Wie Sie in pädiatrischen Notfällen richtig vorgehen

Maria Fett

Erst pusten, dann drücken – die Reanimation von Kindern beginnt umgekehrt wie die von Erwachsenen. Erst pusten, dann drücken – die Reanimation von Kindern beginnt umgekehrt wie die von Erwachsenen. © Kzenon – stock.adobe.com

Es gibt drei Möglichkeiten, ein Kind mit ana­phylaktischer Reaktion zu behandeln. „Mit zweien leisten Sie aktive Sterbehilfe“, warnt Dr. Klaus-Gerrit Gerdts. Der Kollege erklärt, was in diesem und vier weiteren häufigen pädiatrischen Notfällen zu tun ist.

Anaphylaxie

Ein zugeschwollenes Auge, Quaddeln am ganzen Körper und leichte Dyspnoe verraten: Dieser Junge befindet sich auf dem besten Weg zum anaphylaktischen Schock. Laut seiner Mutter habe ihn vor wenigen Minuten eine Wespe gestochen. Wer nach so kurzer Zeit so aussieht, hat im besten Fall noch fünf Minuten, sagte Dr. Klaus-Gerrit­ Gerdts­, Pädiater und Notfallmediziner aus Cuxhaven. Wie sollten Sie jetzt reagieren­?

  • Möglichkeit 1: Sie geben Methylprednisolon. Allerdings brauchen Glukokortikoide etwa eine Stunde, bis sie anfangen zu wirken. „Damit leisten Sie aktive Sterbehilfe“, so der Kollege.
  • Möglichkeit 2: Sie greifen zu Dimetinden, wie bei Insektengiftallergie indiziert. Doch auch Antihistaminika helfen erst in 30 Minuten. Deshalb bleibt nur:
  • Möglichkeit 3: Sie injizieren Adrenalin und retten dem Kind so das Leben. Zur Not muss die Nadel durch die Hose (Oberschenkel­außenseite, s. Kasten). Eine i.v.-Gabe sollte ohnehin erfahrenen Ärzten vorbehalten bleiben. Klingen die Symptome nicht ab: Die Injektion alle fünf Minuten wiederholen, bis der Notarzt eintrifft.

Runter mit der Adrenalinschwelle!

Gemäß der Reanimationsleitlinie gelten folgende Empfehlungen zur Adrenalindosierung, die „man sich am besten gut sichtbar auf die Fläschchen klebt“, sagte Dr. Gerdts:
  • Erwachsene: 500 µg i.m. (0,5 ml)
  • Kinder > 12 Jahre: 500 µg i.m. (0,5 ml)
  • Kinder 6–12 Jahre: 300 µg i.m. (0,3 ml)
  • Kinder < 6 Jahre: 150 µg i.m. (0,15 ml)
Der Pädiater plädierte mit Nachdruck dafür, die Schwelle für die Gabe von Adrenalin weit nach unten zu setzen. „Was kann im schlimmsten Fall passieren? Der Patient bekommt etwas Herzrasen, aber er lebt weiter.“

Fremdkörperaspiration

Um das verschluckte Teilchen wieder zu Tage zu befördern, kann man sich sorgfältig an den zwölf Punkten der AWMF-Leitlinie abarbeiten. Falls der Patient bis zum letzten Schritt nicht erstickt ist: Glückwunsch! Dr. Gerdts riet zur wesentlich kürzeren Empehlung des German Resuscitation Council (GRC): Zunächst einschätzen, ob das Kind effektiv hustet (weint, ist laut, kann ausatmen) oder ineffektiv (ist still, spricht nicht). Trifft Ersteres zu, sollte es zum Weiterhusten animiert und dabei kontinuierlich überwacht werden (Notarzt rufen!). „Wer hustet, kriegt Luft und stirbt nicht“, so der Referent. Für den Heimlich-Griff erst den Bauchnabel ertasten Bei ineffektivem Husten braucht es externe Maßnahmen. Ist das Kind bei Bewusstsein? Dann fünfmal kräftig auf den Rücken schlagen. Falls das nicht ausreicht, folgt fünfmal das „Heimlich-Manöver“ bzw. bei Säuglingen die 2-Finger-Thoraxkompression (ca. 2–3 cm tief drücken). Die richtige Handposition für den Heimlich-Griff findet man, indem man zunächst den Bauchnabel des Kindes ertastet. Anschließend den Rumpf umfassen und kräftig nach oben ziehen.

Fieberkrampf

Ein Fieberkrampf bei Kindern ist zunächst nicht viel mehr als ein Betriebsunfall, so Dr. Gerdts. Das komme häufiger vor als man denkt. „Wenn Sie mutig sind, lassen Sie es erst mal krampfen. Unter 10 Minuten passiert in der Regel nichts.“ Im ambulanten Setting gibt es mehrere Optionen, einen solchen Krampfanfall medikamentös zu unterbrechen. Dr. Gerdts riet zu Paracetamol 125 mg rektal (Po zusammendrücken!) oder Diazepam 10 mg rektal für Kinder ab ca. 2 Jahren bzw. ≥ 15 kg Körpergewicht. Alternativ eignen sich Lorazepam bukkal oder Midazolam über einen Nasalzerstäuber. Einfach den Aufsatz auf die Spritze setzen und ab ins Nasenloch (gemäß Leitlinie z.B. 0,2–0,5 mg/kgKG, max. 5 mg pro Einzeldosis). Kostenpunkt des Zerstäubers: ca. 2 € pro Stück.

Long-QT-Syndrom

Dem Long-QT-Syndrom begegnet man mitunter bei einer gründlichen Schwimmtauglichkeitsprüfung (EKG!) – vor allem bei jungen Sportlern ein großes, häufig unterschätztes Thema. Mit einer Inzidenz von 1:2500 für Deutschland könne man nicht mehr von wenigen Fällen sprechen, so Dr. Gerdts. Um die Betroffenen vor Kreislaufstillstand und plötzlichem Herztod während einer sportlichen Belastung zu schützen, sollte man in der Untersuchung besonders auf familiäre Hinweise achten (Plötzliche Herztode? Epilepsiediagnosen?). Nicht selten werden konvulsive Synkopen infolge von Herzrhythmusstörungen als epileptische Anfälle fehlgedeutet.

Kammerflimmern/Reanimation

Ein Viertel der plötzlichen Herztode von Kindern geht auf Kammerflimmern zurück, erklärte der Notfallmediziner. Die Reanimation von Kindern unterscheidet sich nur in wenigen Punkten von den Basismaßnahmen bei Erwachsenen. Zum Beispiel werden die Defi-Pads auf Brust und Rücken geklebt. Auch fängt man bei Kindern nach Kontrolle der Atemwege sofort an, zu beatmen. Erst dann folgt die Thoraxkompression (s. Kasten).

5 – 15 – 2 – 15

Die lebensrettenden Basismaßnahmen beim Kind laufen wie folgt ab: Negativer Reaktionstest – Hilferuf – Atemwege öffnen – keine normale Atmung? – 5 initiale Beatmungen – Lebenszeichen? – 15 Thoraxkompressionen – 2 Beatmungen – 15 Thoraxkompressionen usw. Auf der Internetseite des German Resuscitation Council können neben den aktuellen Reanimations-Leitlinien auch Poster zu verschiedenen Notfällen heruntergeladen werden (www.grc-org.de).

In der aktuellen Reanimationsleitlinie des GRC wird dies damit erklärt, dass die Asphyxie als häufigste Ursache eines Kreislaufstillstands bei Kindern gilt. Wiederbeleben ohne initiales Beatmen wäre daher kaum effektiv.

Quelle: 5. practica Oberhof

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