Wo stehen wir und wohin könnte der Weg führen?

EADO 2025 Dr. Moyo Grebbin

Künstliche Intelligenz erkennt Melanome gut, doch reale Anwendung bringt noch einige Herausforderungen mit sich. Künstliche Intelligenz erkennt Melanome gut, doch reale Anwendung bringt noch einige Herausforderungen mit sich. © khunkornStudio – stock.adobe.com

Bei der Unterscheidung „Melanom: Ja oder Nein“ liefert Künstliche Intelligenz schon seit Jahren gute Ergebnisse – in kontrollierten Settings. Ein Experte ordnete jetzt ein, welche Hürden noch bestehen und wie sich das Feld gerade entwickelt.

Eine Initiative, die sich in der Entwicklung dermatologischer Anwendungen von Künstlicher Intelligenz (KI) engagiert, ist die „International Skin Imaging Collaboration“, kurz ISIC. Dabei handelt es sich um eine 2014 vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York initiierte partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie, erklärte Prof. Dr. Allan Halpern, der in besagtem Zentrum tätig ist. Die Plattform enthält ein Archiv von mehr als einer Million Bildern – darunter mehr als 10.000 Melanome – das jede:m frei zur Verfügung steht, z. B. als große Trainings- bzw. Validierungsressource für KI-Algorithmen. 

„Ein Weg, wie wir aktiv versuchten, die Computerwissenschaftsgemeinschaft zur Kooperation zu gewinnen, waren die sogenannten jährlichen ‚Grand Challenges‘“, berichtete der Referent. Dabei gab es attraktive Preise zu gewinnen, und so steigerte sich die Zahl der teilnehmenden Teams in den vergangenen fünf Jahren von 24 auf mehr als 3.000. „Gleichzeitig stieg die Komplexität der Challenges und die Performance der Algorithmen verbesserte sich signifikant.“ 

Im Jahr 2018 waren die Modelle so gut geworden, dass ISIC zu einer Challenge von Kliniker:innen gegen den bisher besten Algorithmus aufrief. Es beteiligten sich 510 Dermatolog:innen aus der ganzen Welt. Laut den 2019 veröffentlichten Ergebnissen schaffte es nur ein sehr geringer Bruchteil von ihnen, eine bessere Leistung beim Erkennen von Melanomen zu erzielen, als der Algorithmus. 

Kann man die harmloseren Melanome einfach abschaffen?

In Zeiten zunehmender Überdiagnosen stellt sich vielen wohl die Frage, ob es eine neue Klassifikation für Melanome braucht. Eine, bei der das „Melanoma in situ“ eine neue Bezeichnung erhält und ausgeklammert wird – und ebenso dünne, nicht-tumorigene und nicht-mitogene invasive Melanome. Zu einer möglichen „Overdefinition“ zog Prof. Dr. David E. Elden, University of Pennsylvania in Philadelphia, Stellung. Tatsächlich neigen Dermatopatholog:innen gegenüber denjenigen ohne Dermatologie-Spezialisierung zu einer niedrigschwelligeren Einstufung von Läsionen als Melanom, erklärte der Referent. 

Schon seit rund 40 Jahren mehrten sich zudem Hinweise darauf, dass invasive Melanome, die kein vertikales Wachstum zeigen, nicht metastasieren. Seltene Ausnahmen, ca. ± 1–2 %, ließen sich z. B. durch Stichprobenfehler erklären oder durch Tumoren, die zu einem früheren Zeitpunkt dicker waren und metastasierten, und sich anschließend weitgehend zurückbildeten. 

Zur Überdiagnose der Melanome trägt auch bei, dass Läsionen unter diesen Begriff fallen, die nicht metastasieren und nicht tödlich wären. Für die mögliche neue Namensgebung lieferte Prof. Elden folgende Vorschläge: 

  • „Melanocytic Neoplasm of Low Malignant Potential“ (MNLMP)
  • „Low Risk Melanocytic neoplasm“ (in situ)

Der erste Begriff wurde erstmals in der WHO-Klassifikation von 2018 verwendet, der zweite 2024 von Prof. Katy Bell aus Sydney in der Zeitschrift BMJ Open geprägt. 

Auch für die klinische Definition legte der Referent bereits eine vorläufige Liste vor, die folgende Faktoren enthielt: Das Alter (≤ 70 bzw. < 45 Jahre für mehr Stringenz), Dicke ≤ 0,8 mm, keine Mitosen, keine Ulzeration, kein vertikales Wachstum, Clark-Level I oder II, keine Regression, klinische Abwesenheit dynamischer Veränderungen. Die Mortalität so definierter Fälle sei verschwindend gering. Voraussetzung für das Erreichen einer „Zero Risk“-Klassifikation sei allerdings, dass die vertikale Wachstumsrate, bzw. deren Abwesenheit, in die Pathologieberichte mit aufgenommen wird. 

Quelle:
Elder D. 21st EADO Congress; Vortrag: „Should we change the term Melanoma in Situ?"

Vorbereitung auf die „freie Wildbahn“

Die ersten ISIC-Challenges basierten, wie viele andere Ansätze aus dem Feld, auf Dermatoskopie-Bildern, gab Prof. Halpern zu bedenken. Seit dem vergangenen Jahr liege der Fokus stattdessen auf Smartphone-Bilddateien und der 3-D-Ganzkörperfotografie (TBP). Und man bewege sich weg von Trainingsdaten, denen immer eine Biopsie zugrunde liegt. 

Damit KI „in der freien Wildbahn“ funktionieren könne, müsse man ihr beibringen, was es dort alles gibt, so der Referent. Das ISIC-Team sei folglich dazu übergegangen, statt einzelner ausgewählter Läsionen nun alle Läsionen von großflächigen TBP-Bildern mit einzubeziehen. Mit schlechterer Auflösung als eine Nahaufnahme mit dem Smartphone. Das Resultat: Der beste Algorithmus erreichte eine AUC von 0,968; in mehr als Dreiviertel der Ansätze rangierten Melanome unter den 15 atypischsten Läsionen.

Der PROVE-AI-Studie aus 2023 zufolge verbessere die Hinzunahme eines KI-Tools zur Validierung des Melanomrisikos schon heute die Selbstsicherheit und Leistung praktizierender Dermatolog:innen, betonte der Referent. Wo KI aktuell stehe bei der Hautkrebsdiagnose habe ein Team aus Neapel vergangenes Jahr sehr treffend in einem Review zusammengefasst. Hürden seien demzufolge, dass die hohe Genauigkeit kontrollierter Settings sich wahrscheinlich nicht direkt auf die Realität übertragen lasse. 

Neben Lücken bei Trainingsdaten gebe es noch Wissensbedarf bezüglich der Interpretierbarkeit der Rechenmodelle. Letztere kann eingeschätzt werden, indem man analysiert, worauf die KI im Bild fokussiert, erklärte Prof. Halpern. Es sei mittlerweile sogar möglich, dass die Algorithmen eine Bildbeschreibung lieferten, aus der sich auf die Vertrauenswürdigkeit schließen lässt. 

Mit Blick auf die Zukunft vermutet Prof. Halpern, dass mit zunehmender Nutzung von KI nicht weniger Hautärzt:innen benötigt werden, sondern mehr: Er zeichnete ein Bild von einem deutlichen Anstieg an Biopsien und „Überdiagnosen“, wie es mit dem Einzug neuer Technologien in der Medizin oft zu beobachten sei.

Quelle:
Halpern AC. 21st EADO Congress; Vortrag : „Classification of melanoma using AI: Where are we and where might we be going?“

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