Neue Ziffern stärken Palliativversorgung – Hausarzt muss lernen und kooperieren
Zum Teil unterscheiden sich die neuen Leistungen nur wenig von bereits vorhandenen EBM-Ziffern: So wurde etwa die Nr. 37300 (41,28 Euro) für die palliativmedizinische Ersterhebung neu eingeführt. Sie beinhaltet die Ersterhebung des Patientenstatus im Rahmen eines standardisierten palliativmedizinischen Assessments und das Erstellen bzw. Aktualisieren eines Behandlungs-, Schmerztherapie- und/oder Notfallplans in Zusammenarbeit mit beteiligten Ärzten; sie ist einmal im Krankheitsfall – d.h. innerhalb von vier Quartalen – berechnungsfähig.
Inhaltlich unterscheidet sich diese Leistung damit nicht wesentlich von der bereits existierenden Hausarzt-Nr. 03370 (Palliativmedizinische Ersterhebung), die mit 35,91 Euro honoriert wird.
Die Hälfte der Ziffern nur mit KV-Genehmigung ansetzbar
Der Haken: Um die neue Leistung berechnen zu können, muss man einen Antrag auf Genehmigung bei der KV stellen. Diese prüft, ob der Arzt die in Anlage 30 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehören:
- Nachweis der persönlichen Qualifikation (siehe Tabelle),
- Nachweis der Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern wie Pflegeeinrichtungen oder Hospizdiensten,
- Nachweis jährlicher palliativmedizinischer Fortbildungen (acht Fortbildungspunkte)
Vorausgesetzte persönliche Qualifikation des Arztes
- zweiwöchige Hospitation in palliativversorgender Einrichtung oder SAPV-Team
oder - Betreuung von mindestens 15 Palliativpatienten in den letzten drei Jahren
- 40-stündige Fortbildung Palliativmedizin
oder - 20-stündige Fortbildung Schmerzmedizin, sofern 60-stündige Fortbildung Geriatrische Grundversorgung und 80-stündige Fortbildung Psychosomatik vorhanden
oder - 18-stündige Fortbildung zu definierten Themen aus psychosozialen, spirituellen, ethischen, rechtlichen Bereichen, wenn 80-stündige Fortbildung Schmerztherapie vorhanden
- Nr. 37302 (28,96 Euro, einmal im Quartal) als Zuschlag zur Versichertenpauschale für die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen sowie der palliativmedizinischen und -pflegerischen Versorgung
- Nr. 37317 (150 Euro, einmal im Krankheitsfall) als Zuschlag für die Erreichbarkeit/Besuchsbereitschaft
- Nr. 37318 (22,43 Euro) für eine mindestens fünf Minuten dauernde telefonische Beratung mit dem Pflegepersonal, ärztlichen Bereitschaftsdienst, Krankenhaus oder den Angehörigen.
Ziffern öffnen Palliativbereich für quasi alle Fachrichtungen
Die weiteren neuen palliativmedizinischen Leistungen bringen eine Öffnung in den nicht-hausärztlichen Bereich mit sich. Das Pendant zu den Nrn. 37305 und 37306 sind die Nrn. 03372 und 03373 im Hausarztkapitel. Alle Leistungen werden mit 13,05 Euro als Zuschlag zum Hausbesuch (Nrn. 01410 / 01413 bzw. Nrn. 01411, 01412 / 01415 vergütet. Eine Art „Feigenblatt“ scheint dagegen die neue Nr. 37320 zu sein, die mit fünfmal im Krankheitsfall zu jeweils 6,74 Euro – also bis zu 33,70 Euro – eine Fallkonferenz zwischen dem Arzt und den komplementären Fachdisziplinen honoriert. Streng genommen ist das der einzige „Gewinn“, den ein Hausarzt aus dieser EBM-Neuerung generieren kann.Ist der KBV eigentlich bewusst, was sie da tut?
Es ist eine schleichende Entwicklung, die sich hier offenbart, die von der KBV auch an anderen Punkten vorangetrieben wurde: Erst wurde die Möglichkeit des Einsatzes der NäPa auch im fachärztlichen Bereich eröffnet, dann wurden Abrechnungspositionen in der Geriatrie geschaffen, die nur von spezialisierten (Fach-)Ärzten berechnet werden können. Jetzt hat man die Palliativmedizin für nahezu alle Fachrichtungen geöffnet. So wird zunehmend hausärztliche Kompetenz und letztendlich auch potenziell hausärztliches Honorarvolumen abgeschöpft – eine Entwicklung, die dem zunehmenden Hausärztemangel zuarbeitet. Die Frage ist: Will das die KBV tatsächlich oder fehlt ihr einfach Weitsicht?Wer nicht mitmacht – hat auch nichts verloren
Ein kleiner Trost: Während die Öffnung für den Einsatz einer NäPa und die Abspaltung der Geriatrie ziemlich offenkundig Kassengelder umleitet, fällt der Honorarklau bei der Palliativmedizin deutlich erträglicher aus: Auch hier werden zwar neue Leistungen geschaffen, die an Qualifikationsvoraussetzungen gebunden sind. Unterm Strich verliert aber kein Hausarzt Geld, wenn er diesen (Irr-)Weg nicht mitgeht. Die Spezialisten dagegen, die jetzt schon im Palliativteam der SAPV tätig sind, werden mit dem neuen „Brosamen“-Honorar kaum zu locken sein.Palliativversorgung im EBM | |||||
---|---|---|---|---|---|
Neue Palliativziffern | Euro | alte Palliativziffern | Euro | ||
37300 | Palliativmedizinische Ersterhebung, 1x im Krankheitsfall* | 41,28 | 03370 | Palliativmedizinische Ersterhebung, 1x im Krankheitsfall | 35,91 |
37302 | Zuschlag zur Versichertenpauschale für Koordination, 1x im Quartal | 28,96 | 03371 | Zuschlag zur Versichertenpauschale für palliativmedizinische Versorgung, 1x im Quartal | 16,74 |
37317 | Zuschlag zu Nr. 37302 für Telefon- und Rufbereitschaft, 1x im Krankheitsfall | 150,00 | |||
37318 | Telefonische Beratung, mind. 5 Minuten außerhalb Sprechzeiten | 33,43 | |||
37305 | Zuschlag zu Nr. 01410 oder 01413, je 15 Minuten | 13,06 | 03372 | Zuschlag zu Nr. 01410 oder 01413, je 15 Minuten | 13,06 |
37306 | Zuschlag zu Nr. 01411, 01412 und 01415 | 13,06 | 03373 | Zuschlag zu Nr. 01411, 01412 und 01415 | 13,06 |
37320 | Fallkonferenz, 5x im Krankheitsfall | 6,74 | |||
*kursive Ziffern = qualifikationsgebunden |
Quelle: Medical-Tribune-Recherche