
Noch nicht spruchreif

Hinsichtlich seiner Vorhersagekraft für einen Rückfall übertrifft der Nachweis zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) in Blutproben nach einer Darmkrebsresektion die herkömmlichen pathologischen und klinischen Parameter. Zu diesem Ergebnis kamen Forschende in einer ganzen Reihe an retrospektiven und beobachtenden Studien, erklärte Prof. Dr. Van K. Morris vom MD Anderson Cancer Center in Houston.1 So habe etwa GALAXY aufgezeigt, dass unter Patient:innen mit ctDNA-Befund nach der OP diejenigen bessere Überlebenschancen aufwiesen, bei denen nach einer Chemotherapie die ctDNA aus dem Blut verschwand – gegenüber denen, die positiv blieben. An prospektiven klinischen Daten zur ctDNA gebe es bisher hingegen nicht viel. Immerhin wisse man dank der Phase-2-Studie DYNAMIC, dass ein negativer ctDNA-Status erfolgreich genutzt werden konnte, um Personen mit niedrigem Rückfallrisiko zu identifizieren und die Therapie ohne Überlebensnachteil zu deeskalieren.
In ihrer als Phase-2/3-Untersuchung geplanten prospektiven Studie COBRA hofften Prof. Morris und Kolleg:innen, den ctDNA-Status als prädiktiven Biomarker für den Einsatz adjuvanter Chemotherapie randomisiert kontrolliert zu verifizieren.Teilnehmen konnten Personen mit resektiertem Darmkrebs im Stadium IIA, die keine Hochrisikofaktoren aufwiesen und die von ihren behandelnden Onkolog:innen als geeignet für eine aktive Überwachung eingestuft wurden. Die 635 Erkrankten randomisierte das Team 1:1 in
- Arm A, in dem die Betroffenen lediglich aktiv überwacht wurden und
- Arm B, in dem ctDNA-positive Patient:innen für sechs Monate eine adjuvante Chemotherapie (CAPOX oder mFOLFOX6) erhielten.
Primärer Endpunkt war der Verlust der ctDNA-Positivität nach einem halben Jahr in beiden Versuchsgruppen. Untersucht wurden im Phase-2-Abschnitt zunächst 16 Personen mit positivem Status.
Einen Verlust der ctDNA-Positivität erzielten in der Kontrolle drei von sieben Teilnehmenden (43 %), im Prüfarm mit Chemotherapie nur eine:r von neun Patient:innen (11 %; p = 0,98). Der Phase-2-Abschnitt hatte damit seinen vordefinierten Endpunkt verfehlt, das Team stoppte die Rekrutierung.
„Dieser Vorfall demonstriert unserer Auffassung nach, dass prospektive, randomisiert-kontrollierte Studien zur ctDNA als Biomarker und Surrogat der minimalen Resterkrankung nicht nur möglich sind. Sie bleiben auch notwendig, damit wir klinisch relevante Hypothesen in der Onkologie testen und bestätigen“, kommentierte der Referent. Wichtig sei auch, dass Durchführende bei zukünftigen Studien zusätzliches Blut aufbewahren. So könne man der technischen Weiterentwicklung Rechnung tragen und die klinischen Fragen der Studien besser beantworten.
Ein Update der GALAXY-Studie präsentierte Dr. Dr. Hiroki Yukami von der Osaka Medizinischen und Pharmazeutischen Universität in Takatsuki.2 Die Wissenschaftler:innen korrelierten darin die zeitliche Dynamik des ctDNA-Status mit dem Krankheitsverlauf. Das Patient:innenkollektiv umfasste Personen nach Resektion ihrer Grad-1- bis Grad-4-CRC-Tumoren. Das mediane Follow-up betrug 16,1 Monate.
