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Nur während der Follikelphase verbessert sich die periphere Insulinsensitivität
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Zyklus."
Sowohl experimentelle Studien als auch klinische Studien mit gesunden Proband*innen weisen hinsichtlich zerebraler Insulineffekte auf Unterschiede zwischen den Geschlechtern hin. Nach intrazerebroventrikuläer Applikation von Insulin verringerten männliche Nagetiere die Nahrungsaufnahme, bei weiblichen Tieren dagegen blieb diese Wirkung aus. Gleichsinnig die bisher vorliegenden Studien am Menschen: Die intranasale Applikation von Insulin, bei der ein Großteil des Wirkstoffs ins Gehirn und nur ein kleiner Teil in den peripheren Kreislauf gelangt, reduzierte bei Männern die Nahrungsaufnahme und führte zu einer Gewichtsreduktion. Die vorliegenden Studien bei Frauen zeigten mehrheitlich keinen Einfluss.1
Welche Rolle spielen die Geschlechtshormone?
Bereits seit Längerem wird ein Zusammenhang zwischen Insulinsensitivität und Geschlechtshormonen vermutet. Deren Einfluss auf die zerebrale Insulinwirkung wurde jetzt genauer unter die Lupe genommen; untersucht wurde der Einfluss bei Frauen in Abhängigkeit vom weiblichen Zyklus. Wissenschaftler*innen mehrerer deutscher Forschungsinstitute waren an der Studie beteiligt.2 Erstautorin ist Dr. Julia Hummel, tätig u.a. am Institut für Diabetesforschung und Stoffwechselkrankheiten des Helmholtz-Zentrums München an der Universität Tübingen und an der Universität Ulm.
In die Studie eingeschlossen wurden elf junge Frauen, bei denen jeweils vier hyperinsulinämische euglykämische Clamps durchgeführt wurden – je zwei in der Follikelphase und zwei in der Lutealphase. Während der Follikelphase erreichen Östrogene ihr Maximum, in der Lutealphase dagegen dominiert Progesteron. In einem Vierfach-Cross-over-Design wurde der Einfluss von intranasal appliziertem Insulin bzw. Placebo auf die Glukoseinfusionsrate als Maß für die periphere Insulinsensitivität untersucht.
Wie wirkt Insulin im Gehirn?
Die Erkenntnis ist relativ jung: Das Gehirn ist ein insulinsensitives Organ. Insulin passiert die Blut-Hirn-Schranke und entfaltet seine Wirkung an speziellen Neuronen und Gliazellen. Eine wichtige Hirnregion, die der Regulation durch Insulin unterliegt, ist der Hypothalamus. Von dort gehen – in Abhängigkeit vom Einfluss zerebralen Insulins – Signale in die Peripherie, die die Nahrungsaufnahme sowie den Stoffwechsel steuern. Zerebrales Insulin unterdrückt bei gesunden jungen Männern postprandial die Glukoseproduktion und stimuliert die Glukoseaufnahme in das periphere Gewebe.
Die periphere Insulinsensitivität steigt unter dem Einfluss zentralnervöser Insulineffekte an. Und ein weiterer interessanter Fund: Es gibt nicht nur eine periphere, sondern auch eine zerebrale Insulinresistenz.
Die Ergebnisse: Während der Follikelphase musste nach Inhalation von Insulin signifikant mehr Glukose infundiert werden als nach Placebo, d.h., die periphere Insulinsensitivität nahm zu. Während der Lutealphase war dagegen kein signifikanter Effekt von intranasal appliziertem Insulin auf die Glukoseinfusionsrate zu beobachten. Hormonanalysen ergaben einen Zusammenhang zwischen der zerebralen Insulinwirkung und dem Östradiol-/Progesteron-Quotienten.
Bei 15 weiteren Frauen wurde die Hypothalamus-Aktivität nach intranasaler Applikation von Insulin bzw. Placebo mittels funktioneller Magnetresonanztomografie untersucht. Aktivitätsveränderungen im Hypothalamus fanden sich nach Applikation von Insulin in der Follikelphase, nicht jedoch in der Lutealphase.
Unterschiede zwischen Follikel- und Lutealphase
Die per Clamp und fMRT gewonnenen Daten zeigen, dass zerebral wirksames Insulin sehr wohl auch bei Frauen die periphere Insulinsensitivität positiv beeinflusst. Dies geschieht allerdings nur in der Follikelphase. Während der Lutealphase des weiblichen Zyklus besteht offenbar eine zerebrale Insulinresistenz, die eventuell eine physiologische „Zweckmäßigkeit“ besitzen könnte. Dass sich die periphere Insulinsensitivität im Verlauf des weiblichen Zyklus verändert, ist schon länger bekannt.
Literatur
1. Hallschmid M et al. Diabetes 2004; 53 (11): 3024–3029; doi: 10.2337/diabetes.53.11.3024
2. Hummel J et al. Nat Metab 2023; 5: 1475–1482; doi: 10.1038/s42255-023-00869-w
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