen HSCT. Damit lassen sich Daten einer klinischen Phase-3-Studie zufolge CMV-Infektionen signifikant reduzieren. Real-World-Daten fehlten bisher, konstatierte Prof. Dr. Roy F. Chemaly, MD Anderson Cancer Center, Houston. Der Referent präsentierte ein systematisches Review und Meta-Analyse, in dem die Wirksamkeit des Medikaments bei Erwachsenen, die sich einer allogenen HSCT unterzogen, anhand Real-World-Beobachtungsstudien geprüft wurde. In die Analyse gingen 48 Untersuchungen ein, in denen die Teilnehmenden Letermovir 0–42 Tage nach der Transplantation erhielten. Die Therapiedauer betrug 79–191 Tage. Die Prophylaxe war, verglichen mit einer Kontrollgruppe, mit einer 87 % niedrigeren Wahrscheinlichkeit einer CVM-Reaktivierung sowie einer klinisch signifikanten Reduzierung der Wahrscheinlichkeit einer CMV-Infektion (91 %) und -Erkrankung (69 %) assoziiert. Auch verringerte sich die Wahrscheinlichkeit für die Sterblichkeit aus jeglichem Grund sowie die nicht-rezidivbedingte Mortalität nach ≥ 200 Tagen. Gleiches galt für die Wahrscheinlichkeit einer GvHD vom Grad ≥ 2 und einer Hospitalisierung aufgrund einer CMV-Infektion nach 100 Tagen. Chemaly RF.

Quelle: 48th EMBT Annual Meeting; OS04-07

Quelle: Styczynski J. 48th EMBT Annual Meeting; OS04-01

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Auch die Art der Stammzelltransplantation hängt mit der Inzidenz für Infektionen zusammen. Auch die Art der Stammzelltransplantation hängt mit der Inzidenz für Infektionen zusammen. © catalin – stock.adobe.com