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Wo und wann läuft’s?

Für eine Blutungsneigung gibt es drei Hauptursachen. Entweder es liegt an den plasmatischen Gerinnungsfaktoren oder an den Thrombozyten oder am Von-Willebrand-Faktor, erklärte Prof. Dr. Bettina Kemkes-Matthes, Universitätsklinikum Gießen. Um eine Verdachtsdiagnose zu stellen, kann mitunter schon ein Blick ausreichen.
Blaue Flecken nach leichteren Stößen sprechen für eine Verminderung plasmatischer Gerinnungsfaktoren, z.B. durch die Einnahme von NOAK oder Phenprocoumon. Massive spontane Einblutungen in Weichteile ohne Trauma hingegen (Notfall!) sind das Kennzeichen einer Hemmkörperhämophilie. Betroffene haben Autoantikörper, die in der Regel gegen den Faktor VIII gerichtet sind, und müssen in einem spezialisierten Zentrum behandelt werden. Auffällige Narben deuten auf einen Faktor-XIII-Mangel hin, während großflächige Hämatome nach (zahn)medizinischen Eingriffen typisch für das Von-Willebrand-Syndrom sind.
„Spontane Einblutungen in Gelenke finden sich fast ausschließlich bei Patienten mit Hämophilie A oder B“, so die Referentin. Bei diesen beiden Formen ist der Faktor VIII bzw. IX extrem vermindert. In Ausnahmefällen kommt es auch bei Patienten mit Typ 3 des Von-Willebrand-Syndroms zu artikulären Hämorrhagien.
Petechien sprechen für eine thrombozytäre Störung, z.B. eine Thrombozytopenie im Rahmen einer Leukämie. Weitere wichtige Hinweise auf die Ursache einer Blutungsneigung liefert die Anamnese. Mit gezielten Fragen lässt sich herausfinden, ob es sich um eine hereditäre oder erworbene Form handelt (s. Tabelle).
Anamnese bei Blutungsneigung | |
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Frage | „Ja“ ist Hinweis auf ... |
Nehmen Sie Medikamente wie ASS, Diclofenac, Clopidogrel oder Ticlopidin? | erworbene Hämostasestörung |
Sind derartige Blutungen bei Ihnen früher nicht aufgetreten? | |
Haben Sie häufig Nasenbluten oder Blutungen an anderen Schleimhäuten? | Von-Willebrand- Syndrom |
Bluten Sie verstärkt nach Verletzungen oder operativen Eingriffen? | |
Haben Sie während oder nach einer Entbindung viel Blut verloren? | |
Leiden Sie unter einer sehr starken Menstruationsblutung? | |
Haben Sie erst einige Tage nach einem Eingriff geblutet oder heilen bei Ihnen Narben schlecht? | Faktor-XIII-Mangel |
Treten derartige Blutungen bei Ihnen seit ihrer Kindheit auf? | hereditäre Erkrankung |
Gibt es weitere Familienmitglieder mit den gleichen Beschwerden? | |
Sind in Ihrer Familie ausschließlich Männer betroffen? | Hämophilie A oder B |
Mit Ausnahme des Von-Willebrand-Syndroms (Prävalenz etwa 1:100) sind angeborene Gerinnungsfaktorstörungen äußert selten. Allerdings gibt es auch ein erworbenes Von-Willebrand-Syndrom. Es tritt bei schweren Grunderkrankungen wie Blutkrebs und Herzfehlern auf. Außerdem betroffen sind viele Intensivpatienten, die an ein linksventrikuläres Unterstützungssystem angeschlossen sind.
Verlängerte Blutungszeit beim Von-Willebrand-Syndrom
Laboruntersuchungen wie kleines Blutbild (Thrombozytopenie), aktivierte partielle Thromboplastinzeit und Quickwert (plasmatische Gerinnungsfaktoren außer XIII) untermauern die Verdachtsdiagnose. Sie geben jedoch keine Informationen über das Vorliegen eines Von-Willebrand-Syndroms. Hinweise auf die Primärhämostaseerkrankung liefert eine Messung der Blutungszeit: entweder „old school“ mit einer Lanzette am Ohrläppchen (nur zur groben Orientierung, weil ungenau) oder als moderne Variante mit einem Platelet Function Analyzer. Die weiterführende Diagnostik sollte in einem Spezialzentrum erfolgen. Denn der Von-Willebrand-Faktor schwankt abhängig von Stress, Hormonen und Alter, wodurch die Gefahr eines falsch-negativen Befunds hoch ist.
Quelle: Kongressbericht: 130. Kongress der DGIM
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