Ein Basis-MRD-Status lag zwei bis zehn Wochen nach der OP für knapp 3000 Patient:innen vor. Davon waren 12,9 % ctDNA-positiv und 87,1 % negativ. Diejenigen mit MRD-Detektion hatten einen signifikanten Nachteil beim krankheitsfreien Überleben (DFS), dem primären Endpunkt (HR 10,53; p < 0.0001). Von 445 MRD+ Patient:innen erhielten 240 eine adjuvante Chemotherapie. Unter den Behandelten erreichten 66,3 % eine ctDNA-Negativität. Für diejenigen mit weiteren verfügbaren Messzeitpunkten war die ctDNA-Negativität bei mehr als der Hälfte dauerhaft (58 % vs. 42 %). „Diese Personen hatten ein bemerkenswert besseres DFS als die, bei denen der Verlust nur transient war“, erklärte Dr. Yukami (HR 25,13; 95%-KI 10,57–59,73; p < 0.0001). Von transient ctDNA-negativen Teilnehmenden, die später einen Rückfall erlitten, trat dieser zu 98 % bis zum Zeitpunkt von 18 Monaten ein.
Sowohl der ctDNA-basierte MRD-Nachweis als auch die ctDNA-Dynamik nach einer Chemotherapie hätten sich als hoch prognostisch für den Krankheitsverlauf herausgestellt, fasste Dr. Yukami zusammen. In den laufenden randomisierten Interventionsstudien VEGA und ALTAIR, die wie GALAXY zur übergeordneten CIRCULATE-JAPAN-Studie gehören, soll die klinische Nutzbarkeit der ctDNA-basierten adjuvanten Chemotherapie bestätigt werden.
Grundlegender Aufbau der Studien im Vergleich | ||
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| COBRA | GALAXY |
Studienart |
|
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ctDNA Nachweismethode | Guardant LUNAR Assay, der kolonkrebsrelevante Mutationen sowie Methylierungsprofile enthält | Personalisierter Assay, der auf dem jeweiligen Tumor-Mutationsprofil beruht. |
Testzeitpunkte | Initial nach der OP sowie nach sechs Monaten | Seriell; nach 1, 3, 6, 9, 12, 18 und 24 Monaten |
Vergleichbarkeit liefern
Gemeinsam betrachtet lieferten die Studien COBRA und GALAXY mehr Fragen als Antworten zum aktuellen klinischen Einsatz der ctDNA beim Darmkrebs, hielt Diskutantin Prof. Dr. Aparna Raj Parikh vom Massachusetts General Hospital in Boston fest.3 Die klinische Validität des ctDNA-Nachweises, also dass er prognostische Informationen liefert, gehe aus GALAXY klar hervor. Auch, dass eine zeitliche Überwachung die Vorhersage verbesserte. „Leider ist dies aber derzeit abseits von Studien nicht realisierbar“, merkte sie an. In Zukunft sei es u.a. wichtig, Proben zu lagern, um Testergebnisse mit verschiedenen Assays vergleichen zu können.
In seinem Fazit zum Abschluss der Panel-Diskussion betonte Prof. Morris: „Ich denke, wir sind alle begeistert von dieser Methode und sind uns einig, dass der ctDNA-Nachweis gekommen ist, um zu bleiben. Auch Patient:innen zeigen Interesse und fragen danach. In unseren Diskussionen mit ihnen, ob bzw. inwiefern wir das Werkzeug für Behandlungen berücksichtigen wollen, müssen wir das Evidenzlevel verstehen, auf das wir uns beziehen.“ Dieses ergebe sich neben der verwendeten Methodik daraus, wie klinische Studien aufgebaut seien – beobachtend oder randomisiert. „Man sollte sich überlegen, wie wohl man sich damit fühlt, Entscheidungen darauf zu basieren“, so Prof. Morris.
Quellen:
1. Morris VK et al. ASCO Gastrointestinal Cancers Symposium 2024; Abstract 5
2. Yukami H et al. ASCO Gastrointestinal Cancers Symposium 2024; Abstract 6
3. Parikh AR. ASCO Gastrointestinal Cancers Symposium 2024; Abstracts Discussion 1; Oral Abstract Session C: Cancers of the Colon, Rectum, and Anus
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