Vorabprüfung Regressanlässe in Schranken gewiesen
Die neuen, seit dem 1. Januar 2023 gültigen Rahmenvorgaben sollen gewährleisten, dass weniger Ärzt:innen als bisher von Verfahren der Richtgrößen- oder Durchschnittswertprüfungen bei der Arzneimittelverordnung betroffen sind: Mit der neuen Regelung werden Einsparungen aus Rabattverträgen für biosimilar- oder generikafähige Arzneimittel bereits bei der Vorabprüfung berücksichtigt. Dadurch verringert sich das arztbezogene Verordnungsvolumen und somit die Gefahr für Ärztinnen und Ärzte, überhaupt in die Prüfung zu geraten.
Die KBV hat sich nun auch mit dem GKV-Spitzenverband auf eine Anpassung der Rahmenvorgaben zu den Wirtschaftlichkeitsprüfungen geeinigt. In der Verordnungsstatistik für die Vorabprüfung werden jeweils nur die Kosten des günstigsten Arzneimittels mit dem gleichen Wirkstoff, der gleichen Wirkstärke und der gleichen Packungsgröße berücksichtigt.
Auch Praxisbesonderheiten spielen eine große Rolle
Die Krankenkassen haben alternativ ebenfalls die Möglichkeit, vom Verordnungsvolumen die arztbezogen ermittelten Einsparungen abzuziehen, die sie aufgrund von Rabattverträgen erzielt haben. Wichtig in diesem Zusammenhang: Praxisbesonderheiten müssen ggf. so umgehend wie möglich geltend gemacht werden. Das ergibt sich u.a. aus einem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg.
Dabei ging es um eine Gemeinschaftspraxis, die viele Patient:innen u.a. im Bereich Palliativmedizin und Geriatrie betreute. Die Prüfungsstelle stellte lapidar ein Überschreiten des Fachgruppendurchschnitts bei den Arzneimittelverordnungen fest, ohne diese Praxisbesonderheit zu berücksichtigen. Der Aufforderung der Praxis, das in diesem Bereich verordnete Medikamentenvolumen bei der Fachgruppe zu vergleichen, wurde nicht Folge geleistet und ein hoher Regressbetrag festgelegt. Im Widerspruchsverfahren vor dem Beschwerdeausschuss wurde die Entscheidung bestätigt. Die Praxis scheiterte auch im ersten Verfahren und legte Berufung beim Landessozialgericht ein.
Aber auch das LSG wies die Berufung als unbegründet zurück – mit der bemerkenswerten Begründung, die Praxis habe die von ihr behaupteten Praxisbesonderheiten nicht früh und nicht umfassend genug dargelegt. Praxisbesonderheiten könnten nur anerkannt werden, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden. In der Wirtschaftlichkeitsprüfung obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten dem Vertragsarzt.
Bereits im Prüfungsverfahren alle Karten auf den Tisch
Grundsätzlich sei es daher nach Auffassung der Richter die Angelegenheit des Vertragsarztes, die für ihn günstigen Tatsachen so genau wie möglich anzugeben und zu belegen. Solche Umstände müssten bereits im Prüfungsverfahren, spätestens aber gegenüber dem Beschwerdeausschuss und nicht erst im nachfolgenden Gerichtsverfahren geltend gemacht werden.
Quelle: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2023, Az.: L 5 KA 3043/21